Teresa von Ávila gehört zu jenen Gestalten der Kirchengeschichte, die bis heute eine besondere Faszination ausstrahlen. Zahlreiche Veranstaltungen zu ihrem 500. Geburtstag am 28. März zeugen vom anhaltenden Interesse an dieser außergewöhnlichen Frau. Im Unterschied zu vielen anderen „heiligen Frauen“ reicht Teresas Ausstrahlung weit über den Binnenraum der Kirche hinaus. Was fasziniert an dieser Nonne aus dem Spanien des 16. Jahrhunderts?
Schon zu Lebzeiten war sie beliebt, aber auch angefeindet. Der päpstliche Nuntius Filippo Sega (1537-1596) nannte sie „ein unruhiges, herumvagabundierendes, ungehorsames und verstocktes Weibsbild, das unter dem Vorwand von Frömmigkeit falsche Lehren erfand … und wie eine Lehrmeisterin andere belehrte, ganz gegen das, was der heilige Paulus lehrte, als er anordnete, dass Frauen nicht lehren sollen.“ Sie selbst litt unter der Frauenfeindlichkeit ihrer Zeit und klagte, dass „die Richter dieser Welt lauter Männer sind und dass es keine Tugend einer Frau gibt, die sie nicht für verdächtig halten“. Ihr Blick auf Jesus gab ihr die Kraft, in dieser schwierigen Lage den Mut nicht zu verlieren: „Du, Herr meiner Seele, dir hat vor den Frauen nicht gegraut, als du durch diese Welt zogst, im Gegenteil, du hast sie immer mit großem Mitgefühl bevorzugt und hast bei ihnen genauso viel Liebe und mehr Glauben gefunden als bei den Männern … Reicht es denn nicht, Herr, dass die Welt uns eingepfercht hat und für unfähig hält, in der Öffentlichkeit auch nur irgendetwas für dich zu tun?“
Ihre Selig- und Heiligsprechung (1614 und 1622) ließen nicht lange auf sich warten. Probleme gab es, sie zur Kirchenlehrerin zu ernennen. Mit den Worten „obstat sexus“ („das Geschlecht steht dem entgegen“) hatte noch Papst Pius XI. 1923 einen solchen Schritt als unmöglich abgelehnt. Knapp fünfzig Jahre später stand dem nichts mehr entgegen: Papst Paul VI. ernannte sie 1970 als erste Frau zur Kirchenlehrerin: doctor ecclesiae.
Inneres Beten
In einer politisch und theologisch aufgewühlten Zeit gelang Teresa ein spiritueller Durchbruch. Mit „entschlossener Entschlossenheit“ ging sie den Weg des inneren Gebets. „Inneres Beten“ klingt wenig spektakulär, zumal wenn es von einer Nonne des 16. Jahrhunderts stammt. Doch der Eindruck täuscht. Gegenüber der erdrückenden Vorherrschaft einer rigoristischen und außengeleiteten Frömmigkeit, der auch sie viele Jahre erlegen war, entwickelte sie eine Gebetspraxis, die aus der inneren Dynamik der menschlichen Person erwächst. Teresa hatte die außergewöhnliche Gabe, diesen Weg anschaulich und mit originellen Bildern zu beschreiben, so dass einfache Menschen wie gelehrte Theologen und psychologisch Interessierte reichen Nutzen daraus ziehen können.
Zugleich gelang es ihr, diese Form des Betens in Ansätzen methodisch zu erschließen, sie aus der biblischen Tradition heraus zu entfalten und gegenüber Fehlentwicklungen abzugrenzen. Als erfahrene Seelsorgerin hatte sie ein feines Gespür für die Einzigartigkeit einer jeden Person: „Der Herr führt auf vielen Wegen.“ Geradezu modern erscheint ihre Einsicht, dass Seelsorge eine Frage der Kompetenz und nicht der Zugehörigkeit zu einem Stand oder Geschlecht ist. Wie aber kam sie dazu, den Weg des inneren Gebets neu zu entdecken?
