Letzte Worte von berühmten Personen sind gefragt und werden gern als Zusammenfassung eines Lebens oder als eine Art Testament für die Nachwelt verstanden. Sieht man allerdings genauer hin, sind solche „letzten Worte“ vielfach eher die Wunschträume von Biografen oder wohlmeinenden Angehörigen. Die meisten Menschen sterben langsam verstummend, schwer atmend oder auch plötzlich - jedenfalls selten mit klaren letzten Botschaften.
Wie verhält es sich dagegen mit den „ersten Sätzen“, die das Ohr eines Neugeborenen erreichen? Wenn ein Säugling sein Gesicht verzieht, unruhig wird und sich schließlich zunehmend lauter werdend Gehör verschafft, dann nimmt ihn hoffentlich die Mutter in den Arm und redet ihm beruhigend zu. „Es ist alles gut.“ - „Ich bin doch da.“ - „Hab keine Angst!“ Und sie bietet dem Kind die Brust als Bekräftigung und Beweis für alles, was sie gesagt hat.
Der Säugling versteht nichts von den Worten der Mutter, und doch versteht er alles. Mit seinen fünf Sinnen erfasst er den Sinn dessen, was er sprachlich noch nicht fassen kann. Er sieht das Gesicht der Mutter, hört ihre vertraute Stimme, riecht den bekannten Geruch, mit den Lippen ertastet er die gewohnte Brust, und er schmeckt die Milch. Die Mutter wiederum, wohl wissend, dass der Säugling noch nicht versteht, wird dennoch nicht müde, ihre tröstenden Sätze wieder und wieder zu wiederholen.
Gott, so wie er sich in der Bibel offenbart, spricht ebenfalls eine Sprache, die den Menschen tröstet, eine väterliche Sprache. Und er eignet sich schon mit der ersten Seite der Heiligen Schrift auch die ersten Worte an, die eine Mutter zu ihrem Kind spricht: „Gott sah, dass es gut war“ (Gen 1,4ff). - „Ich bin der Ich-bin-da“ (Ex 3,14). - „Fürchte dich nicht!“ - „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Und in symboltheologischer Sprache entspringen aus der Seite des Gekreuzigten die Sakramente der Kirche, mit denen der Hunger gestillt und die Seele beruhigt wird.
Im Geist Gottes, der am Pfingsttag, dem „Geburtstag“ der Kirche, über die Apostel ausgegossen wird, offenbart sich die weiblich-mütterliche Seite der Zuwendung Gottes durch die Apostel an alle Menschen: Jeder kann diese Sprache Gottes als seine „Muttersprache“ (Apg 2,8) verstehen. Genau genommen müsste man sogar übersetzen: „die Sprache, in der wir geboren wurden“. Aber in schöner ökumenischer Eintracht heißt es in der Lutherbibel, in der Zürcher Bibel und in der Einheitsübersetzung: „Muttersprache“. Diese Sprache verkündet nichts anderes als das, was jede Mutter ihrem Kind verkündet: „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (Apg 2,11). Und Gottes große Taten sind: die gute Schöpfung - der tröstliche Name Gottes - die Erlösung aus der Angst - die bleibende Gegenwart Christi - die Stillung der tiefsten Sehnsucht im österlichen Geheimnis der Eucharistie. Diese Muttersprache ist die eine Sprache der einen Kirche, ökumenisch und international.
Wenn Jesus im Evangelium des Pfingstsonntags den Aposteln den Geist mitteilt, tut er das durch Anhauchung. Auch das verbindet man wohl eher mit weiblicher Zärtlichkeit und denkt dabei vielleicht an eine Mutter, die ihrem Kind, das sich wehgetan hat, über die Wunde bläst und sagt: „Wird schon wieder gut!“ Das ist zwar eine sehr schlichte, aber doch auch nicht falsche Assoziation zum Hauchen des Geistes über die Wunden und Verletzungen, die von der Sünde herrühren. Der Geist Gottes ist der Geist der Vergebung: „Jesus hauchte sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben!“
Viele pfingstliche Lieder besingen den Geist als Tröster, als mütterlichen Tröster möchte man zur Verdeutlichung ergänzen. Den Propheten und den Betern der Psalmen war der Vergleich einer Mutter, die für ihr Kind da ist, mit Gott, der für die Seinen da ist, weder zu banal noch zu infantil. Sie kommen immer wieder auf diesen Vergleich zurück; am schönsten und kürzesten vielleicht in Psalm 131,2: „Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; wie ein Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir.“