Die Unterhaltungswelt erregt sich: über Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen, über Kardinalskritik am gegenwärtigen Papst, über kaum versteckte Schelte des Ex-Papstes an deutschen Bischöfen?… Wenig beunruhigt sind die Vielen hingegen über den epochalen Glaubensschwund. Selbst die Kirchen wirken apathisch. Geistliche samt Laientheologen machen Dienst wie üblich. Dabei geht es längst ums Überleben des Christentums in großen Teilen der Welt.
Sogar aus dem frommen Amerika, das lange als widerspenstiger Hort gegen die - angeblich bloß europäische - Säkularisierung gepriesen wurde, erreicht uns eine Meldung nach der anderen, die bestätigt: Ja, auch dort bricht der christliche Glaube weg, besonders stark in der jüngeren Generation. Selbst eine einstige „Festung des Katholizismus“ wie Boston wankt, meldete soeben das Meinungsforschungsinstitut „Barna Group“. Die Leute wechseln bei Unzufriedenheit nicht mehr wie früher die Konfession, sie tauchen ab in die Religionslosigkeit. Die Bewohner der Großstädte sind schon weitgehend verweltlicht. Christlicher Glaube und Moderne passen wohl doch nicht so gut zusammen, wie es das Amerika von gestern als Paradebeispiel zu belegen schien.
Unterdessen beschwichtigen kirchliche Amtsträger und deren Unternehmensberater die Lage mit dem „Argument“, auf die Zahl komme es doch gar nicht an. Die Getauften sollten nicht darauf fixiert sein. Wo aber steigert der Verlust an Quantität wirklich die religiöse Qualität? Das Gegenteil ist der Fall. In den „Kerngemeinde“-Resten lässt sich - im Durchschnitt - kaum noch eine Elite erblicken, die das Christliche intellektuell und spirituell auf die Höhe der Zeit bringt.
Wohin wird die Reise gehen? Steht der Untergang zwingend bevor, oder kommt es womöglich ganz anders, als die statistischen Daten und linearen Trends augenblicklich nahelegen? Der Schweizer Journalist, Historiker, Politik- und Religionswissenschaftler Simon Hehli von der Inlandsredaktion der „Neuen Zürcher Zeitung“ hat einmal seine Phantasie spielen lassen und für sein Land zwei Szenarien der religiösen Entwicklung im Lauf der nächsten 33 Jahre entworfen - bis 2050 (NZZ, 4. Juli). Der Autor rechnet mit gegensätzlichen Möglichkeiten: „Eine Schweiz voller Kirchen - oder ganz ohne.“ Das Gedankenexperiment lässt sich auch auf andere Länder übertragen.
„Alle“ sind wieder religiös
In der ersten Fiktion vermutet der Autor aufgrund einer sich verschärfenden konfliktreichen Weltlage einen massiven Zustrom muslimischer Flüchtlinge ab 2020. Die dschihadistische Glaubenssicht findet unter jungen Leuten vermehrt Anhänger, auch wegen sozialer Unzufriedenheit. Es gibt Attentate. „Lange merkten die Politiker und Intellektuellen nicht, was im Untergrund brodelte. Nach Jahrzehnten, in denen der Glaube sukzessive an Relevanz verloren hatte, hielten sie eine Rückkehr der Religion schlicht für unvorstellbar.“ Allmählich steigt die Zahl der Muslime auf einen Anteil von 14 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das ruft bei den Einheimischen Misstrauen und Gegenbewegungen hervor. Gruppen bilden sich, die dazu aufrufen, das christliche Abendland zu verteidigen und die Islamisierung zu stoppen. Immer mehr Menschen sammeln sich aus Furcht vor einer religiös-kulturellen Überfremdung unter dem Zeichen des Kreuzes, und im Jahr 2047 gewinnt eine Partei mit dem Slogan „Maria statt Scharia“ die Wahlen.
