Facebook stellt Faktenprüfung einHassrede auf dem Vormarsch?

Anfang des Jahres kündigte der Internetkonzern Meta an, in den USA künftig nicht mehr mit externen Faktenprüfern zusammenzuarbeiten. Für Pfarrer Andreas Sturm stellt das seinen Verbleib auf den Plattformen infrage.

Auf den zugehörigen Plattformen wie Facebook und Instagram findet somit keine professionelle Kontrolle mehr statt, ob Sachverhalte korrekt wiedergegeben werden oder Aussagen beleidigend sind. Stattdessen sollen die Online-Inhalte von den Nutzerinnen und Nutzern selbst bewertet, kommentiert und moderiert werden. Lediglich „schwerwiegende Verstöße wie Terrorismus, sexuelle Ausbeutung von Kindern, Drogen und Betrugsdelikte“ will die Plattform weiterhin ahnden. Konzernchef Mark Zuckerberg begründet die Entscheidung als Schritt hin zu mehr Meinungsfreiheit. 

Wie soll man nun mit Facebook und Instagram umgehen? Abwandern oder bleiben? Ich bin bei diesem Thema hin- und hergerissen. Zum einen empfinde ich die Entwicklung als vollkommen irre. Natürlich kann ich mich damit trösten, dass Meta die Änderungen erst einmal nur für die USA angekündigt hat. In Europa gilt – zumindest noch – der Digital Services Act (DSA), ein Gesetz gegen Falschinformationen und Hassrede auf Online-Plattformen. Aber mir ist bewusst, dass sich das angesichts von Politikern wie Meloni, Wilders, Orbán, Kickl und anderen schnell ändern könnte. An Deutschland nach der nächsten Bundestagswahl will ich da gar nicht denken. Unabhängig davon, wie sich die Dinge bei uns entwickeln, ist sicher: Es wird mehr Hass und Verunglimpfung im Netz geben. Man sollte dann möglichst schnell Abstand von der Begrifflichkeit „soziale Medien“ nehmen, denn sozial wäre daran nichts mehr.

Also: Abwandern? Ich kenne mich nicht so gut aus mit den Alternativen. Die Zeiten von Schüler-VZ und ähnlichen Plattformen sind lange vorbei. Ich lese hin und wieder von Bluesky als einer ernstzunehmenden Alternative. Trägerin ist eine Stiftung. Aber ist das wirklich die Lösung?

Ich erlebe schon jetzt, dass ich bei Facebook und Instagram stark in meiner Blase bin. Das gefällt mir grundsätzlich ganz gut. Ich fühle mich wohl unter meinen „Freundinnen und Freunden“. Da ich aber seit einiger Zeit meine Beiträge öffentlich schalte, finde ich es auch teilweise sehr verstörend, wenn plötzlich ein Corona-Leugner, eine leidenschaftliche AfD-Anhängerin oder reaktionäre Christen auf meiner Leseseite auftauchen und wüten. Meine erste Reaktion ist oft, solche Beiträge zu ignorieren – es bringt ja eh nichts. Wenn es zu heftig wird, blockiere ich die Person. Aber ich frage mich selbstkritisch: Trage ich damit nicht auch zur Spaltung und Trennung der Gesellschaft bei?

Im Kulturkampf hatte die römisch-katholische Kirche sich in eine Nische zurückgezogen: eigene Vereine, Chöre, Gruppen, Vereinsheime und Lokale, Sportplätze usw. Man zog sich zurück und blieb unter sich. Aber ist unser Auftrag nicht ein anderer? Müssen wir nicht dagegenhalten, auch und vielleicht gerade wenn es schmerzt?

Salz sein und Licht sein – unsere Positionen einbringen, immer wieder korrigieren, nicht aufgeben. Vielleicht klingt das zu sehr nach erhobenem Zeigefinger und womöglich ist mir dieser Anspruch selbst zu viel. Ich weiß noch nicht, wie ich mich entscheiden werde, aber ohne Folgen für unsere Gesellschaft wird diese Weichenstellung eines Internet-Giganten nicht bleiben.

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