Konflikt um gekündigten DomkapellmeisterKommunikativ gescheitert

Nach dem Vorfall während der Christmette im Freiburger Münster wurde der gekündigte Domkapellmeister mit sofortiger Wirkung freigestellt. Zahlreiche Mitglieder aus den Chören haben angekündigt, unter dem interimsweise bestellten Personal bis auf Weiteres nicht zu singen. Verantwortlich für den bleibenden Imageschaden ist das desaströse Krisenmanagement der Diözesanleitung.

Es ist ein Konflikt, in dem es nur Verlierer gibt: Hauptleidtragender ist Boris Böhmann, der gekündigte Domkapellmeister, der nach mehr als zwanzig Dienstjahren Job, Wohnung und künstlerischen Lebensmittelpunkt verliert (vgl. CIG Nr. 1, S. 2). Leidtragend sind an die 200 ehrenamtliche Sängerinnen und Sänger, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche, denen ihr Chorleiter genommen wird und für die ein Teil der kirchlichen Beheimatung zerbricht. Verloren haben aber auch das Freiburger Domkapitel, das sich teils massiver Anfeindung ausgesetzt sieht – sowie einmal mehr das Image der Kirche.

Man könnte von einer Tragödie sprechen, wenn sich nicht die Verantwortung mindestens für den letzten Teil klar zuweisen ließe: Kern des Konflikts, der inzwischen bundesweit Aufmerksamkeit erlangt hat, ist ein selbstgemachtes Kommunikationsdesaster der Diözesanleitung. Dass man den unliebsam gewordenen Leiter der Kathedralmusik aufgrund eines besonderen Anstellungsverhältnisses zu einer Art nicht-kirchlichem Mitarbeiter degradiert hat und so ohne Kündigungsschutz entlassen konnte, erweckt den Eindruck, den Verantwortlichen sei jedes Mittel recht gewesen, um Böhmann loszuwerden. Der juristische Winkelzug mag rechtens sein (Böhmann will in Berufung gehen) – gerecht ist er nicht und der eklatante Widerspruch zur jesuanischen Forderung „Bei euch aber soll es nicht so sein“ (Mk 10,43) schnell aufgeflogen.

Die bisweilen überstrapazierte Hirtenmetapher, mit der sich höhere Kleriker gern identifizieren, wird inhaltslos, wenn sie der Herde beim ersten Anzeichen von Unwillen die Zusammengehörigkeit aufkündigen. Statt den „Schafen“ entgegenzugehen, haben sich die Hirten in kommunikative Abschottung verrannt. Applaus oder auch Protestrufe als Eklat oder gar „Missbrauch des Gottesdienstes“ aufzubauschen, zeugt von zunehmender Verzweiflung. Missbraucht nicht vielmehr ein Bischof das Gebet, wenn er versucht, damit die Solidaritätsbekundung der Gemeinde zum Verstummen zu bringen?

Offenbar hat man in der Kirche auch nach 15 Jahren der Dauerkrise noch nicht gelernt, dass Kommunikation keine Einbahnstraße ist. Die Strategie „Ihr müsst uns schon vertrauen, dass wir das Richtige tun“ funktioniert nicht mehr. Der Vertrauensvorschuss der Kirche ist längst aufgebraucht.

Der Schaden ist immens: Für viele Menschen sind Musik und Kultur einer der wenigen verbleibenden Zugänge zur ansonsten weitgehend erodierten Glaubenswelt. Ein Großteil der Chormitglieder in Freiburg und anderswo dürfte sich nicht wegen, sondern trotz der Kirchenstruktur und so mancher Sonntagspredigt engagieren. Stellt sich die Frage: Wie lange noch? Im Gottesdienst zu musizieren, ist kein bischöflicher Gnadenerweis. Wenn die Verantwortlichen die Musik als Druckmittel verwenden, um ihr vermeintliches Platzrecht durchzusetzen, spielen sie mit der Kirchenidentifikation der letzten Treuen und gefährden ihre eigene moralische Legitimation.

In Zeiten, in denen weltweit um ein synodales Miteinander der Kirche gerungen wird, lassen sich mündige Gläubige völlig zu Recht nicht mit feudalherrlichem Gestus abspeisen.

 

Der Autor ist selbst Mitglied der Dommusik.

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