Hehli beschreibt in seinem Szenario 1 einen geschichtlichen Prozess, der genau andersherum verläuft als die „Unterwerfung“ unter den Islam, die der französische Schriftsteller Michel Houellebecq in seinem aufsehenerregenden Roman „Soumission“ erzählt, als sang- und klanglose Preisgabe des Christentums. Bei Hehli erstarkt das Christentum als Kirchentum schlichtweg deshalb, weil die Leute die kulturelle Überfremdung durch den Islam nicht wollen. „Die katholische Kirche und die Freikirchen verzeichnen hohe Wachstumsraten, doch auch alternative Formen wie Wander-, Schwulen- oder Biker-Gottesdienste sind populär geworden.“
Statt Kirchenschließungen gibt es einen Boom beim Kirchbau. Megachurches nach amerikanischem Vorbild beherbergen tausende Gläubige. Das Volk strömt in die Gottesdienste. Nachdem die Digitalisierung hunderttausende Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben und die Sinnkrise verschärft hat, suchen die Leute wieder Trost in der Spiritualität. Liberalismus und Kapitalismus, einst vielgepriesen, haben ihren Glanz verloren. Ein neues Wir-Gefühl entsteht, ein starker Wille sucht Identität, Geborgenheit, Heimat. Aber auch die Moscheen finden Zulauf. Schließlich entladen sich heftige Konflikte zwischen den Religionsgruppen. „Alle“ sind plötzlich wieder religiös, wenn auch keine substanzielle Erneuerung in den Glaubens-Zweifel-Themen und Gottesvorstellungen erkennbar ist.
Happy Pills gegen Seelenschmerz
Das Szenario 2 erwartet dagegen eine dramatische Abwärtsentwicklung, eine Fortsetzung dessen, was jetzt schon geschieht. Mai 2050: „Sieben Sechzehnjährige versammeln sich in der Kirche in Zürich-Fluntern. Sie ist eines der letzten Gotteshäuser, die noch im Dienst der Religion stehen. Das Großmünster ist eine Buchhandlung inklusive Café, das Fraumünster mit seinen Chagall-Fenstern eine Filiale des Kunsthauses, die ehemalige griechisch-orthodoxe Kirche dient als Partylokal. Die sieben Jugendlichen sind heuer die einzigen Konfirmanden in der Zwingli-Stadt.“
Die Säkularisierung hat die Kirchen überflüssig gemacht. Einen staatlich verordneten Atheismus wie einst im Kommunismus braucht es nicht, um den christlichen Glauben zu verabschieden. Auch die muslimischen Zuwanderer beziehungsweise deren Kinder schließen sich der allgemeinen Wende hin zur Religionslosigkeit an. Eltern, die ihre Kinder taufen lassen und christlich erziehen, sind Exoten. Die Konfessionslosen stellen die allergrößte Bevölkerungsgruppe.
Auf dem Land gibt es zwar noch einige engagierte Christen. Weil aber Pastoren fehlen, feiern die Überbleibsel von Reformierten und Katholiken zusammen Gottesdienst. Die theologischen Fakultäten sind verwaist, die Priesterseminare und Klöster leer.
Trotzdem wollen die Menschen irgendwie noch „spirituell“ sein. Denn sie haben ja diffuse Sehnsüchte nach einem schönen, gehaltvollen Leben. Den Sinn, der sich ganz diesseitig verankert, stiftet jedoch nicht mehr die Religion. Gott hat abgedankt. Es reicht die Work-Life-Balance. Dafür kann man sich individuell ausstatten mit irgendeiner Esoterik. Auch der Glaube an den Fortschritt, die Wissenschaft, besonders die virtuellen Technologien erstarkt. Er verleiht den Menschen gottähnliche Vorstellungen und Kräfte. Medizin und Pharmakologie rücken dem Tod zu Leibe. Für verschiedenste Mangelleiden haben sie allerlei Mittelchen, die heilen, ablenken, vertrösten. „Wer Seelenschmerz hat, geht zum Psychotherapeuten oder bestellt sich in der Online-Apotheke Happy Pills.“
Religionskunde gibt es noch, aber nur als Teil des Geschichtsunterrichts, als Erinnerung an Vergangenes. Reste von Kulturchristentum sorgen dafür, dass die Menschen in Kirchen Orgelkonzerte besuchen, aber das Publikum verspürt dabei „keinen religiösen Schauer mehr“. Das Kreuz auf der Schweizer Flagge kann sich noch halten. Die frömmlerische Landeshymne aber ist längst einem neuen Text gewichen.
