Ganz Ohr

Die Theologin Elisa Prkačin spricht sich für eine hörende Pastoral aus.

Das erste voll ausgebildete Organ des werdenden Menschen ist das Ohr. So elementar ist das Hören – eine alltägliche Erfahrung und Binsenwahrheit, die deshalb besonderer Achtsamkeit bedarf. Nicht nur das, was das Hören ist, will gewürdigt werden. Noch grundlegender ist die Frage, „wie das Hören zu Gehör kommen kann“, wie man also dem Wunder des Hörens als solchem auf die Spur kommt. Man könnte vom Lauschen sprechen, von der beredten Stille, von jenem Wort, das aus dem Schweigen erst kommt und sich Gehör verschafft. Die Sprache ist ja höchst bezeichnend, wenn sie Hören und Gehören aus derselben Wurzel nimmt und gleichermaßen Zuhören und Aufhören verbindet. Das hat natürlich für christlichen Glauben nocheinmal ein besonderes Gewicht: Denn der kommt ja vom Hören dessen, was der Mensch sich nur sagen und gesagt sein lassen kann. Deshalb ist auch das Schweigen eine so fundamentale Dimension christlicher Glaubens- und Gebetskultur.

Über all das denkt auf ebenso originelle wie einfühlsame Weise eine Doktorarbeit nach, die hier unbedingt empfohlen werden muss. Sie ist gelehrt, wie es sich für Fachleute gehört; denn die kluge Theologin schreibt die Phänomenologie von Bernhard Waldenfels weiter und entwirft eine Praktische Theologie des Hörens in höchst grundlegender Weise. Aber gerade die letzten Kapitel bieten zugleich vielfältige Anregungen gerade auch in spiritueller und glaubenspraktischer Hinsicht, mit vielen kostbaren Zitaten zudem und trefflichen Einzelformulierungen. Demnach heißt Hören, einem Anderen sagen: „Du interessierst mich“, „Ich gebe dir Raum“, „Du kannst“ und „Du fehlst mir“. Schon diese vier Perspektiven eröffnen Welten, sowohl für das Alltagsverhalten wie für das interkulturelle und interreligiöse Begegnen und Begehen.

Entsprechend spricht sich die Autorin für eine hörende Pastoral aus, die sich wirklich auf Andere und Anderes einlässt sowie überraschungswillig und -fähig wird. Dem Mut, sich einzulassen, entspricht die Kraft, gewohnte Wege und Muster zu verlassen und Neues zuzulassen – also eine Kirche, „die sich loslässt und im Anderen entbindet, was in ihm längst am Werk ist“. Unschwer lässt sich diese exzellente Betrachtung über einen mit-menschlichen Grundvollzug auch als eine praktische Theologie des Heiligen Geistes lesen, als eine erfrischende Orientierung für Kirchewerdung, für ein Christsein als Lebensstil und Lerngemeinschaft.

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