Leserdebatte: Kirchenschwund und Glaubensverlust

Über den Wust zu schreiben, den Kirchen hinter sich lassen müsste, um Glaub- und Vertrauenswürdigkeit wieder zu gewinnen, würde Bücher füllen. Letztlich geht es aber immer um den Willen, Abstand zu nehmen von liebgewordenen und/oder Macht erhaltenden Traditionen, wenn diese nachweislich nicht mehr dem Erkenntnisstand der Zeit entsprechen.
Noch kurz zu der von Ihnen aufgeführten Zählweise der sonn- oder feiertäglichen Kirchenbesucher:
Zählen Sie doch einfach mal die Hostien etc., die verbraucht werden und führen Sie eine Statistik über diese Verbräuche, dann wissen Sie, wer noch "aktives" Kirchenmitglied ist.
Mit freundlichem Gruß
Rudolf Stiegelmeyr

Zur Zukunft des christlichen Gottesglauben und der dazugehörigen Kirche möchte ich folgendes anmerken. Wir, die momentan sich Sorgenden, sollten unseren eigenen Glauben zunächst durch vollkommene Gelassenheit bezeugen. Gott selbst wird zu einer Bewertung unserer Gedanken, Worte und Werke gelangen. All die Institutionen, die angeben in der legitimen Nachfolge Jesu Christi zu agieren, sind jeweils von ihren Wahrheiten überzeugt, woraus letztlich die unzähligen Abspaltungen resultieren.

Dabei ist die Botschaft Jesu so klar wie einfach. Vertraue auf Gottes Liebe und liebe ebenso deine Mitmenschen. Das umfasst natürlich auch die Aufforderung, klar Stellung zu nehmen, wo dies im persönlichen Umfeld vollständig missachtet wird. Dass wir dann scheitern können, ist natürlich möglich. Jesus ist in seinem irdischen Leben in diesem Sinne auch gescheitert. Macht aber nichts, in der Ewigkeit Gottes geht's weiter. Ein wirklich Glaubender braucht nicht beunruhigt zu sein.

Allemal diejenigen, die es mit Luther halten. Dass wir eben doch keinen freien Willen haben und selbst der Glaube der Gnade Gottes entspringt. Oder all die, die annehmen, dass der Opfertod Jesu uns -wenn wir nur an diesen glauben- vor Unannehmlichkeiten im weiteren Verlauf unserer, wie auch immer gestalteten Existenz bewahrt.

Barmherzige Liebe und ewige Verdammnis sind trotz aller exegetischen Klimmzüge nicht gemeinschaftlich vermittelbar. Genauso wenig wie ein Gott, der es für nötig hält, seinen einzigen Sohn zur Erlösung der nach seinem Ebenbild geschaffenen Geschöpfe zu opfern.

Viele, der nicht am Kirchenleben Teilnehmenden, aber durchaus Gottgläubigen, sehen darin Widersprüchlichkeiten. Und wiederum andere sehen ein eklatantes Missverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit in den Lebensführungen und Äußerungen vieler Amtsträger und aktiven Mitglieder der jeweiligen Kirchen.
Die zahlreichen biblischen Widersprüche und die auch daraus resultierenden, befremdend wirkenden Verhaltensweisen vieler sogenannter Christen aufzulösen, halte ich somit für die zentrale Aufgabe der Christengemeinschaft. Ein Glaubenskonzil ist wünschenswert.

Ob ein solches dann zur Einmütigkeit führen würde, sei mal dahingestellt. Das Tolle an Jesu Botschaft ist aber, dass es für alle weitergeht und wir gelassen auf Gott vertrauen können. Mittels des heiligen Geistes wird uns früher oder später der Weg gezeigt.

Die treffende Analyse ist im Hinblick auf die Kirchenleitung zu ergänzen. Die Kirche höhlt sich vom Kern her selber aus. Von den Priestern gibt es immer noch sehr engagierte Männer, die aber oft als "Konzilspriester" oder "Wilde" abgestempelt werden. Sehr viele Priester verstehen sich als (gestresste) Manager, der Rest sind Junggesellen in gut ausgestatteten Pfarrhöfen, die ihre Sache nach Vorschrift ordentlich machen, aber im klerikalen Hochmut nichts hinterfragen lassen.
Man staunt nicht, sondern wundert sich oft über so wenig ansteckenden Glauben bei Priestern, der sich in Offenheit, Nächstenliebe und Dienstbereitschaft zeigen soll. Ich wundere mich auch, dass nur von wenigen Pfarrern ein Hinweis oder Werbung für den Papstfilm "Franziskus - Ein Mann des Wortes" kommt. Viele Geistliche haben den Film noch gar nicht gesehen - "vom Ordinariat sei noch keine Empfehlung dafür gekommen"! Der Film könnte ja mit seiner Kritik das schöne Pfründeleben aufstöbern. Lieber seine Botschaft verschweigen und ausschalten. PP. Franziskus hat offensichtlich mehr Anhänger unter den Gläubigen als aus dem Klerus. Wenn aus Angst alles so bleiben soll, wie es einmal war, dann verkommt es. Man kann etwas auch durch Festhalten zugrunde gehen lassen.

Der Analyse über die Situation unserer Kirche bzw. unseres Glaubens kann ich voll zustimmen, jedoch mit zwei Ergänzungen.
1. Die 10% der gezählten Gottesdienstbesucher (gezählt an zwei Stichtagen im Jahr) kann man verdoppeln, da lange nicht mehr alle praktizierende Christen an allen Sonn-und Feiertagen den Gottesdienst mitfeiern; wer am Zählsonntag anwesend ist, fehlt vielleicht am darauffolgenden Sonntag, und an diesem nehmen dann andere teil. Außerdem ist die Zahl der Gottesdienstteilnehmer oft abhängig von den Intentionen; dann sind oft zahlreiche Angehörige anwesend, die nicht jeden Sonntag den Gottesdienst mitfeiern, sich aber als praktizierende Christen bezeichnen.
2. Das „Wortgeklimper“ in den Gottesdiensten ist zu pauschal ausgesagt, denn es gibt viele Priester – und ich möchte mich dazu zählen – die sich viel Mühe mit der Vorbereitung der Gottesdienste geben und die Gebetstexte und das Hochgebet frei gestalten. In jeder Stadt finden sich solche Priester.
Zur Veränderung der in dem Artikel beschrieben Situation habe ich außer den lange geforderten Veränderung bei den Zulassungsbedingungen zum Priesteramt zwei Vorschläge:
1. „Großverwaltungsbezirke“: Diese sind dem Priestermangel geschuldet und nicht dem Bedürfnis der Gemeinden. So sollte man entweder diese unglückliche Fusionen ganz aufgeben und andere Leitungsmodelle erproben (etwa nach CIC 517,2 ein „Moderatorenmodell“). Zumindest sollte man, wenn der Bischof sich nicht zu einer solchen Lösung durchringen kann, innerhalb der Großgemeinden Basisgemeinden mit eigener Leitung einführen.
2. Veränderungen in unserer Kirche und bei der Glaubenssituation der Getauften sollten bei der Kinder- und Jugendarbeit beginnen. Als langjähriger Jugendpfarrer, z.T. mit Freistellung für diese Arbeit, weiß ich, wie prägend kirchliche Jugendarbeit sein kann. Sie beginnt schon in kirchlichen Kindergärten, mit denen Gottesdienste gefeiert werden, zu denen auch die Eltern eingeladen werden. Noch wichtiger ist die Erstkommunionvorbereitung, die auch die Eltern mit einbezieht; nach der Erstkommunion kann man Kinder für die Messdiener, den Kinderchor oder eine Verbandsgruppe gewinnen, so dass die Kinder der Gemeinde verbunden bleiben. Diese bilden dann einen wichtigen Stamm für die Firmvorbereitung (die natürlich nicht nur aus Aktionen bestehen darf, sondern sich intensiv mit Glaubensfragen und Glaubenspraxis befassen muss). – In der überpfarrlich getragenen Jugendarbeit werden Angebote zur Schulung von GruppenleiterInnen gemacht, Angebote für Besinnungstage für Mitglieder der Jugendgruppen und der Jugendverbände, sowie Ferienlager, die auch geistliche Akzente setzen. Für all diese Aktivitäten muss der Bischof qualifizierte Jugendseelsorger einsetzen, die ein Herz für Jugendliche und die Bereitschaft zu freier gestalteten Gottesdiensten mitbringen müssen.

Sie laden Ihre Leser/Innen ein, an der Diskussion „über den Zustand und die Zukunft der Kirche wie des christlichen Gottesglaubens“ zu beteiligen. U.a. wünsche ich mir, dass alle in der Kirche den Zustand des christlichen Gottesglaubens und den damit verbundenen Zustand der katholischen Kirche - ganz wahrhaftig anschauen, ohne Vertuschungen annehmen, Fehlhandlungen, und -entwicklungen zugeben, Trauer und Leid dazu zulassen und ausdrücken, Ängste verlieren und bereit werden, nottuende Veränderungen mit Gottvertrauen angehen.

