Der österreichische Wahlamerikaner und Benediktiner David Steindl-Rast, der soeben neunzig Jahre wurde, hatte in den geistigen und politischen Unruhen der sechziger Jahren in seiner Gemeinschaft Mount Saviour im Bundesstaat New York begonnen, spirituelle Zugänge zum Buddhismus aus christlicher Sicht näher zu erkunden. So diskutierte er mit dem vietnamesischen Buddhisten Thich Nath Hanh und dem Trappistenmönch Thomas Merton, der ähnlich wie Steindl-Rast ein Grenzgänger und Grenzüberschreiter war.
Sie sahen auch einen politischen Auftrag ihrer Spiritualität. Gegen den Wahnsinn des Vietnamkriegs traten sie öffentlich auf. Mit Thomas Merton initiierte er die Bewegung „House of Prayer“ zur Erneuerung des Ordenslebens, an der mehr als 200000 Ordensleute teilnahmen. Große Wirkung hatte das Buch „Wendezeit im Christentum“, das er gemeinsam mit dem Physiker und Denker des „New Age“, eines neuen planetarischen Bewusstseins, Fritjof Capra, verfasste. Darin setzen sich die Autoren mit dem Paradigmenwechsel im Gottesverständnis auseinander - weg von statisch-seinsphilosophischen, hin zu dynamisch-evolutiven Vorstellungen. Der Benediktiner ging bei mehreren japanischen Zen-Meistern in die Lehre und wurde so selber zu einem Lehrer eines mystisch-vertieften Christseins.
Achtsamkeit, Stille, Herzensgüte, Dankbarkeit sind seine Quellen, um eine Balance aus Kampf und Kontemplation, Aktion und Meditation zu finden. In seinen Vorträgen ermuntert der Mönch, der mit einer tiefen Ausstrahlung, wachen Augen und zugleich gelassener Ruhe seine Gedanken vorträgt, die Menschen zu einer erneuerten Innerlichkeit aus christlicher Quelle. Im CIG schrieb er einmal: „In meiner Kindheit galten Mystiker als ganz einzigartige Menschen; heute sehen wir mit Recht in jedem Menschen einen ganz einzigartigen Mystiker - zumindest der Veranlagung nach. Ob wir dieser Veranlagung gemäß leben, ist damit noch nicht gesagt.“
Bereits als Dreizehnjähriger war Steindl-Rast in der Wiener katholischen Jugendbewegung aktiv. Das half ihm, sich gegen den Nationalsozialismus zu immunisieren. Der Zweite Weltkrieg erschütterte ihn tief, wie viele junge Leute, die damals den Tod unmittelbar vor Augen hatten. Nach dem Krieg studierte Steindl-Rast Kunst und Psychologie. 1952 wanderte seine Familie aus wirtschaftlichen Gründen nach Amerika aus. Steindl-Rast schloss sich bereits ein Jahr später der Abtei Mount Saviour an. Der Mönchsvater Benedikt hält in seiner Regel fest, zur geistlichen Kunst der Mönche gehöre es, „den unberechenbaren Tod beständig vor Augen“ zu haben. Für den jungen Mann eine bereits vertraute Wahrheit. Das sei einer der wichtigsten Sätze des Ordensgründers, so der Ordensmann.
Steindl-Rast führt trotz der benediktinischen „Sesshaftigkeit“ ein Leben voller Reisetätigkeit im Wechsel mit einem strengen Einsiedlertum. Im Mittelpunkt stehe - so oder so - die Erfahrung der Liebe Gottes im Jetzt. Alle Glaubenssätze seien inmitten der Autoritätskrise des Christentums auf „persönlich nachvollziehbare Erfahrungen und Überzeugungen zurückzuführen- auf innere Autorität also“. Die eigene religiöse Dynamik zwischen Unruhe und Ruhe hat David Steindl-Rast einmal in einem Gebet formuliert: „Du, von dem wir kommen und zu dem wir gehen, beständige Liebe. Du gibst uns Zeit für Wandel und Wachsen in dieser Zeit des großen Wandels in meinem Leben. Bitte gib mir den Mut, mich zu wandeln und zu wachsen, und Heiterkeit inmitten wachsendem Schmerz. Lass mich immer tiefere Wurzeln schlagen in die Liebe, lass mich voll Vertrauen sein ohne festzuhalten und lass mich voll Vertrauen bleiben beim Loslassen.“