Pressestimmen zum Anschlag in MagdeburgWarum tut ein Mensch so etwas?

Unterschiedliche Einordnungen der Tragödie

Im Redaktionsnetzwerk Deutschland war zu lesen: „Warum tut ein Mensch so etwas? ... Es ist zutiefst menschlich, nach einer so tiefen Erschütterung Antworten zu verlangen. Aber: Das wird verdammt schwer.

Als Anis Amri vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, am Steuer eines gestohlenen Sattelzuges über den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz raste und 13 Menschen tötete, zeichnete sich bald ein Bild ab: Ein illegal eingereister Tunesier – den die deutschen Behörden in Freiburg als „Anis Amir“ registriert und wegen dieser falschen Angabe Italiens Warnung vor dem gefährlichen Gewalttäter verpasst hatten – radikalisiert sich und wird am Ende voller Hass auf die freie Gesellschaft zum Massenmörder.

Amris Tat schien in ihrer blutigen Sinnlosigkeit zumindest einem traurigen Muster zu folgen. In Magdeburg gibt es kein Muster. Die Motivlage ist maximal verwirrend. Taleb A., der Täter vom Freitagabend, ist fast 20 Jahre älter als Amri. Er hatte einen Beruf. Er hatte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Und er denkt, nach allem, was bisher bekannt ist, nicht wie ein Islamist, sondern wie ein Rechtspopulist. Er fürchtete nicht die westliche Freiheitskultur, sondern die Islamisierung des Abendlandes.“

Das Handelsblatt kommentierte: „Nüchterne Aufklärung mit klaren Konsequenzen ist die einzig sinnvolle Antwort, die ein Rechtsstaat auf dieses Attentat geben kann. Es ist gut, dass sich die meisten Parteien darauf verständigt haben, zwar die nötige Sicherheitsdebatte zu führen, aber das Fanal von Magdeburg nicht für den Wahlkampf zu missbrauchen. Mit Ausnahme von Alice Weidel, die bei einer Kundgebung mit tränenerstickter Stimme die Tat auszuschlachten versuchte.“

Die Frankfurter Allgemeine hält dagegen: „Taleb Al A. mag kein Islamist gewesen sein, aber er war jemand, der den Behörden bekannt war, der immer wieder negativ auffiel. Warum also durfte jemand wie er im Land bleiben?“

Der Münchner Merkur wirft den verantwortlichen Stellen explizit Versagen vor und fordert, „dass der moderne Staat wehrhafter werden und sein Schutzversprechen mit anderen Bürgerrechten wie der informellen Selbstbestimmung neu ausbalancieren muss. Das Recht auf Asyl ist abzuwägen gegen das Recht der Bevölkerung auf Sicherheit. Die neue Regierung, wie immer sie sich zusammensetzt, darf die Zeitenwende bei der inneren Sicherheit nicht mehr weiter verbummeln.“

Die Neue Zürcher Zeitung erkennt in vielen Terrorakten ein „vergleichbares Schema“: „Ein junger Mann radikalisiert sich in seinem Hass auf die westliche Gesellschaft und attackiert sie dort, wo sie ihm am unerträglichsten erscheint: in ihrem Gebrauch der Freiheitsrechte. Das ist umso grotesker, als diese Attentäter ihre Herkunftsländer auch darum verlassen haben, um im Westen Zuflucht und Freiheit zu finden.“

Außerdem appelliert der Kommentator an das jeweilige Umfeld: „Freunde und Bekannte von Menschen, die in die Radikalisierung abdriften, können nicht die Aufgaben der Sicherheitsbehörden übernehmen. Sie sind nicht informelle Mitarbeiter des Staates. Aber es gehört im Alltag zur Zivilcourage, Personen anzusprechen, die man für gefährdet oder gefährlich hält. Man macht es zum Schutz dieser – wie auch immer – labilen Menschen, und man tut es im Interesse der Gesellschaft.“

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