Finanzpaket des Bundes als LehreDie sinnvollste Investition

Es ist zumindest ungewöhnlich, wenn Live-Ticker zu einer Bundestagsabstimmung über ein an sich so trockenes Thema wie Finanzen und Haushaltspolitik laufen. Doch die Kirchen sollten dies aufmerksam verfolgen.

Der Vorgang bietet alle Komponenten eines religiösen Dramas: Da gibt es Dogmen (die Schuldenbremse), an denen gerüttelt wird, da gibt es konkurrierende Glaubenssätze („Austerität!“, „Investitionen!“), es werden apokalyptische Bedrohungsszenarien an die Wand gemalt (Belastung der künftigen Generationen vs. fehlende Anreize zu Investitionen, in beiden Fällen der daraus resultierende Niedergang). Schulden sind aber zunächst schlicht „Verbindlichkeiten“, und nicht die „Schuld“ in Strafrecht und Theologie. Und nicht gleich eine „Sünde“, auch wenn sie dazu werden können. Schulden, nüchtern ökonomisch betrachtet, sind akzeptabel, wenn der erwartete Mehrwert der Investition die kurzfristige Schuldenaufnahme rechtfertigt. Das klassische Beispiel ist ein Bildungskredit für eine gute Ausbildung. Und hier bietet sich ein Anknüpfungspunkt für die Kirchen: Wäre nicht ein umfangreiches Schuldenpaket zur Investition in die Neu-Evangelisierung sinnvoll?

Schätzungen zufolge verfügt die katholische Kirche in Deutschland über ein Vermögen von rund 200 Milliarden Euro. Haupteinnahmequellen der Kirche sind die Kirchensteuer, Vermögenserträge und Staatsleistungen. Beispielsweise förderten die Kirche und ihre Hilfswerke im vergangenen Jahr weltweit soziale und karitative Projekte im Umfang von rund 616 Millionen Euro. Der weitaus größte finanzielle Aufwand ist der Erhalt des Bestehenden: Gebäude, Personal, Unterhalt von Schulen, Bildungshäusern, soziale Dienste etc. Nicht unerwähnt bleiben sollten die ca. 40 Millionen Euro, die die Katholische Kirche an Opfer von Missbrauch ausbezahlt hat (2023).

Seit längerem vernimmt man allerdings Murren aus Kirchenkreisen, dass das Geld knapp werde und wichtige Positionen nicht mehr ausbezahlt werden könnten. Mitgliederschwund und die Frage der Staatskirchenleistungen sind immer wiederkehrende Themen. Verzagt nicht!, mag man den Verantwortlichen da zurufen. Nehmt euch stattdessen ein Beispiel an der Politik! Denn wer Schulden aufnimmt, um damit gute Investitionen zu tätigen, wird reiche Ernte einfahren (hoffentlich!). Im Gegensatz zu Industriesubventionen und Rüstungssondervermögen sind die Themenfelder bei der Kirche aber von weniger kontroverser Natur und garantiert nachhaltig: Investiert werden muss in die Gläubigen selbst: die, die schon (oder noch) da sind, aber auch und vor allem diejenigen, die noch nicht angesprochen wurden von der Hoffnung, die uns bewegt (1 Petr 3,15). Und wenn es noch so unzeitgemäß und vielleicht auch anmaßend klingt: Die Kirchen haben von ihrer Gründergestalt einen klaren Missionsauftrag bekommen und sind per definitionem missionarische Glaubensgemeinschaften.

Das Wort „Neuevangelisierung“ mag manchem nicht schmecken und muss dennoch über die Wiederansprache sich enttäuscht oder gleichgültig abwendender Menschen hinausgehen. Es ist mit rein karitativem Engagement, so wichtig es auch ist, nicht getan. Die Kirche muss auch als glaubende, begeisternde und überzeugende Gemeinschaft wahrgenommen werden. Sie darf ihre Sünden, ihre Fehler und, ja, auch ihre Verbrechen nicht als Anlass nehmen, stumm und unsichtbar langsam zu verschwinden.

Die Kirche hat der Welt unendlich viel mitzuteilen und durch das Evangelium auch unendlich viel zu geben. Eine endliche Investitionssumme für einen unendlichen Ertrag: Die Kirchen sollten jetzt in ihre Botschaft investieren. Koste es, was es wolle.

Anzeige: Wer's glaubt ... Meine Seligpreisungen. Von Beatrice von Weizsäcker

Christ in der Gegenwart im Abo

Unsere Wochenzeitschrift bietet Ihnen Nachrichten und Berichte über aktuelle Ereignisse aus christlicher Perspektive, Analysen geistiger, politischer und religiöser Entwicklungen sowie Anregungen für ein modernes christliches Leben.

Zum Kennenlernen: 4 Wochen gratis

Jetzt gratis testen