Zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung scheint im Internet nur ein schmaler Grat zu sein. In der Anonymität der sozialen Netzwerke veröffentlichen derzeit Menschen - von einer Minderheit kann man leider nicht mehr sprechen - Kommentare, die von den gängigen Normen des menschlichen Zusammenlebens weit entfernt sind. Äußerungen wie „Ihr gehört alle am nächsten Baum aufgehängt“ oder „Ich schlage keine Frauen, aber bei dir würde ich eine Ausnahme machen“ sind auf Facebook keine Seltenheit mehr, berichtete die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckhardt. Unter dem Tarnmantel der freien Meinungsäußerung bedrohen und beleidigen diese Facebook-Kommentatoren nicht nur Politiker und Prominente, die andere Ansichten haben, sondern auch viele Menschen, die sich engagieren und zum Beispiel Flüchtlingen helfen wollen. „Das wird man doch einmal sagen dürfen“ ist zur allgemeingültigen „Entschuldigung“ geworden, um rassistische und menschenverachtende Hetzparolen verbreiten zu dürfen.
Man darf in diesem Land vieles sagen und das mit gutem Recht. Die eigene Meinung frei äußern zu dürfen ist in unserem demokratischen Rechtsstaat ein hohes Gut, das es auch unter allen Umständen zu bewahren gilt. Sachliche Kritik an gesellschaftlichen Entwicklungen, den gültigen Gesetzen und auch am Verhalten der Politiker ist jederzeit erlaubt und gewünscht. Ohne diese Beteiligung kann ein demokratisches Gemeinwesen nicht funktionieren. Das Grundgesetz hat dieses Recht daher unter einen besonderen Schutz gestellt - aber nicht über alles andere. Das Recht zur freien Meinungsäußerung endet da, wo die Rechte anderer Menschen verletzt werden, wo diese beleidigt, entwürdigt und bedroht werden.
Wenn Justizminister Heiko Maas daher sagt, „Liebes Team von @facebook, wir müssen mal reden“, dann hat er damit recht. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, in dem man anonym und folgenlos andere Menschen angreifen kann. Im realen Leben ist das nicht erlaubt und wird von der Justiz mit Strafen geahndet. Es ist aber nicht unbedingt der erfolgreiche Weg, die Betreiber der Internetplattformen, etwa Facebook oder Twitter, gesetzlich zu verpflichten, menschenverachtende Kommentare zu entfernen. Mit dem Problem der Hetz- und Hassreden muss sich die Zivilgesellschaft selbst auseinandersetzen, eine klare Grenze zwischen Meinung und Beleidigung aufzeigen und deutlich machen, was sie als unmenschlich verabscheut und ächtet. Werden die Hassparolen im Internet gelöscht, verschwinden ihre Urheber ja nicht. Es werden neue bösartige Kommentare folgen. Einen Königsweg zur Lösung gibt es nicht. Vorläufig hilft nur mit Worten dagegenhalten und den Hetzern zeigen, dass die Mehrheit anders denkt. CIG