Zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI.Der Petrusdiener

Gedanken, Rückblicke, Ausblicke - Zur Rücktrittserklärung Papst Benedikt XVI.

Es ist der natürliche Lauf des Lebens, dass Menschen alt, schwach und gebrechlich werden. Und es ist die natürlichste Sache der Welt, dass Personen in hohen Ämtern sich aus ihrem Dienstauftrag zurückziehen, wenn die körperlichen wie geistigen Kräfte erheblich nachlassen. Nur im Petrusdienst des Bischofs von Rom soll das nicht so sein?

Die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI., der in weit fortgeschrittenem Alter zum „Stellvertreter Christi auf Erden“ gewählt worden war, kam überraschend. Wirklich überraschen konnte sie nicht. Bereits 2010 erklärte er im Interview-Buch „Licht der Welt“: „Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch und geistig den Auftrag seines Amts nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht zurückzutreten.“ Und er ließ damals bereits wissen: „Ich merke … auch, dass die Kräfte nachlassen.“

Ob der ungewöhnliche, kirchengeschichtlich - soweit bekannt - bisher erst einmal vollzogene Schritt eine „Revolution“ des Papsttums einleitet, ist ungewiss. Allerdings bedeutet der jetzige Akt ein Stück Entmythologisierung, ja Entsakralisierung der obersten Lehrautorität, die in einzelnen Fällen sogar die Vollmacht zu Unfehlbarkeit beansprucht, also gewissermaßen im Namen der Kirche „die Wahrheit“ Gottes festzulegen. Allerdings setzte die Entmythologisierung - inzwischen nur in Vergessenheit geraten oder sogar verdrängt - bereits beim historischen Petrus ein. Dessen Größe erwies sich in seiner Fehlerhaftigkeit und Fehlbarkeit, darin, dass ausgerechnet er, der seinen Meister im entscheidenden Augenblick verleugnete, befähigt sein konnte, die Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken.

Auch sein Nachfolger, das Oberhaupt der katholischen Kirche, ist Mensch, kein Übermensch. Sogar die Berufung, an vorderster Stelle den Glauben mit Vollmacht zu verkünden, verbindlich zu lehren, für die Einheit der religiösen Gemeinschaft zu sorgen und vor allen Gott die Ehre zu geben, gehorcht den Gesetzen weltlicher Berufung und weltlicher Weisheit: Schwäche zeigen! Papst Benedikt XVI., der als Präfekt der Glaubenskongregation energisch, selbstbewusst und durchaus sehr machtbewusst Theologinnen und Theologen wie Laien mit rhetorischer Schärfe in die Schranken weisen konnte, scheut sich nicht, seine Hinfälligkeit einzugestehen. Er will dies allerdings auf andere Weise kundtun als der öffentlich leidende, dabei manche fremden Schamgefühle weckende Vorgänger Johannes Paul II. - indem er sich zurückzieht. In einer Welt, die das Schöne, Edle, Gesunde und Eloquente - kurzum die wohlgefällig inszenierte Show - heroisiert, lässt Benedikt XVI. erkennen, dass es wie beim alttestamentlichen Kohelet für alles eine Zeit gibt und dass das heldenhafte Zeugnis nicht selten eher im Verborgenen liegt, in der Stille, im Schweigen einer ganz anderen Art der Präsenz.

Leben ist nicht „reine Lehre“

Macht und Ohnmacht liegen bei obersten Führungsaufgaben dicht beieinander. Benedikt XVI. hat die Möglichkeiten der Machtausübung zweifellos genutzt, um unliebsame Modernisierungstendenzen im Glaubens-, Kirchen- und Theologenleben zu beschneiden, ja für die Zukunft womöglich auszuschließen. Joseph Ratzinger hat in diesem Sinn bereits als dogmatischer Berater von Johannes Paul II. Orientierungsmarken festgelegt und manches „festgeklopft“, was gemäß dem Traditionsargument bei autoritativ vorgetragenen Lehraussagen kaum noch zu korrigieren sein wird. Andererseits hat Benedikt XVI. im höchsten Amt selber erfahren müssen, dass sich die Glaubens- und Kirchengeschichte mit ihren Turbulenzen, manchmal Tragödien nicht einfach nach der „reinen Lehre“ richtet, dass sie einer Dialektik von Gesetzmäßigkeiten und Zufällen ausgeliefert ist, die auch das gewöhnliche Leben bestimmen.