Zerrissenheit und Krankheit
Teresa Sanchez de Cepeda y Ahumada wuchs in einer frommen Familie als drittes von zwölf Kindern auf. Väterlicherseits stammte sie von den Conversos ab, den zum christlichen Glauben konvertierten spanischen Juden. Gebet, Kirchenbesuch und Beichte waren fester Bestandteil des täglichen Lebens. Doch bereits als Sechzehnjährige nahm sie in sich eine innere Zerrissenheit wahr. Aufgrund von Krankheit musste sie die Klosterschule verlassen. Krankheiten sollten sie lebenslang begleiten. Sie litt unter den unzureichenden medizinischen Möglichkeiten ihrer Zeit. Dieses Schicksal forderte sie heraus, auf die Stimme des Leibes zu hören. Auch wenn sie sich nicht in allem von den leibfeindlichen Tendenzen ihrer Zeit freimachen konnte, so repräsentiert Teresa in der christlichen Spiritualitätsgeschichte doch eine wichtige Etappe, die Bedeutung des Leibes für den spirituellen Weg zu erkennen und zu würdigen.
Zur Genesung hielt sie sich einige Zeit bei ihrem Onkel auf. Dieser ließ sich von ihr aus Werken der spanischen Frömmigkeitsliteratur vorlesen. Mit einem Mal drängte sich ihr die intuitive Einsicht in die Nichtigkeit und Vergänglichkeit der Welt ins Bewusstsein.
Als Zwanzigjährige trat sie in das Karmelitinnenkloster „Unsere Liebe Frau von der Menschwerdung“ in Ávila ein. Diese Lebensform gründet auf zwei Säulen: dem kontemplativen Leben und der Orientierung am Propheten Elija und der Gottesmutter Maria. Wie Elija sollen die Mönche und Nonnen als Eremiten leben und wie Maria ihr ganzes Leben auf Gott hin ausrichten. Bereits in diesem Leben sei es dem Menschen möglich, den Ich-Tod zu sterben und Gottes Gegenwart zu erfahren. In ihrem Kloster sah es jedoch anders aus. Der Konvent spiegelte die hierarchische Ordnung der spanischen Gesellschaft wider mit ihrem starren Kodex von Ehre und „Reinheit des Blutes“. Viele der Schwestern setzten im Kloster mit Hilfe von Bediensteten ihr bequemes Leben fort, das sie einmal als adelige Damen geführt hatten.
Die ersten Klosterjahre waren für Teresa nicht leicht. Innerlich zerrissen, wurde ihr im Gebet klar: Sie wollte zugleich mit Gott und der Welt verkehren. „Es sah so aus, als wollte ich diese beiden Gegensätze miteinander in Einklang bringen - wo das eine dem anderen so widerspricht -, wie es geistliches Leben und sinnenhafte Vergnügungen und Freuden und Zerstreuungen sind.“ Erst nach langen, schmerzhaften Erfahrungen wurde ihr klar, dass sie sich zunächst in Gebet und Zurückgezogenheit ganz Gott hingeben müsse, um in jene Freiheit hineinzufinden, die es ihr ermöglichte, sich den Menschen und der Welt in einer Weise zu öffnen, ohne sich dabei zu verlieren, wie sie es häufig erlebt hatte. Dabei half ihr die Lektüre eines damaligen spirituellen Bestsellers: das „Dritte geistliche Alphabet“ des Franziskaners Francisco de Osuna (1492-1541). Darin heißt es: „Die Freundschaft und Gemeinschaft mit Gott ist möglich in diesem Leben der Verbannung. Diese Freundschaft ist nicht gering, sondern intimer und sicherer als sie je zwischen Geschwistern oder gar zwischen Mutter und Kind sein kann.“
Die entscheidende Wende in ihrem Leben erlebte sie als 39-Jährige. Im Gebetsraum fiel ihr Blick auf den Gekreuzigten, und sie war zutiefst erschüttert. Es war, „als würde es mir das Herz zerreißen“. Es folgte ihre endgültige Bekehrung. Die Lektüre der „Bekenntnisse“ des Augustinus half ihr, diese Erfahrung zu verstehen. Sie sah sich in ihrer Deutung bestätigt: „Es kam mir vor, als fände ich mich da wieder.“ Die Stimme Gottes begann, den Lärm ihrer äußeren und inneren Welt zu übertönen. „Seitdem ging es viel besser mit mir.“
Megatrend Spiritualität
Die Begleiterscheinungen dieses Ereignisses waren für sie zunächst verwirrend. Von der Umgebung wurden „Visionärinnen“ misstrauisch beäugt. Es kursierten Skandalgeschichten über Frauen, die mit angeblichen Visionen getäuscht und betrogen hatten und von der Inquisition verurteilt worden waren. In dieser schwierigen Lage suchte Teresa den Austausch mit geistlichen Beratern. Doch unter ihnen fand sie zunächst niemanden, „der Erfahrung von diesem geistlichen Weg hat“, wie sie schreibt. Francisco de Salcedo, ein verheirateter Laientheologe, begann, Teresa „Schritt für Schritt Methoden beizubringen“, um auf dem Weg des inneren Betens voranzukommen. Doch letztlich war er zu ängstlich und konnte schon bald einige ihrer Erfahrungen nicht mehr verstehen.
