Wer hierzulande zum katholischen Priester geweiht wird, bekommt meistens eine Stola geschenkt: das liturgische Kleidungsstück eines Priesters. „Stola“ - ein verräterisches Wort! Die griechische Bedeutung lässt an „Rüstung“ denken. Die lateinische Bedeutung meint den Flötenspieler am Fest der Minerva, der Göttin der taktischen Kriegsführung, des Schiffsbaus, des Wissens. Das ist der kultische Flötenspieler, der aufspielt und Krieg und Sieg feiern mag. Beide Bedeutungen stammen aus heidnischem Umfeld. Sie sind Ausdruck des Herrischen. Irgendwann hat die Kirche aus den sie umgebenden Religionen die Stola übernommen und sich so in die Reihe dieser Religionen eingegliedert. Was war passiert? Religionen lassen heilige Orte, heilige Zeiten und heilige Personen vorkommen. Diese sind aus dem platten Leben, aus dem flachen Dasein herausgehoben. Heilige Personen sind Priesterinnen und Priester in heiliger Gewandung, mit der rüstenden, Achtung gebietenden, Eindruck erweckenden Stola als Signal: Hier ist Verehrung, hier ist Distanz vorgeschrieben. Hier gilt Kniebeuge und erscheint Hochwürden. Hier handelt Seine Heiligkeit. Hier sind Abgaben fällig. So ist es nach dem „Gesetz der Stola“.
Die Stola vor Augen, lässt sich mit Bischof Tonino Bello (1935-1993) entdecken: Was nicht im liturgischen Kleiderschrank hängt und noch nie einem Priester zur Weihe geschenkt worden ist, davon berichtet das Johannesevangelium in der Erzählung von der Fußwaschung (13,1-12). Das einzige liturgische Kleidungsstück, von dem im Testament Jesu berichtet wird, ist die Schürze. Wo der Evangelist das Abendmahl Jesu beschreibt, das Urbild der Eucharistiefeier, heißt es schlicht: „Es fand ein Mahl statt.“ Nichts von Brot und Wein. Nichts von Tischsegen und Mahlzeit. Nichts von Teilnehmern. Nichts von einer Tischrede. Stattdessen wird ausführlich die himmlische Innenseite dieses Mahles aufgezeigt - und zwar als Praxis der Schürze, als Liebe, die einer zu spüren kriegt, die nährt, aufbaut, bewegt.
Das Abendmahl Jesu, das ist „Kirche der Schürze“. Ihr Bild haben wir auf dem Fotomotiv des Klosters „Unsere Liebe Frau vom Atlas“ im marokkanischen Midelt, das in dem Buch „Der letzte Mönch von Tibhirine“ (Asslar 2012) abgedruckt ist. Frère Jean-Pierre Schumacher, der Trappistenmönch, ist als Einziger übriggeblieben, als alle anderen französischen Mönche 1996 aus ihrem Kloster im algerischen Tibhirine entführt und ermordet wurden. Er vergegenwärtigt so unübersehbar und einladend das Wesen der Glaubensgemeinschaft: die Kirche der Schürze.
Jesus hat beim Letzten Abendmahl als liturgische Kleidung die Schürze eingeführt. Die ursprüngliche Tracht des Priesters ist ein Arbeitskittel. Jesus krempelt sich, mitten im Altarsakrament, nicht bloß die Ärmel hoch, sondern er legt sein Gewand ab. Er macht sich nackt und bloß. Er gibt sich die Blöße, im Dienst der Welt zu arbeiten: Fußwaschung als Kern des Abendmahls. Wie aber bringe ich die Schürze Jesu zusammen mit der Stola der Kirche? Wie gehe ich damit um, dass im Lauf der Geschichte die Stola die Schürze verdrängt hat? Für Priester gilt: Das, was die Stola am Priester hervorkehrt, was ihn speziell macht und beweihräuchert, ist der Auftrag, „Kirche der Schürze“ zu leben, sie zu vermelden, zu zeigen. Es ist der Auftrag, für jene Blöße zu wirken, die sich der göttliche Menschensohn gibt, wenn er seine Schürze umzieht, um im Service der Welt zu arbeiten. Der Jesus der Schürze ist das Allerheiligste, ist das Modell für jeden. In den Worten des Propheten Ezechiel: „Ich reinige euch von all euren Götzen.“
Am Gründonnerstag des vorigen Jahres war in einem römischen Gefängnis die Kirche der Schürze am Werk: Papst Franziskus, der jugendlichen Straftgefangenen, bekleidet mit der Schürze Jesu, die Füße wäscht - im Service an der Welt, im befreienden Projekt „Ich reinige euch von all euren Götzen.“