Beten. Wie geht das? Wer hat Ihnen beigebracht, zu beten, und was bedeutet das Gebet heute für Sie? Diese Frage hatten wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser der „weit!“ in der vergangenen Ausgabe gestellt. Eine Auswahl Ihrer zahlreichen Antworten finden Sie hier:
Ich bin von mir aus kein „fleißiger“ Beter. Früher meinte ich: Im Alter werde es leichter. – Ein Irrtum! Umso dankbarer bin ich für viele große und kleine Fügungen Gottes in meinem Leben. Ich habe gelernt, zurückzuschauen auf einen Tag oder einen Zeitabschnitt und darauf zu achten, was sich fügt. Das ist eine wichtige Weise des Gebets für mich geworden Beim Beten darf ich „mit dem Strom schwimmen“. Es braucht nicht viele Worte. Vor allem ist es überflüssig, den Lieben Gott wortreich zu erinnern, was er nicht vergessen darf. Aber ich darf Ihm alles sagen, was mich bewegt. Am Schönsten ist es, wenn ich Ihm danken kann. Am Allerschönsten in der Gemeinschaft mit anderen.
Christian Schreier, Leipzig
Den Glauben und das Gebet habe ich in meinem Elternhaus erfahren und erlernt. Mit 20 Jahren aber habe ich die Kleinen Schwestern von Jesus kennengelernt und sie haben eine Offenheit, Frische und Weite in mein religiöses Leben und Beten gebracht und mich damit mein ganzes Leben begleitet.
Mit zunehmendem Alter bete ich mit immer weniger Worten, so dass ich beim „Herzensgebet“ angekommen bin. Das Vermächtnis einer Kleinen Schwester aber ist mir heilig.
Marlis Brenneis, Berlin
Natürlich habe ich in meiner Kindheit zu Hause beten gelernt, wie es damals üblich war. Dann war da unsere Pfarrgemeinde, in der ich als Messdiener schon ab der zweiten Klasse engagiert war. Glaube, Kirche und Beten gehörten zum täglichen Leben, ohne viel kritisches Nachfragen. Das kam erst Jahrzehnte später.
Zur Schule des Betens wurde für mich in meiner Dienstzeit als Pfarrer das Stundengebet der Kirche. Meine Stundenbücher sind mit vielen Kommentaren versehen, die die Psalmen in meine Zeit und meine Situation hereinholen.
Aber dann geschieht im Syrienkrieg etwas Schreckliches: Eine Schule bombardiert – viele tote Kinder! Und die uralte, nicht lösbare Theodizee-Frage: Wie kann Gott das zulassen? Ich beginne ein Experiment und sage: „Es ist kein Gott!“ Wenn aber kein Gott, dann auch kein Gebet.
An wen sollte ich es nunmehr richten? Und so habe ich im Alter das Beten aufgegeben und so auch verlernt. Auch das gibt es.
Hermann Kast, Speyer
Seit zehn Jahren bieten wir in Bruchsal im Januar eine christliche Gebetswoche an, ganz bewusst nicht in Kirchen und Gemeindesälen, sondern dort, wo Menschen arbeiten, leben: in Schulen, dem Rathaus, im Krankenhaus, bei der Lebenshilfe, in der Kaserne, bei Feuerwehr und Polizei. Wir fragen die Menschen nach ihren Bedürfnissen und beten für Dinge, die sie benennen. Ich habe selten so intensive Gebetsabende erlebt wie beispielsweise im Amtsgericht oder Finanzamt, wo Kolleginnen und Kollegen sich sehr schwer mit der Vorstellung taten, am Ort ihrer Arbeit gemeinsam zu beten.
Auch beim Gebetsabend in der Lebenshilfe, bei dem die Bewohnerinnen und Bewohner selbst aufgefordert waren, sich einzubringen, war eine dichte Spiritualität zu spüren. Viele Menschen haben nie mit anderen über ihr Christsein gesprochen und erleben zum ersten Mal, dass sie gemeinsam Gebete formulieren und sprechen. Dort erlebe ich tatsächlich „Beten hilft“.
Marieluise Gallinat-Schneider, Bruchsal
Eine erste Erfahrung, dass Beten auch anders sein kann, erfuhr ich, als ich mal bei einer anderen Familie übernachtete. Dort hat die Mutter, als wir zu Bett gingen, ein frei formuliertes Gebet gesprochen. Zunächst dachte ich, sie spricht mit uns Kindern darüber, was wir den Tag über erlebt haben, bis das Wort Gott vorkam, in dessen Hände sie uns und den Tag legte. Ich erfuhr oder erahnte dabei, dass Beten ein Gespräch mit einem existierenden Gegenüber ist. Oft habe ich mich als Kind an dieses Gegenüber, mit eigenen Worten, gewandt.
Rainer Mader, Lübeck
Beten gelernt habe ich von meinen Eltern: Sie setzten sich jeden Abend zu meiner Schwester und mir an den Bettrand – dann haben wir zuerst ein schweizerdeutsches Lied gesungen. Aber fast noch wichtiger war das Folgende: Wenn wir nach einer langen Autofahrt zuhause ankamen, sagte mein Vater jeweils: „Bevor wir aussteigen, danken wir dem lieben Gott, dass wir gesund heimgekommen sind.“ Wir falteten die Hände und mein Vater dankte mit einfachen Worten für den schönen Tag in den Bergen und die unfallfreie Fahrt. Das dauerte nur ganz kurz, war aber doch wichtig.
Gisela Tschudin, Gockhausen (CH)
Ich habe von meiner Mutter das Beten gelernt, sie hat mit uns Kindern immer gebetet. Ich bete gern, schon immer. Ich bete überall, vor allem wenn ich warten muss, im Wartezimmer, im Stau, natürlich zuhause oder in der Kirche. Hilfreich für mich sind vorformulierte Gebete wie z.B. Vater unser oder der Rosenkranz. Bei selbstformulierten Gebeten schweifen die Gedanken schnell ab in meine Alltagssorgen. Bei den anderen Gebeten werde ich ruhig. Aber auch kurze Stoßgebete sind im Alltag schön, sie signalisieren: „Ich bin nicht allein.“
Ingrid Thiele, Dortmund
Ich bete zumeist frei oder nehme aus dem allumfänglichen Wortschatz der Psalmen kurze Verse heraus, die für mich und meine „Gebets-Situation“ gerade passend sind. Das hilft mir gerade dann, wenn das Gebet schwerfällt. Im Gebet spüre ich eine tiefe Verbindung zu Gott. Ich komme zur Ruhe und schließe meist die Augen dabei. So bin ich ganz bei mir und IHM!
Thorsten Hendricks, Kleve