Ihre Ausführungen unter dem Thema „gläubiges Staunen“ habe ich mit einer Mischung aus Traurigkeit und „endlich schreibt das einmal wer!“ gelesen. Mehrmals. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Sie oft mit ziemlich ähnlichen Gedanken an einem Gottesdienst teilnehmen wie meine Frau und ich.
Sie haben recht – alle von Ihnen genannten Punkte / Themen sind belastet. Die katholische Kirche hat einen sehr großen Nachholbedarf, was die Beantwortung von Fragen betrifft, die im Laufe der Jahrhunderte aufgetaucht sind; es gilt wohl auch, sich von Ansichten offiziell zu verabschieden, die heute einfach nicht mehr haltbar sind – ein einfaches Beispiel: die im (Super!-) Artikel „Todesstrafe und Tradition“ erwähnte Haltung Pius XII zur Erbsündenlehre. Es gibt auch eine Zahl, an der ich in den letzten Tagen immer wieder „hängenbleibe“: die Nummer 2267 des Katechismus. Es entzieht sich zwar meiner Kenntnis, wie viele Nummern der aktuelle Katechismus nun tatsächlich aufweist; aber wenn man bedenkt, dass Jesus die Zehn Gebote ganz bewusst auf zwei reduziert hat, erscheint eine (zumindest?) vierstellige Zahl nummerierter Gebote und Glaubenslehren doch reichlich hoch…
Nach meiner persönlichen Überzeugung bleibt die Kirche in einer erschreckend hohen Anzahl echte = fachlich fundierte Antworten zu vielen Fragen / Themen Haltungen schuldig – ich wage eine sicher nicht vollständige Aufzählung:
1.) Frauenordination: a) grundsätzliche Begründung, auch vor dem Hintergrund der Praxis der Urkirche, b) haben z.B. Geist & Seele des Menschen ein Geschlecht bzw. spezifische Eigenschaften, woraus sich eine Differenzierung rechtfertigen ließe – die Reduzierung lediglich auf primäre Geschlechtsmerkmale greift wohl reichlich kurz?
2.) Auch das Festhalten am – rein kirchenrechtlich fundierten – Zölibat gehört für mich hierher; dieses Kirchengebot ist aus der Hl. Schrift jedenfalls nicht abzuleiten. Es unterscheidet sich auch total vom (dispensierbaren) Keuschheitsgelübde der Ordensleute.
3.) Die Verständlichkeit der Unterschiede zwischen dem evangelischen und dem katholischen Kommunionverständnis ist ein Problem; viele Katholiken glauben diesbez. ohnehin „evangelisch“;
4.) Ökumene – zuerst an Hand eines Beispiels: Ist die von der Deutschen Bischofskonferenz erarbeitete Handreichung über den Kommunionempfang gemischtkonfessioneller Paare das Werk theologischer Laien?
5.) Die Sache mit dem Eheversprechen bzw. der Unauflöslichkeit der Ehe und den Wiederverheirateten nach einer Scheidung ist ein wichtiges Thema! Die extrem unterschiedlichen Positionen, die anl. der Familiensynode offenbar geworden sind, sind ein beredtes Beispiel für den Zugang der Hirten zu ihrer Herde.
6.) Ökumene grundsätzlich: Wo bleibt die Rechtfertigung der Aufrechterhaltung der Kirchentrennung? Für viele Menschen ist die Haltung der einzelnen Konfessionen das vorsätzliche Festhalten an einer sündigen Einstellung.
7.) Sprache der Liturgie: a) Anpassung an unsere Zeit und b) inhaltliche Fragen: a.) z.B. die aktuelle Vaterunser – Diskussion, b.) die Formulierung der Wandlungsworte: Warum erzählend und nicht wie bei anderen Sakramenten gestaltend? c.) die abgehobene, zum Teil alte Sprache der Liturgie u.v.m.
8.) Haltung der Kirche gegenüber Themen, die sie – ohne dies in jedem Einzelfall zu begründen – der Esoterik zuordnet – zwei Beispiele: a.) Astrologie: „Wieso sind die Weisen aus dem Morgenland gestartet – und das mit konkretem Ziel, und: Wussten die mittelalterlichen Kirchenbauer „mehr“ (siehe z.B. „einschlägige“ Darstellungen in Chartres oder in St. Denis, Paris? b.) Reinkarnation: Was kann die Kirche Menschen sagen, die konkrete Rückerinnerungen haben, wie steht sie zu der seit Jahrzehnten praktizierten Reinkarnationstherapie und der recht umfangreichen Literatur dazu? Kann die Frage der Reinkarnation überhaupt ein Glaubensthema sein (als eine die Natur von uns Menschen betreffende Frage müsste das Thema doch ein naturwissenschaftliches sein – Giordano Brunos Ermordung war wohl immer noch umsonst).
9.) Das Thema Tod, der Umgang mit dem Sterben: Die Begräbnisliturgie als eines der wichtigen Alltagsthemen lässt immer wieder Ratlosigkeit zurück.
10.) Ewiges Leben, Auferstehung, Zustand nach dem Tod: Nicht nur die Frage, ob das Grab Jesu nun am Ostermorgen tatsächlich leer war (wie x-fach gebetet / gesungen), sondern auch auf uns alle bezogen, handelt es sich hier um einen Bereich, der die Menschen oft ratlos zurücklässt..
11.) Der Zugang der Kirchenleitung zu uns, dem gläubigen, immer noch treuen Kirchenvolk: Der Vorwurf gegenüber dem Islam, er sei im 7. Jahrhundert „hängen“ geblieben, gilt für unsere Kirche mindestens ebenso: sowohl von der Theologie als auch vom Zugang der Kirchenleitung uns gegenüber. Und diese Einstellung „lebt“ in einigen der oa. Punkte recht vital…
12.) Kirche und Sexualität: Manchmal wäre ich schon froh, so mancher Exponent der Kirche würde den Unterschied zwischen Abtreibung und Empfängnisverhütung kennen! Ganz abgesehen von diversen anderen Leer – pardon: Lehraussagen…
13.) „…Vergib uns unsere Schuld…“: Schismen, Inquisition, … Missbrauchsfälle und der Umgang damit werfen ein dermaßen düsteres Bild auf die Kirche, dass ein „Jahr der Vergebungsbitte“ höchst an der Zeit wäre; dessen ungeachtet beschäftigt die Kirche die Menschheit mit haufenweise innerkirchlichen Streitereien – z.B. (um möglichst aktuell zu sein, die aktuelle „Aktion“ von Carlo Maria Viganò.

Ich habe den spannenden Artikel mehrfach mit Aufmerksamkeit gelesen. In vielem drückt er aus, was ich auch empfinde. Einige Bemerkungen dazu scheinen mir aber auch wichtig.
1. Da sind einmal grobe Verallgemeinerungen und Pauschalierungen, die ich so nicht stehen lassen möchte: „Die Kirchenleitungen wirken nach außen“ oder „die Pfarrer, Pastoral- und Gemeindereferenten geben sich zufrieden..:“ - Ich habe auch das Gegenteil erfahren in meiner über 50-järigen Tätigkeit als Pfarrer: dass Hauptamtliche sich Gedanken gemacht haben, den Tiefgang gesucht und damit Menschen geholfen haben, im Glauben in Gemeinschaft sich beheimatet zu fühlen. Einmal durfte ich erleben, dass ein Vater nach der Erstkommunion der erstgeborenen Tochter bekannte: „Durch die Katechese habe ich wieder zum Glauben gefunden“.
2. Sie mahnen an, „wie in der frühen Kirche die persönliche Ernsthaftigkeit zu prüfen...“ Das ist in der Tat lebenswichtig und treibt mich um, obwohl ich im Ruhestand lebe. Wie kann es gehen, dass Menschen sich von der Frohen Botschaft ergriffen fühlen und zum Nachdenken kommen? Wie kann der Weg dahin aussehen, das Gott „wieder plausibel wird“? Dafür konkrete Anregungen zu erhalten, wäre wünschenswert. Ich denke, der Weg dahin kann nicht erst bei der Tauf- oder Kommunion-Katechese angesetzt werden. Er muss grundsätzlicher angelegt sein - da braucht es auch in der Ausbildung der Hauptamtlichen neue Ansätze und Hilfe.
3. Kann man „Erkenntnischristentum und Entscheidungschristentum“ gegeneinander ausspielen? Die Erkenntnis führt doch zur Entscheidung, die freilich nie ein endgültiges einmaliges Tun ist, sondern immer wider neu vollzogen werden muss.
Leider ist die Sprache in diesem Abschnitt des Artikels sehr 'abgehoben' und dadurch nicht sehr hilfreich.
Um einen inneren Prozess vollziehen zu können, muss ich erst einmal kennen lernen, hören und - ja - staunen, im Herzen bewegen und mich ergreifen lassen.
4. Voll unterstreiche ich die letzten Gedanken: Es braucht „entschieden mehr kirchliche Energie, Veränderungswillen im Personal wie im Volk aus der Tiefe ...“