In gewisser Weise war Benedikt XVI. ein moderner und antimoderner Papst zugleich. Wo Johannes Paul II. - etwa beim sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche - noch ganz dem alten Denken verhaftet war, den Mantel des Schweigens darüber zu breiten, suchte Benedikt XVI. unter dem Druck der Medien Aufklärung, was ihm in der Kurie nicht immer gedankt wurde. Andererseits meinte er, dem Plausibilitätsverlust des Christlichen, ja des Gottesglaubens überhaupt bevorzugt durch den Rückgriff auf Tradition, gar auf katechismusartige Weisung aus dem Schatz christlicher Weisheit entgegenwirken zu können. Was für heute notwendige Theologie sei - darüber gingen und gehen die Meinungen der Theologen wie der Bibelwissenschaftler auseinander. Und der einstige Theologieprofessor Papst hat im Lauf seines Gelehrtenlebens seine Meinung durchaus ändern können und geändert. Er war in dieser Hinsicht keineswegs starr, weshalb es nicht fair ist, dem späteren „konservativen“ Ratzinger den früheren „progressiven“ Ratzinger zitierend entgegenzuhalten. Jeder hat das Recht, seine Ansichten zu korrigieren. „Gefährliche Erinnerung“ meint bei Benedikt XVI. zudem nicht so sehr die kritische Überprüfung des Glaubensgutes der Ahnen anhand zeitgeistiger Erkenntnis als vielmehr kritische Überprüfung des Zeitgeistigen am überlieferten Glaubensgut.

Macht mit Ohnmacht

Anscheinend hat der weltkirchlich aufgebaute Reformdruck nach der Lethargie in der Endphase des Vorgänger-Pontifikats schlussendlich doch manche Amtsmüdigkeit verstärkt. Denn Benedikt XVI. sah, dass die Krise der Kirche mit einer substanziellen Krise im Glauben in Wechselwirkung einhergeht, mit beschleunigter Säkularisierung inzwischen auch in der Dritten Welt. Dies fordert eine Debatten- und Entscheidungskultur heraus, die weitaus mehr Energie beansprucht, als ein Pontifikat für allenfalls noch wenige Jahre aufbringen kann. Bei vielem handelt es sich ja keineswegs nur um Sonderinteressen von Deutschen, Franzosen, Schweizern, Holländern, Brasilianern, Nigerianern …, sondern um Fragen, die nur auf weltkirchlicher Ebene anzugehen sind, aber endlich behandelt werden müssen. Benedikt XVI. kennt die Komplexität solcher Themen und Abstimmungsprozesse, die ein Papst nicht in der Hand hat. „Bei einer Sache wie dem Glauben, der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, ist Innen und Außen geheimnisvoll miteinander verwoben. Darin hatte Stalin schon recht, dass der Papst keine Divisionen hat und nicht gebieten kann … Insofern ist der Papst einerseits ein ganz ohnmächtiger Mensch. Andererseits steht er in einer großen Verantwortung. Er ist gewissermaßen der Anführer, der Repräsentant und zugleich der Verantwortliche dafür, dass der Glaube, der die Menschen zusammenhält, geglaubt wird, dass er lebendig bleibt und dass er in seiner Identität unangetastet ist. Aber nur der Herr selber hat die Macht, die Menschen im Glauben zu halten.“

Machen oder nicht gemacht?

Benedikt XVI. hat sich - wohl etwas anders als Johannes Paul II. - nie als „Macher“ verstanden. Oft sprach er davon, dass sich Glauben nicht „machen“ lässt, weder die Spiritualität noch die Liturgie. Er vertraute auf den langen Atem der Tradition, nicht der Inspiration. In mancher Hinsicht war er sogar ein betont „evangelischer“ Papst, Luther ähnlich, der nichts von religiöser Leistungsgerechtigkeit hielt, wonach der Mensch aus eigener Kraft das wahre Religiöse produziert. Vielmehr ist für Benedikt XVI. Glaube wesentlich Gnade, ein Geschenk, dem Menschen von Gott her übertragen.

