Den Satz „Die Neuübersetzung des römischen Messbuchs muss als gescheitert gelten“ sucht man in der amtlichen Pressemitteilung der deutschen Bischofskonferenz zum Abschluss der Herbstvollversammlung in Fulda vergeblich. Doch die dürren, gewundenen Sätze unter der Überschrift „Abschluss der Übersetzung des Missale Romanum“ bedeuten nichts anderes. Die von der vatikanischen Gottesdienstkongregation eingesetzte Kommission Ecclesia celebrans (Feiernde Kirche) hatte in mehreren Arbeitsgruppen, die von Bischöfen aus dem deutschen Sprachraum geleitet und mit Fachleuten besetzt sind, die liturgischen Texte für die Eucharistiefeier übersetzt. Doch das Ergebnis wurde von den Bischöfen nicht genehmigt. Stattdessen bleibt das 1975 nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils entstandene Messbuch, das 1988 leicht überarbeitet worden war, vorerst weiter in Gebrauch. Entsprechend den damals geltenden Richtlinien sollten die Gebete in der Volkssprache gut verständlich und stilistisch angemessen sein. Dieser Grundsatz wurde mit der vatikanischen Instruktion „Liturgiam authenticam“ („Echte, rechtlich verbürgte Liturgie“) aus dem Jahr 2001 geradezu in sein Gegenteil verkehrt: Alle liturgischen Bücher sollten demnach so wörtlich wie möglich dem lateinischen Original entsprechen.
Zwei Ereignisse haben dazu geführt, dass die nach diesen Richtlinien erarbeitete Neuübersetzung ins Deutsche und damit - zumindest in den Augen zahlreicher Liturgiewissenschaftler, Bischöfe und Priester - eine qualitative Verschlechterung der liturgischen Texte abgewendet wurde: die Wahl eines neuen Papstes und das Debakel bei der Einführung der Neuübersetzung des liturgischen Buchs für die kirchliche Begräbnisfeier. 2010 hatte der Kölner Kardinal Joachim Meisner als Vorsitzender der Liturgiekommission das neue Begräbnisrituale nur ein Jahr nach seinem Erscheinen und nach erheblicher Kritik vieler Seelsorger an Sprache, Stil und Umfang als „gescheitert“ bezeichnet (vgl. CIG Nr. 34/2010, S. 375). Die Folge: Ein auf der Grundlage des bisherigen Rituale erarbeitetes Handbuch („Manuale“) wird nun von den Bischöfen empfohlen, die die Neuübersetzung ursprünglich selbst offiziell genehmigt hatten.
Im Fall des Messbuchs konnte und wollte man sich ein solches Desaster nicht erlauben. Da sich im neuen Gotteslob eine veränderte Fassung des zweiten Hochgebets findet, war bereits im Frühjahr der Eindruck entstanden, dass die abgeschlossene Neuübersetzung, die von den Bischöfen im Herbst endgültig abgesegnet werden sollte, sogar schon mit Rom abgesprochen wäre (vgl. CIG Nr. 14, S. 143). Inhaltlich am kontroversesten war die Übersetzung der Einsetzungsworte diskutiert worden. Hatte es bisher geheißen: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden“, sollte nun das lateinische „pro multis“ wörtlich korrekt mit „für viele“ übersetzt werden.