Das Nichts erklärt nichts
Zwei Szenarien - maßlos überzeichnet, vermutlich nie Wirklichkeit. Oder von Fall zu Fall doch nicht ganz unwahrscheinlich? Über die Inhalte dessen, was geglaubt oder nicht mehr geglaubt wird, zumindest nicht mehr auf herkömmliche Weise, sagen die beiden Szenarien allerdings nichts. Dabei liegt die eigentliche Herausforderung an die Religion, ans Christentum, in den Inhalten und in den befremdlichen Irritationen einer Welterfahrung, die mit den üblichen religiösen Vorstellungen und Standardantworten nicht mehr übereingeht. Das religiöse Alphabet müsste wohl neu buchstabiert, ja neu entworfen werden. Und stets dreht es sich in christlicher Perspektive um dasselbe Zentrum: Wer, was ist Gott, warum Christus, wie logisch ist Auferstehung? Daran hängt der ganze Glaube. Eigenartigerweise jedoch geschieht wenig, um den großflächig sich ausbreitenden Plausibilitätsverlust des einst Geglaubten überhaupt erst einmal redlich zu ergründen und sich daran abzuarbeiten.
Niemand hat Gott je gesehen. Aber im Horizont der kosmologischen wie evolutiven Welterkenntnis bedrängt die große Frage die Menschen weiterhin, warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts. Das Nichts wäre ja viel logischer als das, was war und ist. Nur verfängt sich jeder Gedanke daran selber in der Paradoxie des Nichts: Das Nichts erklärt nichts. Und es wird nicht besser dadurch, dass der Verstand sich beharrlich dagegen sträubt anzunehmen, dass Gott (gewesen) „sein“ könnte, als nichts war außer Nichts.
Die theologische Auffassung, dass Gott „ewig“ „ist“, „außerhalb“ von Raum und Zeit, entzieht sich freilich ebenfalls dem, was das hochkomplexe Gehirn mit seiner Logik an Vermögen aufzubieten hat, um wenigstens eine vage abstrakte Vorstellung von jener Aussage zu gewinnen. Das „Ewige“ ist nicht minder unverständlich als das „Nichts“ oder das „Außerhalb“ von Raum und Zeit. Raum und Raumlosigkeit, Endlichkeit und Unendlichkeit, Zeit- und Zeitlosigkeit, Anfang und Anfangslosigkeit münden in Paradoxien. Gott selber - ein Mysterium als Paradox.
Gott ist nicht einfach, Gott ist schwer. Und alles Einfache, wie es in Mythologie und Magie als große Menschheitserzählung angeboten wird, täuscht. Jedenfalls im Horizont einer durch Wissenschaften geläuterten und Stück für Stück aufgeklärten, wenn auch darüber keinesfalls geklärten Welterfahrung. Für viele Menschen mag Gott aus diesen Gründen seine Plausibilität verloren haben. Welche Plausibilität aber hat das Universum - im Wandel ewig, anfanghaft und anfangslos? Eine höhere Plausibilität als Gott hat ein solcher Kosmos im Prozess - und seien es viele Universen im Universum - jedenfalls nicht. Die menschlichen Versuche, durch Anschauung eine Ordnung ins Dasein zu bringen, scheitern bereits an Konstrukten wie dunkler Energie, dunkler Materie oder „Urknall“. Auch eine derartige Singularität, die Raum und Zeit erst gebiert, was Energie, Materie, Masse erst im Verlauf konstituiert, entzieht sich menschlicher Logik. Welcher Anfang war „vor“ dem Anfang? Nichts ist durch den „Urknall“ erklärt von dem, was „vorher“ gewesen sein könnte, was „nebenan“ war, was „wirklich“ ist. Es gibt kein „Davor“ und kein „Davor“ vor dem „Davor“? So darf man nicht fragen? Warum nicht, wenn man so doch fragen und denken kann? Warum können wir überhaupt danach fragen, obwohl unser Verstand, unsere dreidimensionale sowie unsere lineare Logik trotz unüberschaubar vieler Neuronenverknüpfungen damit hoffnungslos überfordert sind - und womöglich die reine Mathematik selbst? Was überhaupt ist „Wirklichkeit“, zudem jenseits von Raum und Zeit? Nichts? Was ist Nichts? Oder ist es doch sinnvoll, wie die Mystiker auf paradoxe Weise einzutauchen in ein Nichts Gottes, das Gott selber ist - und nicht nichts? Längst verzaubern die Hypothesen und Theorien der Wissenschaften die Welt weit mehr, als dass sie sie entzaubern. Was ist zum Beispiel vom „Wesen“ der rätselhaften Schwerkraft erklärt, wenn man sie inzwischen als gekrümmte Raumzeit identifiziert hat?
