P. Benedikt (Foto: Schaipp)
Wie ist der Gedanke zu dieser neuen CIG-Reihe entstanden, Pater Benedikt?
Benedikt Friedrich: Ich war auf der Suche nach einer guten Inspiration für die morgendliche Betrachtung. Es ging mir um etwas, was mir helfen würde, bei der täglichen persönlichen Gebetszeit nicht nur um meine eigenen Gedanken zu kreisen, sondern durch anregende Impulse mehr in die Tiefe zu gehen. Jemand empfahl mir das Buch Mensch-Werden zwischen Himmel und Erde: Das Leben des Heiligen Benedikt als Spiegel für die Menschwerdung, in welchem Pater Johannes Pausch und Bruder Thomas Hessler die Vita Benedikts mit vertiefenden Fragen und Gedanken versehen haben, genug Stoff für ein ganzes Jahr. 2017 habe ich mir zu jedem Punkt Notizen gemacht, 2021 ein zweites Mal und nun im Rahmen dieser Reihe ein drittes Mal. Eine Art Tagebuch, bei dem es spannend ist zu sehen, welche Themen geblieben sind und was sich verändert hat.
Warum hat der heilige Benedikt, eine Persönlichkeit aus dem 6. Jahrhundert, uns heute etwas zu sagen?
In der von Papst Gregor dem Großen verfassten Lebensbeschreibung Benedikts wird uns kein fertiger Heiliger vorgestellt. Vielmehr werden wir mit hineingenommen in sein Suchen, Werden, Lernen, Scheitern, Reifen, Versucht-Sein, Angefochten-Werden und in seinen Glauben. Die gleichen Grunddynamiken finden wir auch in unserem Leben.
Sie formulieren, dass Benedikt in einer „Zeitenwende“ lebte. Inwiefern?
Das Weströmische Reich, zu dem Italien gehörte, wurde in der langen Zeit der Völkerwanderung immer mehr aufgerieben und ging kurz vor Benedikts Geburt unter. Die politischen Machtverhältnisse wechselten: Die Goten zogen durch das Land, Totila eroberte Rom und machte nach der Lebensbeschreibung einen Stopp beim Kloster Benedikts. Aber auch geistesgeschichtlich tat sich viel: Im Jahre 529, als Benedikt das Kloster Montecassino gründete, schloss in Athen die platonische Akademie – die Hochschule der Antike – ihre Pforten. Es ist der Übergang von der Antike zum Mittelalter, in welchem dann gerade durch die Schreibstuben der Klöster das Wissen der Antike erhalten blieb.
Warum passt das zu unserer Zeit?
Im Lebensgefühl von damals und heute dürfte es einige Parallelen geben. Denn auch wir durchleben viele Wendepunkte: Die Periode, in der wir die fossile Energie der Jahrmillionen nutzen konnten, neigt sich dem Ende zu, die prägende Kraft des Christentums in den westlichen Gesellschaften schmilzt dahin und die politischen Unsicherheiten sind so groß, wie wir sie in unserer Lebenszeit noch nicht erlebt haben. Bisherige Plausibilitäten lösen sich auf, die Paradigmen unserer Gesellschaft ändern sich grundlegend.
Gilt Benedikts Botschaft der Kirche als Ganzes oder auch jedem Einzelnen?
Kirche ist für mich die Summe der Einzelnen. Wo Einzelne reifen, wachsen und im Auf und Ab ihres Lebens an Gott festhalten, da verändert sich die Kirche als Ganzes auch.
Wie nah ist Ihnen der heilige Benedikt persönlich?
Wie nah kann ein Mensch einem sein, dem man nie begegnet ist? Die Worte in der von ihm verfassten Benediktusregel sind mir der direkteste Zugang zu ihm. In unseren Klöstern lesen wir jeden Tag einen Abschnitt daraus vor. Was mich anspricht, sind seine Konsequenz und Güte, seine Gottverbundenheit und Menschenkenntnis, seine praktische Veranlagung und Tiefe, sein ora et labora: alles scheinbare Gegensätze, die sich bei ihm aber ergänzen. Das weckt in mir die Sehnsucht und die Hoffnung auf ein gelungenes, ganzheitliches Leben.
Hier geht es zum ersten Beitrag der neuen Reihe.