CHRIST IN DER GEGENWART: Faithpwr („Glaubenskraft“) ist als digital-pastorales Angebot bekannt. Sie bespielen Instagram, TikTok und andere Kanäle im Internet. Wie kam es, dass Sie jetzt – ganz analog – ein gedrucktes Buch gemacht haben?
Lisa Quarch: Es stimmt, Faithpwr ist ein cross-mediales Projekt der – vor allem digitalen – Glaubenskommunikation. Aber wir denken digital und analog gar nicht getrennt voneinander, sondern beides sind Teile derselben Wirklichkeit und Kultur. Und deshalb passt auch das Buch gut zu uns. Darin sind viele neue Texte enthalten, aber wir wollen damit auch die tollen Inhalte, die wir zum Beispiel auf Instagram haben, einem nochmals größeren Kreis zugänglich machen. Das Buch steht für sich. Man braucht dafür keinen Instagram- oder TikTok-Account. Man kann einfach nur lesen.
Worum geht es inhaltlich?
Unser Hauptwirkungsziel ist spirituelle Selbstermächtigung. Wir wollen Personen ermutigen und vielleicht auch dabei unterstützen, selbst herauszufinden, was ihre Spiritualität ist. Im Buch arbeiten wir wie auf Instagram mit Themenreihen, das heißt wir gehen von existenziellen oder auch gesellschaftlich relevanten Inhalten aus. Die müssen erstmal nicht direkt etwas mit dem Glauben zu tun haben, also etwa Körper, Politik, Intimität, Kunst … Diesen Themen nähern wir uns dann aus unterschiedlichen christlichen Perspektiven an.
Wie sieht das formal aus?
Jedes Kapitel wird von einer Person aus der Bibel eröffnet, genauer gesagt: von einer Person aus dem Alten Testament wie Noah, Mirjam oder Debora und Jael. Dieser alttestamentliche Schwerpunkt hat sich irgendwie von selbst ergeben, und dann wollten wir bewusst in diesem Kulturhorizont bleiben. Die biblische Person erwecken wir zum Leben, indem wir sie in der Ich-Perspektive etwas aus ihrer Geschichte erzählen lassen. Darauf folgt jeweils der Beitrag einer Exegetin, eines Exegeten, welche die Figur nochmal bibelwissenschaftlich einordnen – das aber immer so, dass man es auch versteht, wenn man nicht Theologie studiert hat. Zum Abschluss jedes Kapitels gibt es immer drei Perspektiven aufs Thema von Personen von heute, die ganz unterschiedliche Zugänge zum Christentum haben und von ihrer Geschichte mit dem Glauben und dem Leben erzählen. Dabei wollen wir bewusst eine breite Vielfalt abdecken, ökumenisch sein und auch das nicht allein mit Menschen aus den Landeskirchen.
Sie nennen die Personen, die da zu Wort kommen, „Glaubensheldinnen“ und „Glaubenshelden“. Wie sind Sie auf diesen Begriff gekommen?
Für mich ist jede Person eine Glaubensheldin, ein Glaubensheld, die sich in diesem Kontext traut, ihre Geschichte zu erzählen, und uns so an ihrem Weg teilhaben lässt. Damit ist auf keinen Fall gemeint, dass jemand superfromm sein müsste. In dem Buch sind ja auch viele Geschichten von zweifelnden Menschen enthalten oder von Personen, die mit dem Glauben nicht mehr so viel anfangen können. Aber es sind eben auch Geschichten von Personen drin, die ganz viel Stärke, Freiheit und Selbstermächtigung in ihrem Glauben finden. Das ist für mich heldenhaft und mutig. Man macht sich damit ja immer angreifbar. Und deshalb stellen wir diese ganz normalen Menschen – wir haben bewusst keine Promis oder bekannte Aktivisten angesprochen – auch in eine Reihe mit den Glaubenshelden der Bibel.
Ich kann mir vorstellen, dass das für junge Menschen eine bestärkende Erfahrung sein kann. Im Alltag stehen sie als Glaubende heute ja oft allein da…
Das ist generell das Feedback, das wir aus der Community bekommen. Viele sind dankbar, dass wir eine Sichtbarkeit schaffen, dass sie sich gesehen fühlen mit ihrem Glauben. Zugleich erfahren sie dadurch: Ich bin nicht allein mit meinen Fragen und Themen. Selbst wenn ich in meinem analogen Leben erstmal niemanden habe, der ähnlich tickt, vielleicht auch keine Gemeinde, in der ich mich wohlfühle. Hier ist jetzt ein „Ort“, an dem ich mich auch über meinen Glauben austauschen und Inspiration finden kann.
Ein zweiter Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Erfahrung der Vielfalt. Christlicher Glaube ist vielfältig, und es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, ihn heute zu leben. Wenn ich mich frage, wie Christsein 2025 aussehen und gelebt werden kann, dann lese ich hier von Personen, die für sich eine Antwort gefunden haben, natürlich immer noch mit Fragezeichen und all der Entwicklung – aber sie erzählen: So ist es für mich heute.
Diese Offenheit, dieses Progressive – und das ist die dritte Beobachtung – ist etwas, das man uns Christinnen und Christen erstmal nicht zutraut, gerade den Katholikinnen und Katholiken. Faithpwr ist ja ein ökumenisches Projekt, aber es wird wesentlich vom Bistum Limburg getragen. Gerade Leute, die uns noch nicht kannten, reagieren hier positiv überrascht.
Finden sich auch konservative Interpretationen des Christlichen in dem Buch und bei Faithpwr wieder?
Bei uns geht es vor allem um Spiritualität, und deshalb können auch viele von denen, die wir landläufig als konservativ bezeichnen, etwas mit unserem Content anfangen. Kritik bekommen wir hauptsächlich aus dem fundamentalistischen Christentum, wo die Bibel wortwörtlich verstanden wird. Das geht bis zu Hassnachrichten.
Nochmal zurück zum Buch: Eine Rubrik, die mir persönlich sehr gut gefallen hat, haben Sie vorhin „unterschlagen“: Einatmen – ausatmen...
Dieses Element steht immer am Ende eines Themas; es ist gewissermaßen der spirituelle Schlusspunkt. Wir nennen es intern unser „Stoßgebet“. Ein Halbsatz zum Einatmen, ein Halbsatz mit dem Ausatmen. Beides soll die Inhalte davor auf möglichst überraschende Weise auf den Punkt bringen. Wir wissen aus vielen Rückmeldungen: Gerade diese kleine und alltagsnahe Form von Spiritualität ist unserer Community sehr wichtig.
Abschließend gefragt: An wen genau richtet sich Ihr Buch?
Ich denke, dass man es ab 14 Jahren gut alleine lesen kann. Jüngere Menschen brauchen vielleicht noch etwas Begleitung. Ich glaube, es ist auch ein gutes Geschenkbuch, wenn man jemanden in seinem Umfeld kennt, der zur Konfirmation oder zur Firmung geht. Und nicht zuletzt eignet sich das Buch für die pastorale Arbeit mit Gruppen, seien es Hauskreise, Religionsunterricht oder ein Firmkurs. Ich habe auch schon Texte als Predigtimpuls genommen. Ganz grundsätzlich gesagt: Wir möchten Menschen erreichen, die mit ihrem Glauben unterwegs sind und sich inspirieren lassen wollen.