Daher sah Benedikt sich und den Petrusdienst lieber „passiv“ als eine Art „bescheidene“ Übermittlungsinstanz, mehr verstärkendes Sprachrohr als Sprecher: „Christus hat der Kirche sein Wort anvertraut. In der Kirche lebt dieses Wort. Und wenn ich den Glauben dieser Kirche innerlich annehme und lebe, aus ihm heraus spreche und denke, wenn ich Ihn verkündige, dann spreche ich für Ihn - auch wenn natürlich in Details immer Schwächen sein können. Wichtig ist, dass ich nicht meine Ideen vortrage, sondern versuche, den Glauben der Kirche zu denken und zu leben, in Seinem Auftrag gehorsam zu handeln.“

Wie viel Subjektivität aber verträgt die Objektivität des Amtes, und wie objektiv ist das, was subjektiv der Amtsträger ausfüllt? Benedikt XVI. bewegte sich da auf einem schmalen Grat. Denn der Anspruch, eigentlich keine eigenen Ideen zu verkündigen, rückt der Gefahr nahe, Eigenes quasi-unfehlbar zu Göttlichem aufzuladen und als „gegeben“, nicht „gemacht“ zu deklarieren. Wann redet dann eigentlich das Individuum Papst, und wann redet Christus?

Benedikt XVI. hatte keine Scheu, persönliche Vorlieben etwa beim Liturgischen energisch zu fördern - bis hin zu der selbst bei hochrangigen Bischöfen sehr umstrittenen allgemeinen Wiederzulassung der tridentinischen Liturgie. Manche im Kirchenschatz verschwundenen Insignien und Kleidungsstücke wählte Benedikt XVI. wieder aus, um durch das Accessoire ebenfalls äußerlich deutlich zu machen, dass trotz manchen Wandels im Glaubensleben nichts verloren gehe, dass es keinen echten Bruch geben könne und alles zurückgebunden bleibe an eine übergreifende zweitausendjährige Kontinuität.

Gibt es tatsächlich keine grundlegenden Paradigmenwechsel? Schmerzhaft war für Papst Benedikt XVI. zweifellos, dass sein Versuch, sich mit dem Traditionalismus der Lefebvre-Leute auszusöhnen und so einen Bruch zu heilen, scheiterte. Die Piusbrüder zeigten ihm die „kalte Schulter“, obwohl er mit der Aufhebung der Exkommunikation ihrer Bischöfe ohne jedwede Vorbedingung derart weit gegangen war, dass dies bedeutende Teile der Weltkirche gegen ihn aufbrachte. Die Dialektik der Geschichte und des geschichtlichen Handelns aber richtet sich nicht nach dem, was gut gemeint, sondern auch nach dem, was gut oder nicht gut gemacht ist. Zudem fühlten und fühlen sich Gläubige aus der Mitte des Volkes Gottes in vielem, was seit Jahrzehnten diskutiert und nahezu flehentlich mit der Bitte um Prüfung Rom vorgetragen wurde, im Stich gelassen, nicht ernstgenommen. Benedikt XVI. kann nicht unbemerkt geblieben sein, dass es längst nicht mehr die einstigen „Progressisten“ sind, die entschieden Reformen im Glauben und im Kirchenleben einfordern, sondern eher „konservative“ Gläubige in der Mitte des Katholizismus. Der deutsche Papst, der ein Papst nicht nur für die Deutschen ist, musste wahrnehmen, dass auch in dieser Hinsicht die einst vermeintlich wohlgeordnete Kirchenwelt der Kindheit sich einschneidend verändert hat.

Ob das Pontifikat von Benedikt XVI. eines der verpassten Chancen war, ob sich ein Zeitfenster für Glaubenserneuerung unwiederbringlich geschlossen hat, können erst künftige Generationen beurteilen. Traurig, ja tragisch ist es allerdings schon, dass ein Papst aus dem Land der Reformation ein halbes Jahrtausend nach der Spaltung bei seinem offiziellen Besuch in der Heimat eher durch ein abwehrendes als durch ein einladendes Wort Aufsehen erregte. Aus dem Erfurter Augustinerkloster, wo der gottsuchende katholische Mönch Luther gewürdigt wurde und eigentlich nicht der spätere Reformator, klingt die unglückliche Äußerung des Papstes nach, dass er kein „ökumenisches Gastgeschenk“ habe mitbringen können: Ein solcher Wunsch stelle „ein politisches Missverständnis des Glaubens und der Ökumene“ dar.