Christus erst vor 2000 Jahren
Fragen über Fragen - und allenfalls stammelnde, stets widersprüchliche Antwortversuche. Die religiösen Antwortversuche aber tun oftmals so, als wisse jemand ganz genau - und sei es ein geistlich Gelehrter voller lehramtlicher Autorität -, wer, wie, was Gott ist, wie „er“ denkt, redet, fühlt, handelt, was er mit den belebten und unbelebten Dingen vorhat - und schlussendlich mit dem Sünder. Dieses Besserwissen ist der eigentliche Grund, warum sich so viele Menschen von den Kirchen verabschieden. Sie ahnen, dass etwas im ganzen „System“ nicht stimmt, dass es hinten und vorne klemmt, wackelt, weil stets neue Umleitungen und Ausreden erfunden werden (müssen), wenn und wo die frommen, mythologischen Konstruktionen, etwa vom wundervollen „Eingreifen“ Gottes in den Lauf der Dinge oder - im anderen Fall - Nicht-Eingreifen, nicht (mehr) passen. Plötzlich muss Gott entschuldigt, aus der „Schusslinie“ genommen werden. Und sei es nur, indem ein Satan zu Hilfe geholt wird, dem man dann als Widersacher Gottes die Schuld zuschiebt.
Für Christen ist das Christusereignis die Mitte gläubiger Existenz. Aber auch da stellen sich große Fragen, bei vielen Menschen oftmals verschwiegen innerlich. Zum Beispiel: Wie lässt sich die Einzigkeit Christi verbinden mit der Vielfalt und Widersprüchlichkeit der anderen religiösen Wahrnehmungen rund um den Erdball? Noch mehr ergreift es, wenn man die Zeiträume bedenkt, die weit in die Vergangenheit zurückreichen: Warum musste es so viele Irrläufer der Evolution unter anderem auf dem Weg zum Homo sapiens hin geben? Warum mussten derart viele Prozesse des Lebens gnadenlos ins Leere laufen, in Sackgassen absterben? Warum kam Gottes Sohn als absolute Wahrheit per Homo sapiens „zufällig“ erst vor 2000 Jahren in die Welt, wo es da doch schon mindestens 100?000 Jahre lang - manche neueren Forschungen deuten auf 400?000 Jahre hin - den Homo sapiens gab, ausgestattet mit komplexem Gehirn und modern-kognitiver Erkenntnisfähigkeit? Hat Gott den Menschen so lange im Irrtum gehalten, getäuscht, indem er ihm Christus vorenthielt?
Logik der Auferstehung
Alle nachträglichen Konstruktionen eines - womöglich vordatierten - anonymen Christentums und eines ewigen Logos helfen da nicht weiter. Sie überbrücken nicht die Spannung zwischen dem historisch noch sehr jungen Christuserereignis und dem weitaus älteren Universums- und Lebensereignis, in dem sich das intelligente Wesen Homo schon längst Offenbarungen zurechtlegte und auslegte. Arrogant - auch gegenüber Gott - wäre es zu behaupten, dass die vielen evolutiven Prozesse, die zu zahlreichen Religionen bereits in der grauen Vorzeit führten, eigentlich nichts anderes gewesen seien als Abwege, wohingegen erst das wahre Christentum als einzig wahres Evolutionsziel Gottes aufstrahle.
Zwischen religiösem Provinzialismus - „Nur wir sind gerettet“ -, religiösem Universalismus - „Alle sind gerettet, aber wir haben recht“ - und religiöser Gleichgültigkeit - „Alle Heilswege sind irgendwie wahr“ - scheitert die Vernunft und im Kern auch der Glaube. Die Frage des religiösen Pluralismus ist faktisch ungeklärt. Und keine der bisherigen theologischen „Lösungen“ befriedigt.