Salcedo empfahl Teresa, sich bei dem erst wenige Jahre zuvor gegründeten Orden der Jesuiten Rat zu holen. Ein junger Pater dieses Ordens, Diego de Cetina, konnte als geistlicher Begleiter - geschult in den geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola - ihre mystischen Erfahrungen einordnen und gab ihr wichtige Anleitungen für die Vertiefung im inneren Beten.
Der Weg des inneren Betens und das Verstehen dieses Weges waren damals - wie heute - nicht leicht und nicht ohne Gefahr. Der angesehene Dominikaner Melchior Cano (1509-1560) warnte ausdrücklich davor, dass sich Frauen dem kontemplativen Gebet hingeben. Im Spanien des 16.?Jahrhunderts war Spiritualität ein Megatrend. Die Frömmigkeitskultur begann sich zu wandeln. Ein konventionelles, in Riten und Regeln gefasstes christliches Leben wandelte sich zu einer von persönlichem Gebet und Werken der Nächstenliebe geprägten Glaubenskultur. Reformeifer erfasste besonders die oberen Schichten der Gesellschaft.
Dabei standen zwei Gruppen einander feindlich gegenüber: die Spirituellen (espirituales) und die gelehrten Theologen (letrados). Die Spirituellen standen im Verdacht, ihre individuelle Gottesbeziehung und ihre subjektiven Gebetserfahrungen über die „objektive“ Lehre der Kirche zu stellen. Die sogenannten Alumbrados (Erleuchteten) vertraten die Ansicht, das mündliche Gebet sei von geringer Bedeutung, und im Zustand innerer Erleuchtung sei es nicht mehr nötig, die heilige Messe zu besuchen.
Zu ersten Verurteilungen der Alumbrados durch die Inquisition kam es bereits 1568. Francisco de Osuna ebenso wie Ignatius, Johannes vom Kreuz und Teresa selbst gerieten zeitweise unter den Verdacht, den Alumbrados anzugehören. Hier waren also äußerste Vorsicht und Klugheit vonnöten. Teresas Lebensbeschreibung „Vida“ wurde 1575 von der Inquisition überprüft. Das ausführliche und differenzierte Gutachten des Dominikanertheologen Domingo Báñez (1528-1604) kam zu einem positiven Urteil. Noch einige Male wurde Teresa bei der Inquisition angezeigt. Doch letztlich überstand sie alle Anschuldigungen und Prozesse unbeschadet. Die Theologen der Inquisition haben sie also vor ungerechtfertigten Anschuldigungen und Verdächtigungen in Schutz genommen.
Um lauschen zu können
Teresa verstand es, mit Klugheit, Augenmaß und Unterscheidung der Geister in dieser heiklen Situation ihrem Weg treu zu bleiben. Dabei ließ sie sich von aufgeschlossenen und verständigen Theologen beraten. Sie machte allerdings auch die Erfahrung, dass viele Geistliche von den Prozessen des kontemplativen Weges wenig wussten und in ihrer „Seelsorge“ viel Unheil anrichteten.