Ich frage mich, ob mit dem Begriff „Selbstgenügsamkeit“ der Grund und die Problematik für die Kirchenaustritte beschrieben werden kann. Die Krise ist hausgemacht; denn der christliche Glaube hat für mich seine initiatische Ausrichtung, seinen „Taufcharakter“ für den Einzelnen wie für die Welt , den er in ersten fünf Jahrhunderten noch hatte, landauf landab verloren. Er ist im heutigen Christentum nicht mehr in seiner Tiefe verwurzelt. „Initiation“, so sinngemäß Karlfried Graf Dürckheim, öffnet die „Türe zum Geheimnis, in dem wir leben, uns bewegen und sind“. Unsere Konsumgesellschaft beispielsweise „initiiert“ vom ersten Atemzug des Kindes an für ihre materialistischen Ziele weitaus direkter und nachhaltiger als die Kirche.
Blicke ich in den Artikel, so lese ich, dass die „Sakramente: … am allerwenigsten Rituale der Erbauung“ sind. Ich denke mir beim Lesen: Aber geradeso - als Erbauung - geht man mit ihnen um. Sakramente sind doch viel mehr: In ihnen geht es um „Wiedergeburt aus Wasser und Geist“, um Neuwerdung, Ablegen des alten Menschen, um Stärkung für den Lebensweg alleine und in Gemeinschaft, aber doch nicht um Erbauliches im landläufigen Sinn, dem man je nach Geschmäckle, Lust und Laune folgen kann oder nicht. Hätten Christen den Ritus der Osternacht begriffen und sich davon ergreifen lassen, wäre die Krise nicht so brisant.
Ich lese dann die allzu abstrakte Bemerkung: Sakramente sind „Präsentationen des Göttlichen zur Erschütterung der Existenz“. Ich denke mir dabei: Es ist gerade umgekehrt: Erst die Erschütterung, erst das Staunen lernen, erst das Ergriffensein vom Mysterium, dann das Präsent, das Geschenk, dass sich Gott in Christus als „Weg, Wahrheit und Leben“ mitteilt. In der Tat bieten sich die Sakramente heute eher in ihrer „erbaulichen“ Gestalt und als „Präsentationen“ an. Aber damit gibt sich vielleicht das Kindheits-Ich im Menschen zufrieden, jedoch nicht der heutige vielfach desorientierte mündige Mensch, der nach einem neuen Sehen und Gehen, letztlich nach einem neuen Menschsein sucht.
Der Auslöser für solche vielleicht verletzenden Gedanken war meine Teilnahme an der Taufe eines wohl zweijährigen Jungen. Als der Priester ihn taufen wollte, wehrte er ab und rief: „Hau ab“! Das Kind wurde trotzdem getauft. Ich stelle mir vor, dass er am Erstkommuniontag zur Ersten Heiligen Kommunion ging und sich am Firmtag auch firmen ließ, weil es sich die Großeltern so wünschten.
Das kann doch nicht der initiatische Weg sein, den Jesus in Wort und Tat angeboten hat!

Ungläubig staune ich ob der Lethargie der Kirchenverantwortlichen, die dank viel Geld den Untergang verwalten, statt den Übergang zu gestalten. Wenn nebst den Mitgliedern auch die Finanzen einmal markant schrumpfen –und das kommt früher oder später gewiss - wächst dann wohl hoffentlich die Bereitschaft, echte Reformen einzuleiten und z.B. die Rolle der Frauen, der Geschiedenen, der gleichgeschlechtlichen Paare usw. vollwertig zu anerkennen. Alle wertvollen, kirchennahen Organisationen und Institutionen hängen davon ab!

Ich stimme Ihrer Analyse zu und kann dennoch verstehen, dass Menschen dieselbe Situation anders beurteilen. Dass das allgemein Spirituelle, dass auch hier und da in der Kirche abgerufen wird, von Verantwortlichen als Chance gesehen wird, wer kann es ihnen verdenken. Sollte ein Kanzlerkandidat mit geringen Umfragewerten von sich aus sagen, dass er Chancenlos ist? Dann könnte er auch gleich zu Hause bleiben.
Ein nicht genannter Umstand, den unsere Kirche von nahezu allen anderen Ländern unterscheidet, ist ihre immer noch wachsende Finanzkraft. Auf der einen Seite ist das eine Chance, auf der anderen ein schmerzhafter Spagat, bei schwindender Relevanz finanziell zu wachsen. Das ist paradox.
Den Artikel von R. Bingener aus der FAZ kenne ich und stimme ihm zu, bis genau auf die Konsequenzen, die er einfordert. Taufen, Trauungen und Beerdigungen sorgfältiger vorzubereiten klingt gut, aber ich weiß aus Erfahrung, dass genau das vermehrt seit Jahren getan wird, lange nicht immer zur Freude der Taufeltern und Hochzeitspaare. Da einen entscheidenden Schritt, weg von der Servicekirche zu tun, würde wohl eher die Zahlen rapide sinken lassen. Im Übrigen fordern namhafte Pastoraltheologen den großzügigsten Umgang mit diesen Sakramenten, ganz im Geiste Jesu, der auch großzügig mit den Menschen gewesen sei. Halten sie als Pastoralteam mal dem Druck stand, dass in der Nachbargemeinde, spätestens jedoch zwei Gemeinden weiter alles auch mit geringerem Aufwand zu bekommen ist und ´Kirche´ da dann auch den Ruf genießt, menschenfreundlicher zu sein, näher bei den Menschen und bei der Idee Jesu.
Und irgendwo muss natürlich der Hinweis kommen, man solle sich mehr um die Jugend kümmern. Das macht sich immer gut. Ich habe jedoch den Eindruck, das Religion vielleicht noch persönliches Thema für junge Menschen ist (siehe den Religionsmonitor Jugend 2018), nicht jedoch als Gemeinschaft und noch weniger in der Kirche, Ausnahmen bestätigen die Regel. Im Übrigen ist die Jugend gut beraten, sich von den Institutionen fern zu halten, die sie zur Mitarbeit einladen um den eigenen Bestand zu sichern. Ob sie nicht mitbekommen, um wen es da in erster Linie geht?
Ich freue mich über jeden, auch gerade jungen Menschen, der mitmacht. Doch vermissen tue ich letztlich das Mittelalter und die Alten. Wenn in einem vergreisenden Land Kirchen geschlossen werden, dann wohl nicht, weil die Jugend nicht kommt! Wer noch kommt, das sind meist alte Menschen. Aber nicht auszudenken, wenn alle älteren und alten Menschen kämen! Wir hätten zu wenig Kirchen! Ein besseres Zeichen könnte die alte Generation der jungen nicht geben und betende (Groß-)Eltern sind überzeugender als jede noch so gute Predigt, was natürlich keine Entschuldigung für eine schlechte sein darf!
Noch einmal herzlichen Dank, auch für die theologisch fundierten Analysen, denen ich nur zu sehr zustimme.

Zwei kleine Punkte zu Anfang und Ende Ihres Artikels reizen mich zum Widerspruch:
1. Unterlassen es unsere Hirten, zu dem Mitgliederschwund uns Gläubigen ein Wort zu sagen?
Am vorvergangenen Sonntag ging der indische Pater, der bei uns hier Dienst tut, in der Predigt sehr wohl auf den rapiden Mitgliederschwund ein. Dazu war für ihn die Homilie des Sonntagsevangeliums (Joh.6, 60-69) eine willkommene Gelegenheit: “Von da an verließen ihn viele von den Jüngern und begleiteten ihn nicht mehr.“
Gewiss sind die Motive der Jünger verschieden von denen der Menschen heute, die der Kirche den Rücken kehren.
Aber wir dürfen zur Kenntnis nehmen, dass „das Weggehen“ zur Wirklichkeit des Menschen gehört, schon seit den Anfängen der „Sache Jesu“
2. Sie fordern Veränderungswillen in Europa, damit es wieder zu einem „gläubigen Staunen“ kommt
Dass dieses gläubige Staunen wieder von uns Besitz ergreift, mag auch von unserer Anstrengung abhängen. Im Wesentlichen aber, denke ich, muss es uns geschenkt werden. Wir können durch Stillwerden versuchen, gute Voraussetzungen für dieses Geschenk und einen neuen Aufbruch des Glaubens in Europa zu schaffen.

Einen Punkt aus dem Artikel "Gläubiges Staunen" möchte ich herausnehmen, der auch in anderen wohlgemeinten Analysen zur Situation der Kirchen immer wieder auftaucht: der Vorwurf des "Wortgeklimpers" in der Verkündigung, namentlich in der Liturgie. Es ist dies eine recht simple Schuldzuweisung: die da das Sagen haben, reden in einer Sprache, die nur noch sie selbst und ihresgleichen verstehen. Mag ja in vielen Fällen so sein. Dazu eine Frage und eine Bitte: Kann es sein, dass man an einer gewissen Binnensprache nicht vorbeikommt, weil das Geheimnis des Glaubens nicht eins zu eins in Alltagssprache umzumünzen ist? In anderen Kontexten wie der Computerwelt ist es gang und gäbe, dass dem "Markteilnehmer" zugemutet wird, sich mit den manchmal abstrus daher kommenden englisch klingenden Codes vertraut zu machen. Warum nicht auch eine gewisse Lernbereitschaft derer einkalkulieren, die sich in der christlichen Welt einfinden wollen?
Und dann wünsche ich mir, dass all die Kritiker, die mit besten Argumenten das Unverständliche in der Verkündigungssprache belegen und denen ich weitestgehend zustimme, mit konstruktiven Vorschlägen herauskommen. Veröffentlichungen in diesem Sinne sind dünn gesät, anders noch als unmittelbar nach dem Konzil. Ich bin sicher nicht der einzige, der praxistaugliche Anregungen dankbar in seine eigene oft mühevolle Übersetzungsarbeit aufnimmt!

Ein Kommentar darf die Dinge gern beim Namen nennen und auch überspitzen. Ihre Formulierung "Die Pfarrer, Pastoral- und GemeindereferentInnen geben sich zufrieden..." - da fühle ich mich als Pastoralreferent angegriffen. Ich zumindest habe den Kirchenschwund schon öfters in der Predigt aufgegriffen, mahne bei all den Strukturdebatten immer wieder an, den Kern des Glaubens nicht zu vergessen und versuche zeitgemäß die Lebenswelt der Menschen in den Gottesdiensten zur Sprache zu bringen.
Nein, ich finde mich nicht damit ab, dass so viele austreten. Und ich weiß, dass ich mit dieser Haltung nicht alleine bin. Also: nicht nur pauschalisieren, sondern mit denen ins Gespräch kommen, die es auch anders wollen.

ich sehe Ihren Artikel über den Glaubensschwund nicht so dramatisch (wie er vielleicht dennoch ist). Es gibt fürchterlicherweise Skandale, die die Glaubwürdigkeit der Kirchen schwächen, das darf nicht beschönigt werden und schadet der Ernsthaftigkeit der Christusnachfolge ungemein. Mit Prof. Paul Zulehner bin ich jedoch auch der Meinung, dass sich unsere Kirchen im Wandel befinden, dass wir uns von der Schicksalskirche tatsächlich zur Wahlkirche verändern, dass die Volkskirchenmodelle mit ihren hohlen und aktivistischen Pfarrstrukturen langsam ausdienen. Ich denke, dass wir Christen uns wieder reformieren müssen nach dem Motto: ecclesia semper reformanda.
Das bedeutet für mich eine ganz starke Orientierung an Jesus Christus, an der Heiligen Schrift, an den Weltgeschehnissen, eine Hinwendung der Theologie zu deren Bezugswissenschaften (Psychologie, Naturwissenschaft), eine Neuentdeckung christlicher Frömmigkeit aus der Kraft des Gebetes und des lebendigen Gottesdienstes, ein überzeugendes politisches Engagement, eine lebendige Christengemeinde vor Ort, eine gelebte Ökumene und Interreligiösität, ein soziales Engagement und eine Vereinfachung und Reduzierung auf das Wesentliche.