Unter Benedikt XVI. sind im Gegenzug neue, hoffnungsvolle Kontakte zur orthodoxen Kirche, vor allem zum Moskauer Patriarchat, geknüpft worden, was allerdings wieder manche „Eifersucht“ über den „Liebesentzug“ andernorts weckte. Ob und wie Früchte zwischen den im sakramentalen Verständnis grundlegend einigen Schwesterkirchen reifen können, bleibt weiterhin offen.

Nicht einmal im Commonwealth

Die mediale Resonanz auf die Rücktritts­ankündigung machte deutlich, wie sehr sich in der Bevölkerung die Aufmerksamkeit für das Papsttum gewandelt hat und wie wenig das eigentliche Religiöse in der auf Sensationen getrimmten Unterhaltungskultur noch eine Rolle spielt. An die Stelle früherer, manchmal geradezu papalistischer Verehrung des Mannes Gottes durch das Kirchenvolk ist inzwischen in breiten Schichten, vor allem in den jüngeren Milieus, der Reiz des allenfalls noch Exotischen des Katholischen getreten. Im Bewusstsein vieler handelt es sich bei „Rom“ um die letzte und einzige Monarchie mit Weltgeltung, weil sie rund um den Erdball ihre „Untertanen“ versammelt, in jeder Nation, in nahezu jedem Landstrich. Das gab und gibt es vergleichbar noch nie in der Menschheitsgeschichte, nicht einmal im Commonwealth. Was aber macht die katholische Kirche aus ihrer einstigen, weitgehend verflossenen Macht? Welche Lehren aus den Pontifikaten der letzten fünfzig Jahre wird man ziehen? Weitermachen wie bisher, „Business as usual“ - oder doch strukturelle Reformen einleiten?

Stellvertreter auf Zeit

Viele Vorschläge liegen auf dem Tisch, wie sich das Papsttum zu einem Petrusdienst moderner Art verändern könnte. So wie das Bischofsamt in der Frühzeit der Kirche dem Vorbild weltlicher hoher römischer Provinzverwalter nachgestaltet wurde, ließe sich manches von heutigen säkularen Präsidial-Herrschaften lernen: etwa eine Wahl auf Zeit, eventuell für sechs Jahre, mit der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl. Das würde und könnte auch jüngeren Kandidaten eine Chance geben, ohne fürchten zu müssen, dass sie allzu lange - bis an ihr Lebensende - mit ihrer Richtlinienkompetenz an der Kirchenspitze stehen und die eigene Sicht begünstigen. Nicht kleinreden sollte man das Problem, dass sich der engste Entscheidungs- oder oftmals eher Nichtentscheidungskreis der katholischen Kirche aus unverheirateten, vorwiegend ältere Männern bildet, die sich teilweise schon recht weit von den Lebensgefühlen und Lebenswelten der Generationen in den besten Jahren entfernt haben - ganz besonders weit von der Erfahrungswelt der Frauen.

Die Dynamik der gesellschaftlichen und kulturellen Moderne mag in vatikanischen Räten und wissenschaftlichen Einrichtungen zwar regelmäßig routinemäßig befragt werden, aber dies alles scheint wenig Einfluss zu haben auf die Glaubens- wie Kirchenentwicklung und Lehramtsaussagen. Papst Benedikt XVI. wird persönlich ein gutes Verhältnis zu den Wissenschaften nachgesagt. Unverkennbar ist aber seine tiefe Skepsis gegenüber Neuerungen und spektakulären Forschungsergebnissen, wie seine häufigen Warnungen vor einem Fortschrittsdenken belegen, welches das Humane „verdunkele“, so eines seiner Lieblingsworte. Wird es irgendwann also einmal möglich, auch die Papstwahl breiter zu organisieren, über Wahlmänner und Wahlfrauen jenseits des klassischen Kreises der Kardinäle, auch mit Leuten als Repräsentanten aus Wissenschaft, Kunst, Berufswelt, aus unterschiedlichen Milieus der Welt-Gesellschaften?