In den Grabenkämpfen jener Zeit gehörte Teresa eindeutig zu den Spirituellen. Als Frau hatte sie gar nicht die Möglichkeit, Theologie zu studieren. Doch suchte sie den Kontakt zu erfahrenen und gebildeten Theologen. Mit einer Rhetorik der Verstellung gab sie sich in ihren Schriften oft ungebildeter, als sie in Wahrheit war. Das verschaffte ihr die Möglichkeit, mit einer gewissen Unbekümmertheit von ihren Erfahrungen zu erzählen, die sie oft mit dem schützenden Hinweis versah, die Theologen mögen das noch einmal begrifflich genauer beschreiben. Damit schmeichelte sie den Gelehrten, obwohl sie sicher war, dass Gott der Seele in einem kurzen Moment Einsichten zu schenken vermag, die sie „in zwanzig Jahren des Abmühens mit dem Verstand nicht erlangen kann“.
Teresa ging es um Versöhnung und Integration von geistlicher Erfahrung und theologischer Gelehrsamkeit. Die Trennung dieser Bereiche ist das eigentliche, bis heute andauernde Schisma der abendländischen Kirche. Besonders zu Beginn des inneren Betens benötige man einen erfahrenen „Lehrmeister“. Ist er nicht geübt, „kann er sich sehr irren und eine Seele führen, ohne sie zu verstehen oder ihr zu erlauben, sich selbst zu verstehen“. Teresa selbst besaß ein intuitives Gespür dafür, ob ein geistlicher Begleiter ihr guttat oder ob er sie in die Irre führte. Von einem Seelsorger erwartete sie, dass er klug, erfahren und theologisch gebildet sei: „So ist es wichtig, dass der Lehrmeister gescheit sei - ich meine, mit gutem Urteilsvermögen - und dass er Erfahrung habe. Wenn er dazu noch studiert ist, dann ist das ein glänzendes Geschäft. Wenn man aber diese drei Voraussetzungen nicht zusammen finden kann, sind die beiden ersten (Klugheit und Erfahrung; d. Red.) wichtiger, denn Studierte kann man sich immer noch holen, um sich mit ihnen auszutauschen, wenn man das brauchen sollte.“ Sie warnte aber auch vor falschen Alternativen. Ihre Hoffnung bestand darin, „dass Leute mit Geist und solche mit Studien miteinander ins Gespräch kommen“.
Bei ihrem Lob der Theologie ist zu bedenken, dass ihre Werke von Theologen begutachtet wurden. Selbstbewusst bekannte sie, dass sie in den geistlichen Dingen „eher richtig liegt“ als die Studierten. Aber sie wusste auch um die Verirrungen einer Frömmigkeit, die vor der Theologie die Flucht ergreift. Sie bekannte sich zu einem theologischen Denken, das Maß nimmt an der Bibel: „Es ist etwas Großes um die theologische Bildung, denn diese belehrt uns, die wir nicht viel wissen, und spendet uns Licht, und wenn wir dann zu den Wahrheiten der Heiligen Schrift gelangt sind, tun wir, was wir sollen.“ Gestützt auf ihre Erfahrungen im Umgang mit sonderbaren „spirituellen Phänomenen“ rief sie aus: „Vor unerleuchteter Frömmigkeit bewahre uns Gott!“
Teresa von Ávila ist zu einer gefragten Gesprächspartnerin heutiger spiritueller Suchbewegungen innerhalb wie außerhalb der Kirche geworden. Das innere Gebet, das sie in ihrem Hauptwerk „Wohnungen der inneren Burg“ dargelegt hat, hilft, der Zerstreuung Einhalt zu gebieten und die inneren Kraftquellen zu erschließen. Teresa hatte das innere Beten bereits entdeckt, bevor sie ins Kloster eintrat. Sie spürte, dass diese Form des Betens ihrer Seele guttat, wusste allerdings damals noch nicht, was das genau war.