Ihre Beschreibung vom Verfall des Christentums ist hoffnungslos zutreffend. Einige Ihrer bitter formulierten Sätze lassen erkennen, wie sehr solches Sie persönlich schmerzt. Lösungsansätze zur Besserung sind ausgeschlossen, auch Sie vermögen keinen aufzuzeigen. "Das Seil - es riss!", klagen die Nornen in Wagners "Götterdämmerung" vor Beginn der eigentlichen Handlung, dem Untergange Wotans samt Sippschaft. Nicht anders verhält es sich im gegenwärtigen Untergangsdrama des Christentums althergebrachter Form. Die Weitergabe einer für Nichtgläubige absurden Geschichte über die Jahrtausende von Kirche und Eltern auf ihre Kinder, dass ein von einer Jungfrau Geborener und am Ende Hingerichteter nach drei Tagen seinem Grabe entstiegen sei, und seine Lehre von der Umkehr aller menschlichen Werteskala zur Weltreligion wurde, - dieses als Glaube der Christen aller Zeiten und Zonen verbindende Seil, zerriss nun. Ein berühmter Dirigent sagte mir solches vor Jahren nächtens nach einer "Götterdämmerung"-Aufführung. Er selbst wollte gerne glauben, konnte es aber nicht. Im Gegensatz zu mir aufgewachsen in einem atheistischen Umfeld, hätten ihm seine Eltern und Erzieher die biblischen Geschichten nicht nahe gebracht. Als Kind könne man solches wie selbstverständlich akzeptieren. Das spätere Hinterfragen dieser Lehre als Erwachsener würde es leichter, wenn nicht überhaupt erst möglich machen, diesen Glauben dann bewusst für sich zu entwickeln. Schlussfolgerung ist, dass der Riss dieses verbindenden Seiles, die Weitergabe von Jesu Lehre über die Generationen hinweg, Grund des Untergangs im Glauben unseres Abendlandes christlicher Prägung ist. Daran führt kein Weg mehr vorbei und muss jetzt wohl sein. Mittlerweile wächst schon eine zweite, gar dritte Generation de facto nicht mehr christlich auf, weiß wenig nur noch bis nichts mehr von christlicher Lehre, die somit einfach verdunstet. Gott handelt nicht auf dieser Welt. Er wird auch hier nicht eingreifen. Gottes Gnade aber wird bewirken, dass neue Menschen aufstehen werden, die dennoch das Christentum erneuern und fortentwickeln werden, trotz kompletten Versagens darin der Kirchenführer seit Jahrzehnten. Keine Ahnung, wann und wie solches geschehen wird. Wir Heutigen können nur versuchen, die Flamme nicht ganz erlöschen zu lassen und weiter Zeugnis dafür ablegen, im Vertrauen auf Gott, der uns unverdient mit der Gnade beschenkte, glauben zu dürfen.

Es ist ein soziologisches Faktum, dass es einen Abbruch in der Glaubenstradition gibt. Und man kann verschiedene Gründe dafür in Anschlag bringen, die allerdings alle nur eine Teilerklärung für diesen Befund liefern, denn diesem allen liegt eine grundlegende Individualisierung zugrunde. Das Individuum fühlt sich aber nur angesprochen, wenn dies in einer Sprache erfolgt, die berührt, die das Alte neu sagt. Dieser zutiefst hermeneutische Prozess ist aber nur in einer Sprache zu leisten, die sich transformierend versteht, die betroffen macht. Die kirchliche Sprachform selbst aber ist eine, die man nur dann verstehen kann, wenn man die dogmatische und theologiegeschichtlichen Hintergründe präsent hat. Das Apostolicum selbst ist dafür ein klassischer Beleg, Selbst die Vater-Unser-Bitten sind sperrig, erschließen sich nicht von selbst. Über das in der Messe übliche Bittgebet kann man sich nur wundern, welche absurden Konstruktionen hier einem aufgeklärten Zeitgenossen zugemutet werden.
Dem allen liegt ein Gottesbild zugrunde, das mit metaphysischen Begriffen hantiert, die heute kein Mensch mehr verstehen kann, es betrifft ihn nicht. Weil diese Kernarbeit nicht geleistet wird, weil sie eben anspruchsvoll ist, zieht man sich auf das Spirituelle zurück und vermittelt ein Zeitgefühl des Sich Wohl-Fühlens. Das Sperrige des Gottesbegriffs, das Abgründige in Gott, die Frage an Gott, der Aufschrei gegen das Elend, werden minimiert. Dabei mutiert der Glaube selbst oft zu einem Wissen, das er aber nie sein kann. Wenn man die Spannung zwischen Wissen und Glauben, die eine existentielle Spannung sein muss, auflöst in eine wie immer geartete Glaubensgewissheit, die aber nur eine vorläufige sein kann, dann unterminiert man die Vernunft des Glaubens.

