Unsere ErinnerungenHerzensmomente

Nach dem Tod von Papst Franziskus sammelt die CIG-Redaktion Episoden aus seinem Pontifikat, die sie am meisten beeindruckt haben.

Das Papsttum lebt von der Kraft seiner Bilder. Das war schon zu früheren Zeiten so, als Päpste prachtvolle Kirchen und Paläste bauen ließen und auf Thronen durch die Menge getragen wurden. Und das gilt umso mehr, seitdem Bilder durch Fernseh- und Handykameras allgegenwärtig wurden. Mit Papst Franziskus kam das traditionsbeladene Amt endgültig in der Medienwelt an. Vom ersten Moment seines Pontifikats an zog er Menschen in Bann – weit über die Grenzen der Glaubensgemeinschaft hinaus.

Dabei schien er keiner ausgefeilten Medienstrategie zu folgen. Vielmehr war sein Auftreten von Spontanität geprägt und entsprach seinem Wunsch nach Einfachheit und Zuwendung zu den Schwachen: ob er die Flüchtlingscamps im Mittelmeer besuchte, aus seinem Wagen ausstieg, um ein Kind im Rollstuhl zu segnen, oder sich in den letzten Jahren eben selbst darin zeigte. All die Bilder sorgten für Aufsehen – ihre nachhaltige Wirkung lässt sich aber nur durch eine innere Aufrichtigkeit erklären, die aus ihnen spricht und unmissverständlich zu verstehen gibt: Hier inszeniert sich niemand, hier ist einer ganz er selbst.

Auf eigentümliche Weise trifft das auch auf die Segensfeier während des ersten Corona-Lockdowns im März 2020 zu. Die Szene zählt für mich zu den eindrucksvollsten Franziskus-Momenten. Obwohl sie ganz offensichtlich inszeniert und bis ins Detail durchgeplant war, strahlt sie eine große Natürlichkeit aus. An einem regnerischen Frühlingsabend geht der Papst in weißer Soutane über den menschenleeren Petersplatz. Er schreitet zur hell erleuchteten Fassade der Basilika hinauf und verharrt vor einem mittelalterlichen Kruzifix in stillem Gebet. Fleht er um Rettung, um Linderung des Leids? Klagt er Gott an für die Grausamkeit der Schöpfung?

Diese Bilder waren für mich sprechender als alle Versuche, mit Worten Trost zu spenden. Der einsame Papst in einer Kulisse, die eigentlich für Massen ausgelegt ist. Hier ist nichts wie sonst, weil auch die Umstände nicht wie sonst sind. So sehr Gemeinschaft ein erhebendes Gefühl sein kann, verschleiert sie mitunter, dass wir nur zu oft allein vor Gott stehen. Dass wir uns manchen Ängsten und manchem Zweifel nur allein stellen können. Zugleich wirkte der Papst in der pandemiebedingten Vereinzelung wie ein Spiegelbild, in dem sich all die Fremden weltweit gegenseitig erkennen konnten und gesehen waren – verbunden, ohne sich zu kennen. Allein für dieses Papsttum der Bilder kann man Franziskus dankbar sein.

Moritz Findeisen

Im Frühjahr 2023 hatte Franziskus aufgrund einer schweren Bronchitis mehrere Tage in der Klinik verbringen müssen. Anfang April konnte er schließlich entlassen werden. Vor dem Krankenhaus traf er nicht nur auf einen großen Pulk von Pressevertretern aus aller Welt, sondern auch auf ein italienisches Elternpaar, denen gerade das Schlimmste widerfahren war, das sich Mütter und Väter überhaupt vorstellen können: Ihr kleines Kind war unmittelbar zuvor im selben Krankenhaus verstorben. Erschüttert über das Schicksal und den Schmerz der schluchzenden Eltern, umarmte Franziskus die Mutter, ließ sie an seiner Brust weinen, hörte mitfühlend ihrer Leidensgeschichte zu und tröstete sie. Immer wieder konnte man die Mutter „Papa“ stammeln hören. Am Ende betete er schließlich mit den beiden Eltern das „Ave Maria“.

Durch Zufall war damals das wackelige Video mit dieser erschütternden Szene in meiner Facebook- Timeline aufgetaucht, und ich weiß nicht mehr, wie oft ich sie mir an diesem Tag angesehen habe. Ich weiß aber, dass sie mich so tief berührte, dass ich sofort mitweinen musste und lange nicht mehr damit aufhören konnte. Und nun, da ich zwei Jahr später das Video in den Untiefen den Internets gesucht und wiedergefunden habe, laufen mir erneut die Tränen übers Gesicht. Dieser Moment zeigt einfach auf unglaublich bewegende und deutliche Weise, dass Papst Franziskus vieles war – vor allem aber ein wunderbarer, empathischer und warmherziger Seelsorger und unvergleichlich guter Hirte. Und gerade als dieser wird er der Welt, die durch seinen Tod nun ein bisschen kälter geworden ist, sehr fehlen!

Es bleibt die Hoffnung, dass er – der so viele Menschen umarmt, getröstet und gestärkt hat – nun selbst in den Armen seines göttlichen Vaters unendlichen Trost, Stärkung, Frieden und seine himmlische Erlösung gefunden hat. Requiescas in pace, Franziskus, du Papst der Herzen!

Johanna Beck

 

Dass ein Papst, der sich nach dem Dichter des Sonnengesangs benennt, auch in Umweltfragen eine klare Meinung hat, überrascht nicht wirklich. Doch das unermüdliche Engagement, mit dem Franziskus den Industrienationen ins Klima- Gewissen geredet hat, hat mich immer wieder beeindruckt. Besonders weil es nicht bei offiziellen Schreiben wie der „Umwelt“-Enzyklika Laudato si’ blieb. Dieser Papst wollte alle erreichen und wählte dazu auch ungewöhnliche Kanäle: Er gab Talkshow- Interviews, sprach in Podcasts – und trat auch immer wieder in Filmen auf.

Bis heute ist mir die Anfangssequenz des Dokumentarfilms The Letter („Der Brief“) in lebhafter Erinnerung, den ich vor einigen Jahren gesehen und im CIG besprochen habe (vgl. Nr. 42/2022, S. 15). Gezeigt wird ein Postbote, der sich durch den Regenwald, die afrikanische Steppe und eine indische Großstadt kämpft, um persönliche Briefe zu verteilen, mit denen Franziskus Klimaforscher und Aktivisten aus allen Teilen der Welt in den Vatikan einlädt, um zusammen an Lösungen für die Menschheitskrise Klimawandel zu arbeiten. „Wir haben gerade nicht die beste Beziehung zur Schöpfung“, fasst der Papst das Problem knapp zusammen, während man auf dem Bildschirm sieht, wie schön und bunt die Erde (noch) sein kann. Vögelschwärme fliegen über unberührte Flusstäler, die Sonne scheint auf grüne Hügellandschaften und zerklüftete Eiswüsten. Es ist ein Film, der Staunen lässt und, trotz aller Probleme, Hoffnung machen kann.

The Letter ist noch immer kostenlos im Internet zu sehen, als dauernde – und weiterhin dringende – Botschaft für die Menschheit. Während ich noch einmal hineinschaue, wird mir klar, dass die Welt tatsächlich ein ganzes Stück ärmer geworden ist, wenn es niemanden mehr gibt, der in der schlimmsten Klimakatastrophe Briefe der Hoffnung verschickt.

Simon Lukas

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