Das innere Gebet ist eine Form der Achtsamkeit, bei der Gedanken und Bilder gelassen werden - auch die Gedanken an Gott! „Glaubt nicht“, so Teresa, „dass die Gottsuche in unserem Inneren mit dem Verstand erworben wird, indem man sich bemüht, an Gott in unserem Innern zu denken, und auch nicht mit der Vorstellungskraft, indem man sich ihn in sich vorstellt.“ Wer sich beharrlich auf diese Form liebender Aufmerksamkeit einlässt, spüre ein „sanftes Gezogenwerden nach innen“. Es handelt sich um eine „innere Haltung, um lauschen zu können“. Diese besteht darin, „dass man sich bemüht, nicht nachzudenken, sondern aufmerksam zu sein für das, was der Herr in der Seele wirkt“.
In die Stille gehen
Die regelmäßige Übung des inneren Betens baut jene Schranken ab, die dem Wirken Gottes und seines Geistes im Weg stehen. Es eröffnet sich ein Weg der Wandlung, der mehr und mehr hilft, in die eigene Wahrheit zu finden. Teresa weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Methode von allen Menschen praktiziert werden kann, nicht nur von Ordensleuten. Auch diejenigen „die im Ehestand leben“, sollten sorgfältig darauf achten, wenn sie die Sehnsucht verspüren, in die Stille zu gehen.
Beim inneren Beten geht es nicht darum, sich auf Gegenstandslosigkeit, auf das Nichts auszurichten. Das wäre wiederum eine subtile Form der Ichbezogenheit. Kritisch äußert sich Teresa deshalb zu spirituellen Richtungen und Techniken, die meinen, vor allem Gegenständlichen fliehen und das Menschliche an Jesus verachten zu müssen. Sie gesteht ein, dass sie selbst eine Zeit lang auf diesen „Holzweg“ geraten sei, bis ein „Diener Gottes“ sie auf den Fehler aufmerksam machte.
Teresas Gebetspraxis ist zutiefst dialogisch, aber nicht dualistisch. Es geht um ein Leer-Werden aus Liebe zu Gott. Inneres Beten ist demnach „nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt“. Die menschliche Seele wird mit einer Burg verglichen, die viele Wohnungen hat. Das innere Gebet ist das Eingangstor zu dieser Burg. Wer darin einkehrt, findet zu sich selbst und zu Gott, der im Innersten dieser Burg wohnt und auf uns wartet.
Weg der Wandlung
In der Tradition des geistlichen Lebens betont Teresa den inneren Zusammenhang von Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis. Im Innersten der Burg findet der Mensch zu seinem wahren Selbst und zugleich zu Gott. Teresa unterscheidet die geistliche Verlobung von der geistlichen Vermählung. In der geistlichen Verlobung gibt es noch ein Gegenüber, in der geistlichen Vermählung werden Gott und Mensch eins. Sie ringt um Worte, das Einswerden zu beschreiben und greift zu einem kühnen Bild: „Hier ist es, wie wenn Wasser vom Himmel in einen Fluss oder in eine Quelle fällt, wo alles zu einem Wasser wird, so dass man es nicht wieder aufteilen oder voneinander trennen kann, was nun Flusswasser ist oder was vom Himmel fiel.“
Was an Teresa in ihrer Beschreibung der geistlichen Prozesse fasziniert, ist ihre Menschlichkeit. Sie bekennt sich zu ihren Schwächen und Fehlern, lädt ein und ermutigt, den Weg des inneren Gebets zu gehen, aber ohne Druck und ohne religiösen Vollkommenheitswahn. Bei aller Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit, zu der sie ermahnt, strahlen aus ihrem Werk eine heitere Gelassenheit und ein tiefes Gottvertrauen - die sprichwörtlich gewordene teresianische Sanftheit (suavidad).
Das Ziel des kontemplativen Gebets sind nicht die religiösen Wohlgefühle, die damit einhergehen können. Vielmehr geht es darum, sich von Gott berühren und verwandeln zu lassen. Das kontemplative Gebet ist ein Weg der Wandlung, ein Weg des Sterbens, der nicht ohne Schmerzen verläuft. Diese Form des Sterbens jedoch führt ins wahre Leben. Danach sehnt sich der Mensch - bereits hier und jetzt.