Leider sind manche Gesichtspunkte des Artikels inakzeptable Verkürzungen, die nicht weiterführen: „Die Pfarrer, Pastoral- und GemeindereferentInnen geben sich zufrieden, denn es zeige sich trotzdem noch von Fall zu Fall eine tiefgründige Sehnsucht nach mehr, auf die man aufbauen könne. Im Übrigen sei es gar nicht so schlimm, wenn die Leute nach Gutdünken allenfalls selten oder gar nicht mehr zum Gottesdienst kommen….“ Eine solch pauschal unterstellte Ignoranz, die noch um etliche weitere Schablonen angereichert ist, wird dem kirchlich hauptamtlichen Personal weder gerecht noch führt sie eine sachliche Diskussion weiter. Dennoch: Der Artikel ist lesenswert, weil er Hinweise gibt, wo der Schuh drückt, wo Inkonsistenz kirchliches Handeln in schiefes Licht bringt, wo Spagate und Balanceakte durchgeführt werden, die doch nicht recht helfen, Licht der Welt und Salz der Erde zu sein. –
Discretio, Unterscheidung der Geister, scheint mir mehr als wichtig zu sein. Einerseits dürfen wir nicht der Versuchung erliegen, allen Rückgang der Kirchenzugehörigkeit und des Gottesdienstbesuchs der Kirche und ihrer Verkündigung in die Schuhe zu schieben. Es gibt einen Zeitgeist, der eben auch „seine Zeit hat“ (Koh 3). Und gleichzeitig dürfen wir nicht der Versuchung erliegen, alles auf den Zeitgeist abzuschieben, als hätten wir keine Verantwortung. Handeln, als hinge alles von uns ab, und Vertrauen, als hinge alles von Gott ab, mag da eine wichtige Grundhaltung sein.
In der Tat erlebe ich, dass es „selbstgemachte“ Rückzüge der Pastoral gibt, bei denen man sich nicht wundern muss, wenn Säkulares dann dieses Vakuum besetzt. Ich denke an das Requiem. Viele Pfarrer bieten das Requiem nicht mehr an. Auf Nachfrage wird begründet: Was sollen wir ein Requiem halten, wo doch die Trauergemeinde nicht einmal weiß, was sie auf das „Der Herr sei mit euch!“ antworten soll und schweigt. Die Meßintention sei in den Sonntagsgottesdienst, der ja für alle Lebenden und Verstorbenen sei, „eingeschlossen“. Manche Pfarrer bieten ein monatliches Requiem für die im betreffenden Monat Verstorbenen an (wo allerdings die konkrete Trauergemeinde des konkret Verstorbenen ja in alle Winde zerstreut ist). Fragt man sich also als Christ, woran dieser Rückzug dieses wichtigen pastoralen Angebotes liegt, dann trifft man als letztes Argument auf die Frustration der Pfarrer. Dieser Frust ist mehr als verständlich und begreiflich; der Umgang damit allerdings nicht. Meines Erachtens handelt es sich um ein schweres und unverantwortliches Versäumnis. Dieses Beispiel ist aber symptomatisch für Vieles. Die eine wichtige Frage, die sich stellt, ist: Welche Hilfen zum sachgerechten Umgang mit Frustration nehmen die Pfarrer in Anspruch und was wird an solchen Hilfen ihnen auch zugemutet. Man hat den Eindruck, dass die Kirchenleitungen, weil sie die immer weniger werdenden Pfarrer nicht vergraulen wollen, an Stellen schonen zu müssen meinen, wo es gerade hilfreich wäre, eine Zumutung abzuverlangen. Ich denke an Supervisionen, an lebenslanges Coaching und fachliche Begleitung (Beurteilung der Predigten durch liebevolle, aber fachlich deutliche correctio fraterna durch Homiletiker), an Exerzitien. All das wird zwar in den diversen Fortbildungsprogrammen für Priester angeboten, bleibt aber dem freiwilligen Entscheid des einzelnen überlassen. Da aber frustrierte und überforderte Priester eine ganze Gemeinde angehen (s. Verweigerung von Requien), kann – auch zum Wohle des einzelnen Pfarrers – solche Inanspruchnahme wichtiger Hilfen nicht dem einzelnen überlassen bleiben. In keinem Unternehmen bleibt es den Mitarbeitern überlassen, ob sie essentielle Fortbildungsmaßnahmen, die auch der Arbeitshygiene dienen, in Anspruch nehmen wollen („die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder des Lichts ...“ Lk 16,8). Aber dieses Beispiel der in dieses Vakuum pastoraler Angebote eingesprungenen Beerdigungsinstitute zeigt uns noch ein Weiteres: Im Gegensatz zur kirchlichen Verkündigung, die nicht nur vom Menschen, sondern eben auch von Gott spricht (Gott sei Dank!) sprechen die säkularen Beerdigungsrituale vom Menschen – und nur von ihm. Da dürfen während des Trauerrituals die Särge mit persönlichen Worten beschriftet werden (gern auch mit einem Symbol, das dazugemalt werden darf), da werden die Lieblingslieder des Verstorbenen gesungen (seit Lady Dianas Begräbnis immer wieder gern „Candle in the Wind“ von Elton John) etc. Vielen Menschen scheint das zu gefallen; die Bestattungsinstitute bekommen viel Lob. Viele Pfarrer scheinen sich mit dieser „Konkurrenz“ erst gar nicht messen zu wollen. Aber all das ist zu kurz gedacht. Es gibt auch eine andere Erfahrung. Jürgen Habermas spricht davon (s. Habermas, Jürgen (2008): Ein Bewusstsein von dem, was fehlt, in: Reder Michael/Schmidt Josef (2008): Ein Bewusstsein von dem, was fehlt, Frankfurt/M., 26-36). Er war auf der Totenfeier von Max Frisch: Kein Priester, kein Segen. Max Frisch muss – als er dafür selbst noch organisierte, dass die Feier in der Stiftskirche St. Peter in Zürich stattfinden sollte - die Peinlichkeit nichtreligiöser Bestattungsformen empfunden haben, und hat so „wenigstens“ noch einen kirchlichen Ort gewählt. Für Habermas war das ungenügend. Er folgert: Die aufgeklärte Moderne hat kein angemessenes Äquivalent für eine religiöse Bewältigung des Letzten der Lebensgeschichte. Diese Veranstaltung sagt etwas über die säkulare Vernunft. – Also gehört auch dieser Gedanke und diese Erfahrung hinein in die Überlegungen über den Zustand und die Zukunft der Kirche wie des christlichen Gottesglaubens: Die Überzeugung, dass die Kirche der Welt etwas zu geben hat! Ein Vertrauen in das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat und das Wort, dass alles seine Zeit habe, die des Säens und die des Erntens; selbst wenn die Gemeinde auf das „Der Herr sei mit euch“ stumm bleibt. Diesen Frust zu bewältigen kann man lernen; muss man lernen. Die Chance verstreichen zu lassen, beim Tod eines Katholiken die Feier von Tod und Auferstehung zu feiern, und einer überschaubaren Trauergemeinde etwas von dem zu sagen und zu feiern, was mehr ist als das, wovon Jesus sagt: „All das tun auch die Heiden“ (Mt 6,32), ist unverantwortlich. Das genannte Beispiel des häufig nicht mehr angebotenen Requiems wird noch dadurch getoppt, dass die so handelnden Pfarrer auf die Frage, was sie denn für ihren eigenen Tod wünschen, wie selbstverständlich antworten: „Ein Requiem“. Da mag man an das Einmaleins kindlicher Erziehung denken: Was du nicht willst, das man dir tut… Man kann aber auch an Ez 34,2 denken. – Dieses Beispiel des vielerorts nicht mehr gefeierten und gar nicht angebotenen Requiems will in keiner Weise insinuieren, dass dies das einzige und größte Problem der Kirche ist (dazu würde besonders gehören, dass seit Jahrzehnten eine schlichte Wahrheit ignoriert wird, die Karl Rahner so formulierte: Es gibt nicht nur in der Orthodoxie eine Hierarchie der Wahrheiten, sondern auch in der Orthopraxie; hierzu zählt, dass es von der Heilssorge der Kirche her eine deutliche Priorität hat, am Sonntag die Eucharistie in ihrer Vollständigkeit zu feiern. Dahinter hat jene, welche Zulassungsbedingungen diejenigen zu erfüllen haben, die der Feier vorstehen, zurückzustehen); das genannte Beispiel will auch gar nicht sagen, dass dort, wo das Requiem noch angeboten wird, Statistiken über Kirchenzugehörigkeit und Gottesdienstbesuch anders sind. Es will aber zeigen, dass es sowohl etwas mit dem Zustand der Hirten zu tun hat, die die Herde weiden sollen, als auch mit dem Zustand der Welt, die längst ihre eigenen Wege geht; und nicht zuletzt, dass die anvertraute Herde manchmal geradewegs in die Fänge der Welt getrieben werden, die die Schafe allerdings nicht auf die Arme nimmt und heimträgt. Der Welt etwas anzubieten, was sie sich nicht selbst geben kann, ist aber gerade Sendung der Kirche und ihrer Hirten.

Seit über fünfzig Jahren bin ich Gemeindepriester und Schulseelsorger. Immer wieder habe ich um die Entscheidung gerungen, dem heutigen unchristlichen System der Kirche den Rücken zu kehren – und bin geblieben. Aber es war nicht einfach, als „Nestbeschmutzer“ innerhalb einer rückwärtsgewandten „verholzten“ Institution dem Gottesvolk, näherhin der Gemeinde vom Evangelium her Mut zur Erneuerung zu vermitteln. Meine heutige Bilanz: Diese Form der Kirche wird, ja muss zusammenbrechen, ersticken an der eigenen Unglaubwürdigkeit. Ob der Versuch von Betonköpfen im Vatikan, Papst Franziskus zur Strecke zu bringen, die letzte Runde der Hierarchie einläutet?
Ich kann mir vorstellen, dass das Gotteswort der Hl. Schrift – befreit vom zeitbedingten „Menschenwort“ – neu verinnerlicht und verbreitet wird, auch aus der Not einer digital entfremdeten Gesellschaft heraus. So haben mich z. B. drei Bibelworte auf den „neuen Weg“ geführt:
1. „Die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Angesprochen sind damit „die Jünger“, heute wohl alle (auch sogenannte Atheisten), die als Liebende aus verantworteter Freiheit heraus Welt und Menschen zugewandt sind. Ich selbst habe durch dieses Leitwort den Mut gefunden, in mich hineinzuhorchen, mit meinen Grenzen ehrlicher umzugehen und zu aufrecht-aufrichtiger Haltung zu finden. Ich kann mir vorstellen, dass viele Zeitgenossen nicht nur destruktive Fake-News satt haben, sondern auch die eigene Neigung, sich selbst möglichst viel „in die eigene Tasche zu lügen“, um vor sich und anderen in besserem Licht zu erscheinen. Konsequente Suche nach innerem Gleichgewicht, innerer Wahrheit und Frieden sollte auch den Weg öffnen zu dem, der nicht nur wahrhaftig ist, vielmehr „die Wahrheit und das Leben“.
2. „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“ (Lk 1,78f).
Finsternis und Schatten des Todes, das gilt für die große Mehrheit der Weltbevölkerung und – was den Tod als Lebensschicksal betrifft – für alle. Insofern sind wir ohne Ausnahme „arme kleine Würstchen …“ (Reinhard Mey). Andererseits ist in jedem mehr oder weniger die Sehnsucht nach Licht und Leben, nach Frieden und Glück verankert. Hier ist für mich und für viele der Ansatzpunkt persönlicher Berufung: das Licht zu entdecken im eigenen Leben und weiterzugeben. Das ist meine Erfahrung, die ich mit vielen teile, dass es dieses Lichtband gibt, das trotz bedrohlichen „Fliehkräften“ unsere Welt zusammenhält. „Gläubiges Staunen“ über das Licht, das sich in „burning persons“ widerspiegelt, über die Licht- und Kraftquelle, die sich in ihnen ahnen lässt.
3. „Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern Mitarbeiter eurer Freude“. So Paulus an die Gemeinde von Korinth (2 Kor 1,24). Da prallen Welten aufeinander, die der menschlichen Selbstherrlichkeit, der Unterwerfungsstrukuren, des Machtmissbrauchs, bis tief hinein in Religionen und Kirchen – und die Welt dienender Liebe, geschwisterlicher Gemeinschaft. Letztere habe ich dankbar und beglückt immer wieder in Einzelnen erlebt, vor allem aber in der geistlichen Gemeinschaft des Cursillo. Da haben einander völlig unbekannte Erwachsene, jeder „mit seinem Päckchen zu tragen“, in wenigen Tagen zueinander gefunden – Priester und „Laien“ auf Augenhöhe. Viel Verschüttetes ist dabei ans Tageslicht gekommen, da begannen aber auch im Gespräch, im gemeinsamen Schweigen, Beten, Singen und Feiern die Konturen der Kirche Jesu Christi sich abzuzeichnen.
Nach langen Jahren im Dienst des Evangeliums kann ich nur staunend feststellen: Die menschlichen Sehnsüchte nach herzlichem Vertrauen, Zuwendung, Anerkennung, Geborgenheit, nach Leben in Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Frieden sind lebendig wie eh und je, obwohl die Konsumgesellschaft marktschreierisch eher die herangezüchteten Süchte bedient. Ob unsere Kirchen endlich aufwachen, um die existenziellen Sehnsüchte und Nöte von Jesus Christus her wahrzunehmen und in seinem Sinn sich „von unten“ individuell und sozial therapeutisch zu engagieren? Dann dürfte auch der Zugang zu Gott nicht länger verstellt sein, der sich selbst nicht nur als Hirte und barmherziger Vater offenbart, sondern auch von sich sagt: „Ich, der Herr, bin dein Arzt.“ (Ex 15,26, vgl. Mk 1,32f u.ö.)

