Engagement in Politik und PartnerschaftDemokratie-Therapie

In Zeiten politischer Spannungen, Verwerfungen und Unwägbarkeiten kann es hilfreich sein, sich Anregungen aus einem – scheinbar – ganz anderen Metier einzuholen.

Ich habe das Glück, seit 41 Jahren in einer weitestgehend stabilen Demokratie und seit 21 Jahren in einer weitestgehend stabilen Beziehung zu leben. Allerdings gab es in letzter Zeit immer wieder Momente, in denen ich beides als zerbrechlich oder gar gefährdet erlebt habe. Mit diesen Erfahrungen im Hinterkopf und mit dem damit verbundenen Willen, diesbezüglich dazuzulernen, „zappte“ ich kürzlich während einer längeren Autofahrt im Radio zwischen Hintergrundinformationen zur politischen Lage und einem Interview mit einem Paartherapeuten hin und her.

Auf den ersten Blick schienen mir beide Themenfelder völlig unverbunden – bis im Gespräch mit dem Paar-Experten ein Satz fiel, der mich zum Nachdenken brachte: „Gerade wenn eine Beziehung schon viele Jahre anhält, besteht die Gefahr, dass man sie als selbstverständlich betrachtet und nicht mehr ausreichend wertschätzt.“ Wie wahr! Viel zu oft verliere ich aus dem Blick, wie dankbar ich eigentlich sein sollte, „in guten wie in schlechten Zeiten“ einen verlässlichen Partner an meiner Seite zu haben. Dasselbe lässt sich natürlich auf enge Freundschaften übertragen. Aber gilt ein ähnliches Prinzip nicht auch für unser Verhältnis zur Demokratie? Manchmal kommt es mir so vor, als hätten wir uns in den letzten Jahrzehnten so sehr an diese – nach wie vor bestmögliche – Staatsform gewöhnt, dass wir sie für selbstverständlich, ja für garantiert halten. Häufig sind wir uns gar nicht mehr bewusst, wie wertvoll und kostbar diese Errungenschaft ist und wie sehr Menschen in autoritären oder diktatorischen Herrschaftsformen zu leiden haben.

Und es gibt noch weitere Elemente aus dem paartherapeutischen Kontext, die sich auf die Welt der Politik übertragen lassen: Beziehungen und Demokratie sind manchmal harte Arbeit – aber eine äußerst lohnenende! In beiden Fällen geht es darum, Persönlichkeits- und Meinungsvielfalt zu tolerieren, auf Augenhöhe zu diskutieren, Kompromisse zu finden und so an einer gemeinsamen Zukunft zu bauen. Dabei sollten gewisse Regeln, Richtlinien sowie Grundwerte wie Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Empathie zentral sein.

Hilfreich ist es auch, regelmäßig bewusst Zeit miteinander zu verbringen. Das kann im einen Fall ein romantisches Dinner zu zweit sein, im anderen Fall der Gang zur Wahlurne, das Engagement in einer demokratischen Partei oder die Teilnahme an einer Demonstration gegen extremistische und menschenfeindliche Kräfte.

Hier wie dort lauern auf dem Weg Gefahren – vermeintlich bessere Alternativen und Versuchungen körperlicher, emotionaler oder politischer Art –, angesichts derer man kühlen Kopf bewahren und ihnen tunlichst widerstehen sollte. Wenn man sich allerdings gar nicht mehr um seine Beziehung bzw. seine Demokratie bemüht, sich resigniert zurückzieht, sich abkehrt oder gar bewusst destruktives Verhalten an den Tag legt, dann besteht die akute Gefahr, alles zu verlieren. Tragischerweise merken die meisten erst im Nachhinein, welchen Schatz sie mutwillig zerstört haben. Aber zu diesem Zeitpunkt könnte es bereits zu spät sein.

Lassen Sie uns also wachsame, wertschätzende, engagierte und hoffnungsvolle Demokraten und (Ehe-)Partner sein und bleiben! Und vergessen Sie nicht, am 23. Februar wählen zu gehen – am besten zusammen mit Ihren Liebsten und in Kombination mit einem schönen gemeinsamen Mittagessen.

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