Auch die nach wie vor in vielen Glaubensweisen mitschwingenden archaischen magisch-mythologischen Gehalte sind dem, der angesichts einer evolutiven Welt redlich an Christus glauben möchte, weder Trost noch Hilfe. Die ernsthaft Suchenden bohren trotzdem weiter nach einem glaubwürdigen Glauben, nach einer modernen, zeitgemäßen Mystik mit Problembewusstsein, die trägt, weil sie nicht verdrängt. So brauchen wir eine Christus-Mystik, die unter anderem universal-kosmische Dimensionen aufnimmt, ohne spekulativ ins Esoterische abzudriften; eine Mystik, die der Geschichte und der Erde treu bleibt.
Bei allem ist und bleibt das Erschütterndste die Sterblichkeit. Warum ruft Gott ins Leben, nur um es dem Verfall preiszugeben, dem Leiden, dem Tod, ja um es zu vernichten? Die Standardantwort lautet, dass der Schöpfer als Erstursache es eben den Zweitursachen, den Dingen, anheimgegeben habe, dass sie als Geschaffene im Lauf der Evolution (sich) selber machen, schaffen (können). Das aber löst das Problem nicht, dass es den grausamen Tod gibt. Warum muss es ihn angeblich geben, nur damit die Evolution funktioniert? In einer unendlichen Welt, die ein allmächtiger Schöpfer hätte schaffen können, wäre auch eine unendliche Freiheit vom Tod denkbar. Jedenfalls braucht Freiheit den Tod nicht. Vor allem ist die dem Menschen geschenkte, oft in die Irre führende partikulare Freiheit, die da immer als theologische Argumentationshilfe für die Größe des Menschen als „Partner“ Gottes ins Feld geführt wird, so frei ja gar nicht. Sie befreit schon gar nicht Gott von seiner „Erstverantwortung“ für eine Evolution, die ist, wie sie ist - imperfekt, offen, im ständigen Werden. „Wird“ auch Gott?
Über allem erschüttert das große Schweigen Gottes den Glauben. Dabei bewegt das Wunder des Sichtbaren die Menschen viel stärker als das unverständliche Wunder des Unsichtbaren. Gegen die Naturgesetze kann niemand handeln, kein Mensch, kein Tier, kein Molekül, kein Atom, kein Elementarteilchen, keine Galaxie, nicht einmal Gott. Kann man vom Sichtbaren vielleicht doch aufs Unsichtbare schließen, von der Sichtbarkeit insbesondere des schrecklichen Todes auf eine unsichtbare Unsterblichkeit? Wenn es das Leben, den Kosmos, die vielen Dinge und vor allem die Faszination des Geistigen gegen alle Wahrscheinlichkeit als Faktum gibt, sollte es nicht entsprechend ein Wunder des - erhofften - ewigen Lebens geben dürfen? Auferstehung - zumindest als schwache Logik einer analogen Wahrscheinlichkeit.
Mut zur Transzendenz
Solche Fragen verstummen nicht, auch wenn sie sich nicht jeder Mensch bewusst stellt, sondern sie oftmals wohl eher unbewusst ahnt und mit sich trägt. Sie könnten vielleicht doch ein weiteres - drittes - Szenario eröffnen: ein wirklich großes Fragen 2050. Die Menschen haben sich zwar vom konventionellen Kirchentum abgewendet, jedoch der Gottesfrage zugewendet, sogar aus christlicher Inspiration. Weil Wissenschaft, Kultur und Kunst und in deren Folge eine neue innovative Theologie das Volk lehren, nachdenklich zu werden, groß zu denken, groß zu fühlen, groß zu ahnen - über das hinaus, was triviale Moden vorgeben oder erlauben. Es ist die Mündigkeit, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Nach dem großen Abräumen und Aufräumen in der Religion kommt dann die Erkenntnis wieder: Gott ist groß! Es gibt mehr und anderes als das Naheliegende. Die Menschen finden Mut zum Überschreiten, zum Transzendieren mit Transzendenz. Wie logisch!