Solche „Träume“ erscheinen momentan als absurd. Doch wäre in der globalen Krise des Christlichen die Wiederbelebung des synodalen Prinzips, wie es die Anfangszeit in der Nachfolge Christi prägte, möglicherweise hilfreich, jedenfalls ein erster Schritt, der andeutet, dass sich etwas bewegt. Das löst noch nicht die großen Glaubensprobleme der Menschen. Daher drängt die Zeit auf ein umfassendes echtes Glaubenskonzil hin, dem ein längerer konziliarer Prozess der Vorbereitung vorausgehen müsste, wie sich die religiöse Frage, das Gottesverständnis unter einem gewandelten Horizont der Welterfahrung - anders - darstellt.

Papst Benedikt XVI. hatte selber durchaus „Kirchenträume“. Er wollte und will die Glaubensgemeinschaft anregen, es der Welt nicht gleichzutun, sondern sich wieder auf das zu besinnen, was ihr ureigentlicher Sinn ist: das Heilswerk Christi auf Erden vergegenwärtigen, die Liebe Christi zu den Menschen bringen, die Freude und Hoffnung der Auferstehung, die alle Finsternis des Lebens - schlussendlich die des je persönlichen Todes - aufhebt in ein anderes Licht der Welt, ins Licht Gottes. Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. suchte manchmal ängstlich, manchmal zuversichtlich nach einer „heiligen Kirche“ jenseits der Gefälligkeiten. Genauer: Er wollte die Kirche des Heiligen fördern, eine Kirche, die „entweltlicht“ das Mysterium des unbekannten Gottes und die Ikone des unsichtbaren Gottes - Christus als Mitte - neu entdeckt und wieder ins alltägliche Leben einbringt.

Mit Christus im Übergang

Die Christusbezogenheit, der Christusimpuls bewegt Benedikt XVI. in Stärken wie in Schwächen. Deshalb hat er als „Alterswerk“ seine Jesus-Bücher geschrieben, als geistliche Schriften, als eine Art geistliches Testament. Sie sind weniger als Produkte historisch-kritischer Gelehrsamkeit verfasst, vielmehr als Lektüre gedacht für alle, die geistig wie geistlich unruhig, also jung bleiben wollen, die das Belebende des Evangeliums aus der Heiligen Schrift wie eine große Kostbarkeit heraus-lesen möchten. Jesus war jung. Christus bleibt jung - auch wenn Petrus alt wird und mit ihm die Kirche.

Benedikt XVI. wurde schon bei seiner Wahl als „Übergangspapst“ bezeichnet. Streng genommen ist jeder Papst ein Übergangspapst, und die gesamte Glaubensgeschichte ist Übergang, wo vieles - aus ­gutem Grund - dem Vergessen anheimgegeben und anderes als Neues und dennoch Wahres entdeckt wird. Auch in der Geschichte des Papsttums versinkt vieles im Dunkeln, mit jeder neuen Generation. Was wissen heute Fünfzigjährige noch von Johannes XXIII. oder von Paul VI.? Wie viel ist tatsächlich vom einst bejubelten Menschenfreund und politisch wagemutigen Johannes Paul II. im Gedächtnis geblieben? Papst Benedikt XVI. ist auch in dieser Hinsicht Realist. Nichts Irdisches währt ewig. Die Kirche sollte im Hinblick auf sich selbst bescheiden bleiben. Das ist sein Vermächtnis.

Nicht Petrus wäscht Christus die Füße, sondern Christus wäscht Petrus die Füße. Benedikt XVI. hat als Priester, Theologe, zuletzt als Bischof von Rom in Stärken wie in Schwächen der Erfahrung Ausdruck verliehen, dass der Petrusdiener als „Stellvertreter Christi“ nicht in erster Linie der Christusträger, sondern vielmehr der Christusempfänger ist. Jenseits sakraler Überhöhung könnte das Papsttum in solchem Bewusstsein an Glaubwürdigkeit gewinnen. Der so sehr auf Tradition bedachte Benedikt XVI. hat durch seinen Rücktritt paradoxerweise mit der Tradition gebrochen, um deutlich zu machen, worauf es ankommt: als Petrusdiener mit aller Kraft der Vernunft und dem Glauben Wege zu öffnen für den eigentlichen Diener aller Menschen, den Erlöser und Befreier Christus - gestern, heute und in Ewigkeit. Selbst die große Papstgeschichte wird vor dieser Geschichte ganz klein.

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