Nach C. G. Jung hat jedes Fest eine therapeutische Dimension. Die Frage ist, wie wir den heilenden Aspekt des Dreifaltigkeitsfestes erkennen können. Für Jung ist das Gottesbild das wichtigste archetypische Bild. Archetypische Bilder bringen uns in Berührung mit unserer inneren Mitte, mit unserem wahren Selbst. Wenn das wichtigste archetypische Bild krank ist, wird der ganze Mensch krank. Daher ist es für Jung wichtig, stimmige Bilder von Gott zu haben. Davon hängt die Gesundheit des Menschen ab.
Das Bild des dreifaltigen Gottes ist für Jung so ein heilsames Bild. Die Bilder von Gott wollen Gott nicht festlegen. Vielmehr haben sie die Aufgabe, das Geheimnis offen zu halten, sowohl das Geheimnis Gottes als auch das Geheimnis des Menschen. Das Bild des dreifaltigen Gottes hindert uns daran, Gott zu schnell auf eine bestimmte Vorstellung festzulegen. Es hält das Geheimnis offen, damit wir immer wieder neu Ausschau halten nach dem Gott, der jenseits aller Bilder ist.
Für die griechischen Kirchenväter war klar, dass wir das Wesen Gottes nicht erkennen können. Gott ist jenseits all unserer Begriffe und Bilder. Aber wir können das Wirken Gottes erkennen. Und das Wirken Gottes haben die griechischen Kirchenväter immer in dreifacher Weise beschrieben. Dabei beziehen sie sich auf drei Prinzipien, auf denen alles beruht: Das Sein (esse), das Leben (vivere) und das Verstehen (intelligere). Diese drei Prinzipien beziehen die Kirchenväter auf den dreifaltigen Gott. Der Vater steht für das Sein. Gott ist das reine Sein. Der Sohn bedeutet das Leben, das aufblüht, das Lebendigkeit und Fülle meint. Und der Heilige Geist bezeichnet das Verstehen.
Der Vater ist die Quelle allen Seins, aus der das Leben (der Sohn) ausströmt, um uns zu begleiten und zu stärken. Und der Heilige Geist führt uns durch das Verstehen in Gott zurück. Gott sendet seinen Sohn, damit er mit uns ist und unsere Wege mit uns geht. Und er sendet uns den Heiligen Geist, damit wir uns selbst und Gott verstehen. Und der Heilige Geist, der vom Vater ausgeht, führt uns in Gott hinein. Er verbindet uns mit dem Ursprung.
Wir können diese drei Prinzipien aber auch für uns selbst deuten. Wenn wir mit dem reinen Sein in Berührung sind, wenn wir einfach nur reines Sein sind, dann erfahren wir Gott als den Vater. Das reine Sein hat Angelus Silesius so beschrieben: „Die Rose ist ohn Warum. Sie blühet, weil sie blühet.“ Es ist eine befreiende Erfahrung, einfach einmal dazusitzen, ohne sich zu rechtfertigen, ohne etwas vorweisen zu müssen. In dieser Erfahrung - so meinen die Kirchenväter - erahne ich, was das Geheimnis des Vaters ist: reines Sein.
Wenn wir lebendig sind, wenn Leben in uns aufblüht, dann erfahren wir letztlich Gott als den Sohn, der in uns ist und uns aufrichtet. In der Lebendigkeit, die ich in mir spüre, begegne ich dem Sohn, ist der Sohn selbst bei mir und in mir. Und wenn wir uns selbst verstehen, dann erfahren wir Gott als den Heiligen Geist, dann wirkt der Heilige Geist in uns. Es gibt solche Augenblicke, in denen mir auf einmal alles klar ist. Ich blicke in den Grund meiner Seele. Und da ist Klarheit. Dort berühre ich den Heiligen Geist in mir, der mir das Verständnis meiner selbst schenkt.
So ist das Bild des dreifaltigen Gottes immer auch ein Bild für uns Menschen. Es ist keine abstrakte Spekulation über das Wesen Gottes, sondern eine Beschreibung für unser Leben. Wir können uns selbst erleben und verstehen als Menschen, die von Gott kommen (Vater), von Gott berührt sind (Sohn) und die manchmal in Augenblicken der Kontemplation den Grund allen Seins sehen und verstehen (Heiliger Geist). Es ist ein heilsames Bild, das wir am Dreifaltigkeitsfest feiern, ein Bild, das uns in das Geheimnis Gottes und in unser eigenes Geheimnis hineinführt.