Wie vieler Anstöße bedarf es noch, bis die Repräsentanten der christlichen Kirchen (vornehmlich der röm.-kath. Kirche) endlich aufwachen und erkennen, was die Stunde geschlagen hat? Der christliche Glaube erodiert, besonders in der sogenannten westlichen Welt. Diesen Prozess gilt es zu stoppen, und zwar jetzt, heute - nicht erst morgen oder übermorgen, dann könnte es nämlich zu spät sein. Es ist fünf vor zwölf. Die Verantwortlichen dürfen/sollten keine Zeit mehr verlieren. Viele namhafte Theologinnen und Theologen, die nicht dem Klerus angehören, haben immer wieder gangbare Wege aufgezeigt und Anregungen gegeben: "Wie sich der christlichen Glaube erneuern kann". Doch wer greift diese (Reform-)Vorschläge auf? Wer setzt sie um? - Die Türen der Amtskirche(n) scheinen aus Stahlbeton zu sein, die schalldicht und von innen verriegelt sind - da geht nichts durch. Wann werden diese Türen geöffnet?

Die Kirche ist nicht reformierbar, sie wird, wie Rupert Lay es voraussieht, als Ghetto-Kirche enden und als solche durchaus noch für einige Zeit Bestand haben, jedoch ohne Belang für die meisten Menschen sein. Die Päpste Wojtyla und Ratzinger haben durchaus ihren Anteil an der prekären Situation.
„Aus der europäischen Idee ist die Verwaltung geworden, und jetzt denken die Menschen, dass die Verwaltung die Idee ist“. So wird Wim Wenders in Spiegel 5/2017 zitiert. In analoger Weise gilt: Aus der Botschaft und der Vision Jesu ist der Kirchenapparat geworden, und nun denken die Menschen, dass der Kirchenapparat die Botschaft ist.
Jesus hat in der Einheit mit Gott, den er seinen Vater nannte, gelebt. Wesentliche Elemente seiner Botschaft waren: Metanoeite, das Himmelreich ist nahe, es ist schon da, es ist in euch. Die Kirche nimmt das im Grunde nicht ernst. Sie hat ein starres System von Glaubensvorschriften konstruiert, das kaum noch etwas mit der Botschaft Jesu zu tun hat. Im Gegenteil: Die „reine Lehre“ ist ihr wichtiger als das gelebte Leben.
Jesus konnte heilen. Seine Freunde und Anhänger auch. Wann ist diese Gabe abhanden gekommen? Die heutigen Kirchenfürsten besitzen sie jedenfalls nicht mehr.
Hinzu kommt ein verdinglicht-magisches Amts- und Sakramentenverständnis. Leonardo Boff sagt demgegenüber: „Sakrament ist alles, sofern es von Gott her und in seinem Licht gesehen wird: Welt, Menschen und jedes Ding können Zeichen und Symbol des Transzendenten sein.“
Die Predigten und sonstigen Verlautbarungen vieler kirchlicher Amts- und Würdenträger sind oft leer und steril. Die Verkünder haben nichts zu sagen, weil sie das, wovon sie künden sollen, nicht selbst erfahren haben. Wer in den kirchlichen Dienst treten will, sollte vorher eine vertiefte spirituelle Ausbildung durchlaufen, müsste ernsthaft Meditation oder Kontemplation üben und sich von einem wirklichen Meister auf den Weg zur Seinserfahrung, zu einer persönlichen Gotteserfahrung führen lassen. Wenn er dann Fachtheologie studieren will, soll er es tun, wenn er dann zölibatär leben will, ebenfalls. Andernfalls jedoch nicht.


Die Kirche muss endlich aufhören, anders zu handeln als sie redet:
- Sie predigt Einheit, beharrt aber auf Spaltung.
- Sie spricht von Gemeinschaft und exkommuniziert.
- Sie redet von Liebe und erzeugt Angst.
- Sie predigt Barmherzigkeit, ist jedoch als Administration selbst höchst unbarmherzig.
Die Kirche verkündet nach wie vor ein überholtes Gottesbild, nämlich einen von uns getrennten Gott. Sie ist nach wie vor nicht in der Lage oder nicht willens, die Menschen zu einem mündigen Glauben zu führen. Stattdessen werden Katechismusweisheiten reproduziert und als Wahrheiten verkündet.
Besser als Karlheinz Deschner kann man es kaum formulieren: „Was würde Jesus, dem es um das ‚eine Notwendige‘ ging, zu diesem pompösen Kirchenapparat sagen, zu dieser Hierarchie und Etikette, diesen Ämtern, Titeln, Audienzen, diesen Handküssen und Fußfällen, Liturgien und Sakramenten, Feiertagen und Fastenvorschriften? Was dächte Jesus von der katholischen Moraltheologie, die genau die gleichen Haarspaltereien treibt wie die pharisäisch-rabbinische Moral seiner Zeit?“ [in „Abermals krähte der Hahn“, S. 295]

Mich begleitet ein Nebensatz im Johannesevangelium. Hellenisten aus dem hellenisierten Städtchen Bethsaida, weit weg von Jerusalem, fragen ihren Mitbürger Philippus (dem Namen nach ein hellenisierter Jude): „Wir möchten Jesus sehen.“ Auch meine zahlreichen atheistischen Freunde wollen „Jesus sehen“.
Ein russischer Professor für Quantenfeldtheorie, der sich als „wissenschaftlicher Atheist“ bezeichnet, sagte mir beiläufig: „Solltest du deinen Glauben verlieren, wäre das für mich ein Verlust und es würde unsere Beziehung verändern.“ Er besucht, wenn wir zusammen sind, mit mir auch die Messfeier und es erstaunt mich, welch feines Gespür er für spirituelle Tiefe in der Liturgie er hat. Während er von einem sehr einfachen Gottesdienst in einer Dorfkirche angetan war, störte ihn den Sonntag darauf der durchgestylte und musikalisch hochwertige Gottesdienst in einer Wallfahrtskirche – und das als Musikliebhaber und Gatte einer Pianistin.
Ein Neffe des albanischen Staatsgründers Enver Hoxha, Atheist wie der Onkel, hält das Evangelium zwar nicht für das Wort „Gottes“, aber als schwerlich überbietbare Lehre des Menschen Jesus von Nazareth. Mich erstaunt immer wieder, wie begierig er Anleitungen aufnimmt, diese Worte in sein konkretes persönliches und gesellschaftliches umzusetzen.
Ähnlich ergeht es meinem italienischen Architektenkollegen. Er hat lebendiges Interesse am Christentum und ich getraue mir zu sagen, das Evangelium ist – zumindest in seiner Lesart – Richtschnur für sein Leben. In gewisser Weise nimmt er sogar am kirchlichen Leben teil, weil er ohne Vorbehalte in eine lokale Christengruppe integriert ist. Doch dann traf ihn ein Blitz aus heiterem Himmel. Als das von ihm umgebaute Stadttheater eingeweiht wurde, stellte er sich dem Bischof als „nichtglaubender Christ“ vor. Der Bischof wies dies schroff als „contradictio in terminis“ zurück. Wir hatten dann Gesprächsstoff für zwei Jahre und es ist daraus ein Aufsatz für eine Kulturzeitschrift entstanden.
Unvergessen bleibt auch ein ausführliches Essen mit einem Toningenieur eines französischen Fernsehsenders im „Ciel de Paris“, auf Augenhöhe mit dem Eiffelturm. Ihn beschäftigte die Frage, wie weit er als Atheist sich mit dem gekreuzigten Jesus identifizieren dürfe und was das – je nach Antwort – für das Verhältnis der Christen zu ihm bedeuten könnte.
Und wie ich von Atheisten meinen Glauben lernen kann, über den sie mich ausfragen, hat mir unversehens ein Wiener Verlagsleiter beigebracht. „Was sollen denn so abstruse Spekulationen, ob Gott nun ein- oder dreifaltig ist, wenn man doch nicht einmal eine plausible Erklärung seiner Existenz zu formulieren imstande ist.“ Nach einer heilsamen Schrecksekunde kam mir als Antwort: „Es ist eine Frage der Liebe. Wenn ich jemanden liebe, möchte ich alles von ihm wissen.“ Das ließ er gelten.
Ich stehe nicht an zu sagen, dass es gerade Atheisten waren, die meinen christlichen Glauben in eine neue Tiefe geführt haben und noch immer führen.
Zurück zur Frage der Hellenisten an Philippus: Wo können diese Leute „Jesus sehen“? Im Wort Gottes begegnen sie ihm offensichtlich nicht, solange es gedruckt im Regal steht oder als „Wortgeklimper“ die Zuhörer anstaubt. Im Altarsakrament offensichtlich auch nicht, solange es keine Wirkung außerhalb kirchlicher Räume entfaltet. Schon gar nicht durch verstärkten Ritualismus, einerlei ob konservativ oder progressiv. Ich setze die Liste nicht fort.
Ich vermute, es kommt auf eine lebendige, verortete Koinonia an, die sich nicht in Strukturfragen oder in der Kombination von Sonntagsmesse plus Pfarrcafé erschöpft. Ich bin wie Sie skeptisch, ob die Lösung im Entscheidungschristentum liegt. Jedenfalls muss zuvor das Erfahrungschristentum kommen, d.h. dass wir den heutigen „Hellenisten“ die Begegnung mit Jesus ermöglichen.

