Wussten Sie, wann zuletzt eine Person als „Hexe“ verurteilt wurde? Auf dem Gebiet des heutigen Deutschland war das vor 250 Jahren: Am 8. April 1775 wurde Anna Maria Schwägelin wegen eines angeblichen Pakts mit dem Teufel in Kempten im Allgäu zum Tode verurteilt. Sie entkam zwar der Hinrichtung, starb aber wenige Jahre später im Gefängnis. Mich hat das betroffen gemacht – 250 Jahre, das ist wirklich nicht lange her!
Mit Blick auf unsere Debattenkultur müssen wir zudem feststellen: Auch heute noch werden Menschen wegen fadenscheiniger Vorwürfe verurteilt. Wie schnell gilt ein Name als verbrannt, weil sich die Person für die „falsche“ Sache einsetzt oder einem schlicht ihr Aussehen oder die Stimme nicht passt. Hexenurteile gehören hierzulande zwar der Vergangenheit an, aber Todesdrohungen sind für viele öffentliche Personen bitterer Teil des Alltags, und der Weg zu echter Gewalt ist nicht weit.
„Richtet nicht“ (Lk 6,37) – dem Gebot Jesu folgend, nehmen wir uns in dieser Bücher-Ausgabe etwa die autobiografischen Erzählungen des Papstes (vgl. S. 6), die heilige Johanna von Orléans (S. 7) oder die Gegenwartsautorin Nora Bossong (S. 3) zum Vorbild.