Die Ordensfrau vergleicht den Weg der Wandlung mit einer Seidenraupe, aus der sich ein Schmetterling entwickelt. Die Fruchtbarkeit des Gebets erkennt man nicht an der Intensität der Gefühle, sondern an dem, was dabei herauskommt: Teresa empfiehlt die Methode des „Vorher-Nachher-Vergleichs“, wie sie es nennt. Das Wort Jesu „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,16) gilt auch und gerade für das geistliche Leben. Es sind nun nicht mehr die faulen Früchte, die das menschliche Ich in seiner Gott- und Selbstvergessenheit hervorbringt - mögen sie noch so ansprechend drapiert sein -, sondern die guten Früchte, die der Geist Gottes reifen lässt, wenn sich der Mensch seinem Wirken nicht mehr entgegenstellt. Die positiven Wirkungen trüben sich aber sehr schnell ein, wenn man nachlässig wird und das innere Beten nicht regelmäßig praktiziert. Teresa weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig die Regelmäßigkeit und die Treue zur Übung im Alltag sind. So ermahnt und ermutigt sie diejenigen, die mit dem inneren Beten begonnen haben, es nicht wieder aufzugeben: „Wer aber noch nicht mit dem inneren Beten begonnen hat, den bitte ich…, sich ein so großes Gut doch nicht entgehen zu lassen.“
Die Unterbrechung
Die im Mittelalter und auch in der Zeit Teresas verbreitete Auffassung von der Verachtung der Welt (contemptus mundi) gehört zu jenen Motiven christlicher Spiritualität, die heute kaum noch verstanden werden. Viele versuchen, einen Kompromiss zwischen Gott und der Welt zu schließen, so wie Teresa es in ihren frühen Jahren zu tun versucht hat. Doch das funktioniert nicht.
Ohne einen radikalen Schnitt und eine „entschlossene Entschlossenheit“ ist weder das Eine noch das Andere zu haben. Das innere Gebet ist eine radikale Form der „Unterbrechung“. Das durch die Sünde beeinträchtigte Ich geht zugrunde (mortificación). Der alte Adam stirbt. Von diesem Grund aus wird die Identität des Menschen neu aufgebaut. So entsteht eine neue Welt. Verworfen wird also, genau genommen, nicht die Welt an sich, sondern der verfehlte Weltbezug. Teresa von Ávila war eine Frau, die den Mut hatte, diesen Weg zu gehen. Der innere Raum, der sich ihr erschlossen hatte, fand Gestalt in den äußeren Räumen der insgesamt sechzehn Klöster, die sie zeit ihres Lebens gründete. Mit zunehmender Reife sah sie ihre Aufgabe darin, jungen Menschen, insbesondere Frauen, Räume zu schaffen, die es ihnen ermöglichten, wahrhaft Mensch zu werden.
Zwischen den Zeilen klingt immer wieder Teresas Bedauern durch, dass es ihren Schwestern als Frauen nicht möglich war, zu lehren oder zu predigen. Bei aller Betonung des inneren Gebets darf das aktive Handeln in der Welt nicht zu kurz kommen. Marta und Maria dürfen nie aufhören zusammenzuarbeiten (Lk 10,38-42). Aus der Kontemplation erwächst das Apostolat. Die Samaritanerin des Johannesevangeliums, welche die Worte des Herrn aufgenommen hatte, verließ den Herrn, „um den Leuten ihres Dorfes davon Nutzen und Vorteil zu bringen“, schrieb Teresa. Mit feiner Ironie bemerkte sie dazu: „Was mich dabei verwundert, ist, dass man ihr, einer Frau, geglaubt hat.“
Literatur:
„Teresa von Ávila - Werke und Briefe“. Gesamtausgabe, 2 Bände, neu hg. von Ulrich Dobhan und Elisabeth Peeters (Verlag Herder, Freiburg 2015, 3272 S. im Schuber, bis 31.5.: 149 €, danach 179 €).