Verschiedene Initiativen von Pfarrern und Laien hatten die Bischöfe in Briefen und mit Unterschriftenlisten aufgefordert, bei der „alten“ Übersetzung zu bleiben. Mit ihrem Eintreten für eine gut verständliche und angemessene Mess-Sprache anstelle einer lateinischen Liturgie mit deutschen Worten stießen die Pfarrer auf offene Ohren. Denn die Bischöfe teilen mit, es habe sich „weiterer Klärungsbedarf“ ergeben. „Dieser resultiert aus Reaktionen von Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz, der Bitte der Österreichischen Bischofskonferenz und grundsätzlichen Fragen der Schweizer Bischofskonferenz.“
Die Bischofskonferenzen hatten unterschiedliche Positionen zur Neuübersetzung. Die deutschen Bischöfe hätten diese ohne den Papstwechsel vermutlich genehmigt. Die Schweizer Bischöfe beurteilten schon während des Pontifikats von Benedikt XVI., der für einen von Rom zentral gesteuerten Kurs in der Liturgie stand, die Neuübersetzung erheblich kritischer. Angesichts der zu erwartenden Folgen konnten sie sich in einem liturgisch oft schwierigen Umfeld kaum dafür erwärmen, bestätigte der Liturgiewissenschaftler Martin Klöckener aus Fribourg. Grundsätzlich wandten sich die Schweizer Bischöfe gegen eine Sprache, die nicht die Sprache der Menschen ist, und gegen die von Rom verlangte Wortwörtlichkeit. Anstatt nur lateinische Wörter zu übersetzen, sollte der Sinn des lateinischen Textes mit den Möglichkeiten der deutschen Sprache wiedergegeben werden. Außerdem wären die bisherige Übersetzung, die seit vierzig Jahren anerkanntes Gebet der Kirche ist, und die neue Übersetzung miteinander zu vergleichen. Dann zeige sich die deutliche Verschlechterung der Neuübersetzung und eine bessere Version könnte erstellt werden, ist Klöckener überzeugt, der die Schweizer Bischöfe bei Fragen der Liturgie berät.
Auch die österreichischen Bischöfe wollten nicht hinter die Qualität der bestehenden Texte zurück. Bis auf einzelne Ausnahmen sprach man sich dort bereits seit längerem für eine „Entschleunigung“ aus, um die ungeliebte Übersetzung gemäß der Richtlinien von „Liturgiam authenticam“ auf die lange Bank zu schieben und um kirchenpolitisch auf Zeiten zu hoffen, die eine sprachlich bessere Übersetzung in der Volkssprache zulassen. Auf diesen Kurs sind nun wohl auch die deutschen Bischöfe eingeschwenkt: „Das weitere Verfahren liegt nun in der Zuständigkeit der für die Herausgabe verantwortlichen Bischofskonferenzen. Eine nähere zeitliche Perspektive besteht derzeit nicht“, so die Pressemitteilung.
Der Kommission Ecclesia celebrans dürfte damit ihr einziger Auftrag entzogen sein. Offiziell aufgelöst ist sie damit noch nicht, weil sie von der vatikanischen Gottesdienst-Kongregation eingesetzt worden war. Es ist jedoch fraglich, wie weit deren Weisungsautorität noch reicht. In den Richtlinien von „Liturgiam authenticam“ wird betont, dass die Bitte um die römische Anerkennung „keine reine Formalität“ sei, „sondern ein Akt der Leitungsgewalt, der unbedingt notwendig ist (ohne ihn hat der Beschluss der Bischofskonferenz keine Gesetzeskraft) und durch den - auch substanzielle - Änderungen auferlegt werden können“. Diese Möglichkeit, dass eine vatikanische Verwaltungsbehörde auch gegen den Willen einer Bischofskonferenz etwas autoritär erzwingen kann, ist nach dem Papstwechsel allerdings unwahrscheinlich(er) geworden. Papst Franziskus hat bereits mehrfach betont, dass die Kurie als Kirchenverwaltung einen dienenden Charakter hat und dass er die Bischöfe vor Ort in ihren Entscheidungskompetenzen (be)stärken will.
Wie es weitergeht, ist offen. Der Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards hofft, dass eine neue, kleine, kompetente Arbeitsgruppe mit der notwendigen Freiheit an die Übersetzung des Messbuchs von 1975 anknüpfen kann. Neben der Übertragung des römischen Messbuchs müssten auch die damals neu entstandenen und ins deutsche Messbuch aufgenommenen Gebete überprüft werden. „Die können nicht einfach übernommen werden, weil sie sehr zeitbedingt waren“, erklärt Gerhards. Alle dreißig Jahre etwa einen Teil der Tages- und Schlussgebete neu zu formulieren, hält er für wünschenswert und möglich. Beten heißt, den Glauben je neu in die geschichtliche und gesellschaftliche Situation der Gläubigen hinein zu sprechen und damit zu übersetzen.