Anfang der 1990er Jahre wurde ich beruflich vom Rhein nach Sachsen-Anhalt in eine bekannte Stadt an der Saale versetzt. Ich kannte dort niemanden, war zu der Zeit alleinstehend und kam mir vor wie der einsamste Mensch in der Welt. Auf der Suche nach Anschluss besuchte ich an einem Sonntag den Gottesdienst einer evangelischen Brüdergemeinde. Nach dem Gottesdienst lud mich ein älteres Ehepaar aus der Gemeinde zu sich nach Hause ein. Daraus ergab sich mit der Zeit ein freundschaftlicher Kontakt. Ich ging jetzt öfter in die Gemeinde. Einmal war ein Gastpastor da. In seiner Predigt sprach er davon, dass der Mensch durch die Sünde von Gott getrennt ist, dass Jesus aber jedem seine Sünde abnehmen und ihn mit Gott versöhnen kann, wenn er nur darum gebeten wird. Dann sagte er, sich direkt an die Gemeinde wendend: „Wenn hier im Raum jemand ist, der möchte, dass Jesus ihm seine Sünden abnimmt, der möge jetzt aufstehen“. Mir lief es heiß und kalt über den Rücken, in dem Augenblick wusste ich, dass ich gemeint war. Ich hatte die Wahl, ich konnte sitzen bleiben oder aufstehen. Ich stand auf. Das war eine Entscheidung, die ich bis heute nicht einen Tag bereut habe.

Bei Exerzitien für CAJ-Kapläne von Abbe Mossand (dem damaligen Seelsorger für Atheisten und Künstler in Paris) im Sommer 1962 wies er uns auf die "Revision de vie" hin, die das gegenwärtige Leben in den Horizont Gottes stellt. Ich halte diese Übung für die Kirchenbildung nach wie vor für hilfreich und notwendig.

Vielen Dank, dass Sie die Diskussion über den Zustand und die Zukunft der Kirche angestoßen haben. In dem aus meiner Sicht sehr informativen Artikel „Gläubiges Staunen“ fehlt ein wichtiger Punkt: Bei einer Diskussion mit vier afrikanischen Flüchtlingen (Muslime und Christen) über die Frage „Kann ich Gott erfahren?“ kam bei allen vieren ein spontanes und ganz überzeugtes „Ja“. Sie spüren jeden Tag, dass Gott ihnen bei ihrem beschwerlichen Leben hilft und auf diese Hilfe vertrauen sie fest. Es ist deutlich mehr als nur ein „gläubiges Staunen“. Für uns Deutsche ist es sehr schwer Gott, zu erfahren. Wir werden hin und her gerissen zwischen dem Glauben an einen Gott, der die von ihm erlassenen Gesetze (Naturgesetze) selbst laufend verletzt und einem Gott, der wie ein Uhrmacher die Welt erschaffen hat und dann dem Lauf der Dinge nur noch zusieht. Beide Vorstellungen sind unbefriedigend. Die nach einer Lösung Suchenden werden von der Kirche allein gelassen. Die meisten geben auf und leben eine Spiritualität ohne Gott, den sie bisher nicht erfahren haben. Der Schritt vom Staunen zur Gotteserfahrung gelingt nicht mehr.

Mehr Jesus - weniger Kirche wäre nötig.
Offensichtlich gibt es in der katholischen Kirche eine Angst, den Namen "Jesus" zu nennen. Daher gibt es auch nicht die Vollmacht in der Verkündigung und die Kraft zu bekräftigenden Zeichen (Mk 16, 17.20). Jesus im Mittelpunkt unserer Zusammenkünfte - das wäre wieder attraktiv.

Wir sollten unsere Jenseits-Vorstellungen revidieren. Weder mit Reich Gottes noch mit Himmel - in den verschiedenen griechischen Formulierungen - sondern mit unserem vielfältigen Versöhnungsprozess hier und jetzt als Baustein unserer Auferstehung in die Ewigkeit.

Zweitens sollten wir die Bibel nicht mehr Obrigkeitlich interpretieren. Jesus hat keine Vollmachten verteilt. Er hat zur Versöhnung aufgerufen, wenn er sagt: Wem ihr die Sünden vergebet, dem sind sie vergeben. Das ist gemeint mit seinem Aufruf: Kehrt um! Die Königsherrschaft der Himmel ist nahe. Ein Versöhnen mit der Natur, mit dem Nächsten und mit sich selbst ist der Aufruf und die Frohbotschaft Jesu.

Norbert Schiel

Danke für Ihre Überlegungen, die mich sehr berührt haben und es immer noch tun.

Wir kennen aus unserem Umfeld Priester, die wegen Intrigen innerhalb der Priester den Beruf aufgaben und einen verstorbenen Priester, der im Konkubinat lebte. Anderseits kennen wir einen Priester, der um der Seelsorgewillen zölibatär lebt.

Am 19.8.18 hat der WEF-Gründer Prof. Klaus Schwab einen Vortrag in Davos gehalten. In diesem ging er auf Cyberfragen ein und ist dezidiert der Meinung, dass wir die Welt nur retten können, wenn alle Akteure im Dialog sind
resp. daran teilnehmen.

Gruß aus Davos
Albert Bühler

Eine ehrliche Bestandsaufnahme der desolaten Situation, in der sich beide Kirchen befinden. Zumeist wird das ja in lebensfremden Ausflüchten zu übertünchen versucht. Zunehmend bleiben ja den Kirchen nur diejenigen, deren einziges Ziel das eigene Seelenheil ist. Die Pflicht zur sog. "Nächstenliebe" - allerdings nur für Angehörige der eigenen Spezies - ist ein anerkanntes und kirchlich gefördertes Hilfsmittel dazu. Aber ein weitergehendes Engagement erstickt in blindwütigem anthropozentrischen Art-Egoismus.
Immer mehr wachen Menschen genügt das nicht. Wenn z.B. ein Ratsvoritzender der EKD seit über zwei Jahren trotz Aufforderung keinen Ton zum grausamen Kükenschreddern herausbringt, kann ich das nur als skandalös ansehen. Auf katholischer Seite sieht es nicht besser aus; erst kürzlich hat der Moraltheologe Michael Rosenberger, Umweltbeauftragter der Diözese Linz, einen hochinteressanten Text veröffentlicht: "Kirche vergibt bei Tierschutz Chance" -
https://www.kathpress.at/goto/meldung/1668223/moraltheologe-kirche-vergibt-bei-tierschutz-chance
Er fordert einen Systemwechsel weg von "anthropozentrischer Weltsicht". Genau das tut not! Die in den Kirchen praktizierte Selbstbeweihräucherung der Spezies Mensch ist unerträglich, mörderisch und selbstmörderisch.
Die Folge ist, dass zunehmend die wachen, engagierten bisherigen Kirchenmitglieder ihrem bisherigen Verein den Rücken kehren und zu neuen Ufern aufbrechen. Den Kirchen bleiben allmählich nur noch inaktive, verschlafene Egoisten.

Kirchenschwund ... Und geht es hier zu gut. Unausgesprochen haben wir das Gefühl, dass wir alles alleine schaffen, die Politik läuft mehr oder weniger, aber viel besser als anderswo ... das Privatleben müssen wir selber in Gang bringen und halten... Dem andern tun wir Gutes wie es gerade passt oder auch als Grundsatz ... Wir sind so gute Menschen wie wir es schaffen. Ja, und für unsere Ängste in Schwierigkeiten und für unser Schuldgefühle ... im Notfall können wir uns an einen Psychologen wenden.
Ja, der Artikel - obwohl zu lang und mir im schnell lesen nicht immer verständlich - zu viel Studierten-Sprache - dem Artikel im letzten Teil kann ich nur Recht geben. Aber mir fehlt ein konkreter Vorschlag, was wirklich zu tun sei, wenn es etwas gibt.

Konkret habe ich sogar eine Hoffnung - aber vielleicht tut man oben schon alles, um es zu verhindern - dass durch die Verwandlung unser Kirche in eine Diaspora-Kirche wieder mehr von Urkirche möglich werden könnte. WIR FRAUEN dürfen nicht predigen. Den Rosenkranz und die Fürbitten wie die Kommunion austeilen bleibt weit unter unseren Fähigkeiten.
In Bibel.tv kann jeder erleben, wie Frauen predigen können, und dass sie AUS DEM TÄGLICHEN leben und dafür predigen. Nur mit der Bibel und einem Spickzettel in der Hand.
Das ist nicht der einzige Grund für die Kirchenaustritte, aber es ist kein geringer.
Dazu weiß man doch wie lebendig und ausdrucksstark ein Gottesdienst sein kann: Wenn die Priester fehlen und man uns von oben nicht wieder in so starre neue Gottsdienstformen zwängen wollte, dann könnten Keime von lebendiger Gemeinde entstehen, die dann den Tagen entgegen fiebern, wenn ein Priester kommen kann um das wunderbare Sakrament der Heiligen Messe mit dem Abendmahl zu feiern.

Für alle Entwicklungen, auch für die negativen, gibt es Ursachen. Bei dem Rückgang der Mitgliedschaft in einer kirche handelt es sich um ein soziologisch erklärbares Problem. Die Urschen liegen in der hierarschischen Struktur der katholischen Kirche, die dem Kirchenbesucher nur eingeschränkte Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitwirkung ermöglicht. Da wir in Deutschland in einer demokratischen, von Mitwirkung geprägten Gesellschaft leben, widersprechen Entscheidungen von "oben", die man hinzunehmen hat, der Mentalität mündiger Bürger. Das betrifft zentrale Fragen des Christentums, angefangen beim Zölibat bis zur Mitwirkung von Frauen als Priesterinnen. Die Folge der Unmöglichkeit, etwas durch Befragungen oder Abstimmungen ändern zu könnnen, ist oft Resignation, Abwenden von einer Organisation, in der man nichts bewegen kann und schließlich Austritt.

