Die Opfer zuerst! Noch am Abend des Attentats – es lagen kaum Ermittlungsergebnisse vor – wurde gefordert, die Asylpolitik zu verschärfen.
Ich meine: Es steht außer Frage, dass nach einer solchen Tat ermittelt und aufgearbeitet werden muss, dass strafrechtliche und gegebenenfalls politische Konsequenzen zu ziehen sind. Aber es ist pietätlos, auch an dieser Stelle nicht zuerst an die Opfer zu denken. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige hat die richtigen Worte gefunden: „Ich denke an die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Einsatzkräfte und schließe sie in mein Gebet ein.“
Bei den Fakten bleiben! 24 Stunden nach dem Attentat versammelte sich in Magdeburg ein neonazistischer Mob. Menschen mit offensichtlich migrantischem Hintergrund wurden angegriffen. Und auch AfD-Chefin Alice Weidel instrumentalisierte die Tat, indem sie Tage danach wider besseres Wissen – die Ermittlungen hatten längst ein anderes Bild ergeben – den Täter als „Islamisten“ bezeichnete.
Ich meine: Wir alle, vor allem die Politik, haben die Verantwortung, bei den Fakten zu bleiben. Doch weil es immer jemanden gibt, der lieber zündelt als zusammenführt, sind wir als Bürgerinnen und Bürger selber gefragt. Zeigen wir Scharfmachern die kalte Schulter!
Wahres sprechen! Auch Medien haben nach dem Anschlag überzogen. Das Negativbeispiel par excellence lieferte Ulf Poschardt in der Welt. Er ließ es sich nicht nehmen, den Magdeburger Weihnachtsmarkt als „Symbol des Christlichen“ zu stilisieren, als „Rückzugsort geschundener fleißiger Seelen“.
Ich meine: Wer so redet, betreibt das Geschäft der Spalter und letztlich der Terroristen (auch wenn in diesem Fall die Dinge ohnehin wohl anders liegen). Er nimmt genau das Narrativ des „Wir gegen die“ an, konstruiert womöglich sogar einen Religionskonflikt. Schauen wir genau hin und widerstehen der Versuchung zum schnellen Klick.
Die richtigen Fragen stellen! Selbstverständlich, auch ich denke darüber nach: Wann hat das angefangen, dass wir nicht mehr unbeschwert zu Großveranstaltungen gehen können? Dürfen wir uns daran gewöhnen, dass wir Weihnachtsmärkte verbarrikadieren müssen?
Aber ich meine auch: Politik heißt, von den Realitäten auszugehen. Und die sind nunmal so, dass es ein grundlegendes Bedrohungsszenario gibt. Hätten wir es vermieden, wenn das Grenzrecht 2015 ein anderes gewesen wäre? Wie steht es generell um die Sicherheitspolitik? Oder liegen die Gründe tiefer? Und wären deshalb Antworten auf einer anderen Ebene zu suchen? Der Terrorexperte Peter Rudolf Neumann räumte ein: „Nach 25 Jahren in diesem Geschäft denkst du, nichts könnte dich mehr überraschen. Aber ein 50-jähriger, saudischer Ex-Muslim, der in Ostdeutschland lebt, die AfD liebt und Deutschland für seine Toleranz gegenüber Islamisten bestrafen will – das hatte ich wirklich nicht auf dem Zettel.“
Zuversichtlich bleiben! Der Anschlag hat einen Schatten auf Weihnachten gelegt. Weihnachten sei „vorbei“, sagten manche.
Ich meine, nochmals mit Bischof Feige: „Trotzdem oder gerade deshalb feiern wir Weihnachten. Von der Geburt des Gottessohnes geht ein Licht aus, das bis in die dunkelsten Winkel unseres Lebens leuchten und die Finsternis in und um uns entmachten kann.“