KommentarKein Ende in Sicht

Die kürzliche geschlossene Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ist kein Grund zum Jubeln. Die Angehörigen der Geiseln und das ganze Land Israel brauchen einen Moment des Trostes. Aber das Kämpfen wird weitergehen. Bald.

Es sind bittere Bilder, die das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas begleiteten. Bilder von jubelnden Menschen weltweit, die den „Sieg“ der Verbrecher bejubeln und das „nahe Ende des zionistischen Feindes“. Israel wiederum bekommt nach mehr als 400 Tagen seit der Entführung von ursprünglich über 200 unschuldigen Menschen einen kleinen Moment des Innehaltens und des Glückes geschenkt, eine winzige Pause, in der Familien ihre verlorenen Lieben wieder in die Arme schließen können. Sie werden häppchenweise freigelassen, nachem sie dem Mob in Gaza präsentiert wurden; als zynisches amuse gueule. Weitere sollen in mehreren Phasen des Waffenstillstands folgen, bis alle der noch knapp hundert Geiseln nach Hause zurückkehren dürfen. Jeden dieser Köpfe hat die Hamas exakt bewertet und dann in einer Währung namens „im Gegenzug freigelassene palästinensische Gefangene“ angegeben. Die Details, die zum Abkommen bekannt wurden, lassen eine regelrechte Preistabelle erahnen.

Wie so oft sind es hier die Worte, die verstören. Einen „Geiselaustausch“ gibt es nicht. Es stehen entführte Geiseln gegen Inhaftierte, unter ihnen teils hochgefährliche Verbrecher und genau die erfahrenen Kader, die die personell ausgedünnte Hamas zum Wiederaufbau ihrer Strukturen braucht. Auch Jahja Sinwar, der unlängst getötete Architekt des 7. Oktober, kam einst im Zuge solch eines Gefangenenaustausches frei. Die Israeli hatten ihm sogar eine lebensrettende OP ermöglicht. Er dankte es mit einem Massaker.

Es herrscht jetzt auch kein „Friede“ in der Levante, es wurde eine Feuerpause vereinbart. Es spricht nichts dafür, dass nach deren Ablauf die Waffen weiter schweigen werden. Es ist Israel nicht gelungen, die Hamas komplett zu zerschlagen. Dafür ist der Gazastreifen komplett zerstört und zehntausende Palästinenser, Zivilisten wie Kämpfer, tot. Alle haben verloren. Nur der Hamas-Führung ist das herzlich egal. Ihr Kalkül ist aufgegangen, sie hat den Kampf um die Deutungshoheit weltweit gewonnen. Wer hat beispielsweise mitbekommen, dass mehrere der freigelassenen Geiseln in Gebäuden des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNRWA gefangen gehalten wurden? Die Hamas hat nun Zeit, sich zu regenerieren. Sie hat zudem die Welt in dem falschen Glauben gelassen, sie spräche für die Palästinenser und sei ein gleichwertiger Akteur. Nur ist sie nichts als eine Bande Krimineller, die ein Volk gekapert haben. Die Weigerung der benachbarten arabischen Staaten, großflächig palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen, spricht für sich. Ägypten und Jordanien fürchten nichts mehr als politische Instabilität und importierte Terroristen.

Die einzige Chance besteht in einer Verwaltung, in der Hamas-Kader nicht an Funktionsstellen sitzen, sondern den Rest ihrer Tage in internationalen Gefängnissen verbringen. Es muss im Interesse der internationalen Gemeinschaft, allen voran der arabischen Staaten sein, den Gazastreifen so lange zu verwalten, bis sich eine politische Lösung des Konflikts abzeichnet.

Die Israeli haben derweil alle Zeit verdient, ihre Lieben in die Arme zu schließen und die Toten zu betrauern. So wie es auf der anderen Seite die Palästinenser mit ihren Toten tun. Was jetzt vereinbart wurde, ist aber nur ein letztlich unumgängliches Verschnaufen eines geschundenen Körpers, in dem der Krebs des Terrorismus bereits wieder dabei ist zu wachsen.

Christ in der Gegenwart im Abo

Unsere Wochenzeitschrift bietet Ihnen Nachrichten und Berichte über aktuelle Ereignisse aus christlicher Perspektive, Analysen geistiger, politischer und religiöser Entwicklungen sowie Anregungen für ein modernes christliches Leben.

Zum Kennenlernen: 4 Wochen gratis

Jetzt gratis testen