Es wäre dringend notwendig, die Defizite der Kirche unserer Zeit in ehrlichem Suchen aufzuspüren, eine Rangordnung der anstehenden Probleme zu erarbeiten und die dabei gefundene Aufgaben-Liste mutig und konsequent abzuarbeiten.
Ich selbst habe nach mehreren Jahrzehnten missionarisch orientierter und intensiv reflektierter Seelsorgearbeit versucht, eine solche Aufgabenliste zu erstellen und habe sie in meiner Homepage in sieben Punkten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) veröffentlicht.
Einige seien hier in Kurzfassung vorgestellt:
1. Wir haben kein zeitgemäßes Verständnis vom Wirken Gottes in der Natur (keine zeitgemäße Glaubenslehre; z.B. Evolution und Erbsünde bzw. Erlösungsbedürftigkeit des Menschen)
Bischof Oster von Passau hat am 10.07.2017 in „domradio.de“ von einer Umfrage unter 15- bis 35- Jährigen, die von der Kirche in den USA wegbleiben, berichtet, dass über 60 Prozent als Grund angaben, „weil sie ein wissenschaftlich-modernes Weltbild nicht mehr für vereinbar halten mit dem Glauben.“
2. Wir haben kein zeitgemäßes Verständnis vom Wirken Gottes in der Psyche des Menschen.
Die Kirche müsste endlich den Konzilsbeschluss in Gaudium et Spes Kap 62 verwirklichen:
„In der Seelsorge sollen nicht nur die theologischen Prinzipien, sondern auch die Ergebnisse der profanen Wissenschaften, vor allem der Psychologie und der Soziologie, wirklich beachtet und angewendet werden, so dass auch die Laien zu einem reineren und reiferen Glaubensleben kommen.“ (Kap 62)
„Durch ihr Geschaffensein selber nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen Wissenschaften und Techniken eigenen Methode achten muss.“ (Kap 36)
Es ist ein großes Ärgernis, dass die Kirchenleitung das heutige Wissen über die Welt der Gefühle, die doch so wesentlich unser Verhalten im privaten, im gesellschaftlichen und religiösen Bereich positiv und negativ beeinflussen, noch nicht angemessen zur Kenntnis nimmt.
Nach der Umwelt-Enzyklika (Laudato si) mit dem Untertitel „Die Sorge um unser gemeinsames Haus“ wäre nun eine weitere Enzyklika dringend notwendig zum Thema:
„Unsere Sorge um unser inneres Haus“
3. Wir haben nicht nur eine selbst verschuldete Glaubenskrise, sondern auch eine Gebetskrise!
Viele unserer liturgischen und außerliturgischen Gebete entsprechen nicht unserem christlichen Gottesbild, das in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzil und neueren kirchlichen Glaubensdokumenten eine zeitgemäße Aktualisierung erfahren hat (Z.B. in Gaudium et Spes, Redemptor hominis, Sollicitudo rei socialis, Laudato si, Amoris Laetitia u.a.).
Zudem entsprechen viele unserer Gebete nicht den seelischen Bedürfnissen und Sorgen der Menschen unserer Zeit.
Dafür könnte das Bedenken der Subsidiarität Gottes in seiner Beziehung zu uns Menschen und damit das Bedenken der Größe unserer Verantwortung eine wichtige Hilfe sein.
4. Ein zeitgemäßes Bibelverständnis. Der Schlusssatz am Ende mancher Lesung „Wort des lebendigen Gottes“ klingt in manchen Gottesdiensten für manche mitdenkende Gläubige wie eine Gotteslästerung!
5. Ein zeitgemäßes Gottesdienstverständnis:
Feiern wir einen Opfer- und Sühne-Ritus oder den „Neuen Bund“, wie ihn Jeremia 600 v. Chr. angekündigt und Jesus in seinem Leben und in seinen Worten verwirklich hat:
„Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.
Keiner wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, Klein und Groß, werden mich erkennen - Spruch des Herrn. Denn ich verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.“ (Jer 31,33-34)

Die Kirchenleitung müsste endlich ihre unerledigten Hausaufgaben erkennen und abarbeiten. Vielleicht könnte eine europäische Kontinental-Synode im Dialog mit der Basis die Probleme konsequent anpacken?

Manfred Hanglberger

Ich bin seit 38 Jahren Prädikant der Ev. Landeskirche der Pfalz. In dieser Zeit habe ich festgestellt, dass die Menschen sich vor allem für den Mann aus Nazareth interessieren, wenn man ihnen glaubhaft deutlich machen kann, dass man sich an ihm orientiert im Umgang mit Mitmenschen. Vor allem derer, die Hilfe brauchen, aber grundsätzlich auch mit allen Anderen. Gelebtes Christentum kann beeindrucken und die Basis schaffen für das, was Jesus hinterlassen hat. Er ist der Garant für das bessere Leben.

Das "Traditions-Christentum" wandelt sich zum "Entscheidungs-Christentum" und hoffentlich auch zum "Bekenner-Christentum". Damit wäre der missionarische "Urzustand" wieder gegeben.
Anmerken möchte ich noch:
Es gibt durchaus viele junge Menschen, die ihr Christsein leben - sicherlich anders (vielleicht sogar ehrlicher), als viele "Traditions-/Vereins-Christen".
Gott hat viele Wege zu uns Menschen, nicht nur die gewohnten.

Ich habe da eine inhaltliche Frage: Wie ist der Satz "Um das Jahr 2010 haben in Amerika noch gut vierzig Prozent aller Brautpaare eine kirchliche Vermählung gewünscht, inzwischen sind es bloß etwas mehr als zwanzig Prozent" eigentlich zu verstehen?

Auch der Artikel vermeidet den m.E. entscheidenden Hinweis. Er verweist zwar auf die Person Jesu Christi als dem Kern der Botschaft, aber nicht auf das Wichtigste, das uns vom Judentum und vor allem vom Islam unterscheidet, nämlich die Erlösungsbotschaft: Durch diesen Jesus Christus ist (wohlgemerkt nicht wird) die Menschheit, werden also alle, auch die Verbrecher und Massenmörder, "erlöst". Seine Menschwerdung in Gestalt dieses Juden, namens Jesus war der letztmögliche Plan Gottes zur Rettung der Menschen, nachdem er es mit dem auserwählten Volk versucht hatte, dessen Bund zwar nie zerbrach, das aber seinen Auftrag zur Rettung der Welt nicht erfüllen konnte. Und der Islam plagiiert zwar erfolgreich die biblischen Texte, streicht jedoch das entscheidende, die Menschwerdung Gottes und die Erlösung der Welt durch seinen Sohn. Die nunmehr christliche Botschaft von der bereits real gewordenen Rettung der Welt wäre die Grundlage für ein Christsein, das sich in "zweckloser" Liebe den Menschen zuwenden "soll" (sollen ist müssen, wenn können). Christsein bedeutet nicht mehr Liebe zum Zweck der Erlösung, denn die Erlösung ist ja bereits vollendet, sondern zweckungebundene Zuwendung zu den Menschen um der Menschen willen.

Als Ehemann, Vater von drei Kindern (7, 9 und 12 Jahre) und selbst Mitarbeiter in der Kirche sehe und spüre ich den zunehmenden Verlust von aktiver Glaubenserfahrung. Auch die Annahme, Menschen hätten die große Sehnsucht nach Religiösität ist eher ein innerkirchlicher Beruhigungssatz! Menschen suchen, ja - aber sie suchen das wo sie als Person, als Mensch mit ihren Sonnen- und Schattenseiten vorkommen können. Hinzu kommt, dass niemand in der Kirchenleitung den Schritt gehen wird, gerade in der Sakramentenpastoral davon wegzukommen Jahrgangsweise Kinder zur Erstkommunion zu führen, längere und entschiedenere Taufvorbereitung einzufordern oder Ehepaare auch nach der Trauung zu begleiten und vorher vorzubereiten. Das Argument des Personalnotstandes wird vorgeschoben, um den natürlich heftigen Anfragen zu entkommen. Personal würde aber frei werden, wenn wir uns von schon längst leer gewordenen Dingen verabschieden! Kirche muss sich ihrer gesellschaftlichen Relevanz wieder bewusst werden und wenn ich dazugehören will, braucht es ein klares Entscheidungsmoment: Das Bekenntnis zu Christus dem Auferstandenen, der mehr ist als sozialer Wohltäter und Freund - nämlich UNSER ALLER Erlöser!
Um in Veränderung zu gehen braucht es den ersten Schritt sich auch ehrlich Anfragen zu lassen, keine Weltkirchlichen Gesamtlösungen, sondern regionale Erneuerungen, die Menschen ermöglichen sich in dieser Kirche wieder zufinden. Und da rede ich noch nicht von Abschaffung des Zölibats, Aufwertung der Rolle von Frauen, Einführung von Viri Probati (Die ich gerade für den deutschen Raum sinnvoll halten würde), sondern von geistlicher Erneuerung, Förderung von kleinen Gemeinschaften, die nach außen Strahlen, weil sie tatsächlich erfüllt sind. Niederschwellige Zugänge, die Erfahrung mit Jesus Christus ermöglichen! Die Feier der Eucharistie als tatsächliches Heilsgeschehen, durch Priester die keinen anonymen Großverband verwalten, sondern teilhaben am Leben ihrer Gemeinde. Familie, die wiederentdeckt wird als Keimzelle des Glaubens und eine Jugendpastoral die nicht Angebote irgendwelcher Art bietet, sondern Jugendliche im Wachsen begleiten will!
Es gibt viel zu tun - packen wir es endlich an!!