Verschuldung DeutschlandsKinder von heute für morgen

Die gigantomanische Verschuldungspolitik scheint keine Grenzen zu kennen. Bezahlen sollen es die Kinder. Wer aber entlastet sie - und mit ihnen die engagierten Mehrfach-Lastenträger von heute: die Eltern?

Leistung muss sich - wieder - lohnen. Wie aber lohnt sich die Leistung der Eltern, die für die biologisch-reproduktive Generationengerechtigkeit, für Fürsorge und „Aufzucht", für die Erziehung, die kognitive und emotionale Bildung, das umfassende leiblich-seelische Wohl der Kinder sorgen und dafür erhebliche Lasten nicht bloß materieller Art schultern? Dass es um den Gesellschaftsvertrag nicht gut bestellt ist, wird Tag für Tag deutlicher.

Die Generation der jungen Eltern und insbesondere die Generation der bereits älter gewordenen Eltern, die Kinder in der Ausbildung, im Studium oder auf dem Weg ins Berufsleben haben, bewältigen inzwischen mindestens vierfache Lasten: Sie haben durch Umlagen für die Rentner von heute und über Steuern für die aktuellen Beamtenpensionen zu sorgen. Sie unterstützen zusätzlich ihre alt gewordenen, pflegebedürftigen Eltern. Sie sollen durch weitere private Versicherungseinzahlungen für das eigene Alter vorsorgen. Sie haben sich ebenso um ein qualifiziertes Fortkommen ihres Nachwuchses zu kümmern. Die jungen Erwachsenen sind, oft finanziell nicht wirklich flügge geworden, auf dem Berufsweg häufig noch lange von der Unterstützung durch ihre Eltern abhängig, wenn sie in der extrem flexibilisierten Arbeitswelt mit billig entlohnten (Teilzeit-)Jobs und Zeitverträgen hingehalten werden, nicht selten bis weit ins vierte Lebensjahrzehnt hinein. Das „Hotel Mama" oder „Hotel Papa" kann sich da seiner Pflicht und Verantwortung eben nicht entledigen. An eine eigene sofortige Familiengründung denken Berufsanfänger - im Unterschied zu früher - fast nirgendwo mehr.

Politisch kommen seit Jahren bevorzugt nur die Eltern der Neugeborenen und Kleinkinder in den Blick. Es geht um Elternzeiten, Elterngeld, Betreuungsgeld, neuerdings um Großelternzeit, wenn Vater und Mutter vor lauter Erwerbsarbeit keine Zeit mehr zur Erziehung haben. Niemand aber denkt an die vielen Eltern um die fünfzig, die längst merken, wie kräftig sie zur Kasse gebeten werden, wenn Kinder erst richtig teuer werden: nicht als Säugling, nicht mit 3, 4 oder 5, sondern ab 15, 16, 17, 18, wenn die Jugendlichen Ausbildung oder Studium beginnen, wenn sie sich selbst noch als junge Erwachsene von Praktikum zu Praktikum hangeln, von Gelegenheitsarbeit zu Gelegenheitsarbeit, von schlecht bezahlter Stelle zu schlecht bezahlter Stelle ohne Aussicht auf eine feste, sozial saubere Anstellung - und das über viele Jahre hinweg.

Der Verschuldungswahn

Immer wieder werden - bisher nicht wirklich überprüfte - Rechnungen aufgemacht, welch gewaltige Summen der Staat angeblich für Familien und Kinder einsetzt. Aber der Verdacht ist nicht entkräftet, dass Familien am Ende doch nur selber am stärksten ihre eigene Unterstützung bezahlen. Fest steht, dass die Schieflagen inzwischen beträchtlich sind. Selbst ein gut entlohnter Durchschnitts-Alleinverdiener kann eine mehrköpfige Familie gar nicht mehr ernähren - im Gegensatz zu früher. Wer nichts geerbt hat, wer keine eigenen Immobilien besitzt, wer teure und weiter rasant steigende Mieten bezahlt und dafür inzwischen bis zu vierzig Prozent seines Nettoeinkommens aufwendet, ist für die Politik faktisch nicht existent. Von Alleinerziehenden redet man ständig, von Alleinverdienenden nie, obwohl sich gerade dann ein Elternteil besonders intensiv um die Erziehung und Bildung der Kinder kümmert. Dabei sind es genau diese Eltern, die manchmal über lange Durststrecken hinweg aufopferungsvoll mit Eigeninitiative die höchste Leistung für die Zukunft des Gemeinwesens erbringen und dabei auch noch den Staat von Gemeinkosten entlasten, die Fremdbetreuung erfordert. Betrüblich ist, dass inzwischen selbst Doppelverdiener mit mehreren Kindern und trotz akribischer Sparsamkeit in der Haushaltsführung rasch an Grenzen geraten, obwohl sie statistisch noch über dem „Existenzminimum" liegen. Es darf nur nichts dazwischenkommen, keine Krankheit, keine Arbeitslosigkeit, kein Tod, keine Scheidung. Die familiären Selbstversorger ohne das viel beklagte Anspruchsdenken sind dem Staat jedoch faktisch wenig wert, obwohl die Politik ständig das hohe Lied der Eigenanstrengung singt.

Erschwerend kommt hinzu: Die Staatsmacht verteilt mithilfe gigantischer Verschuldung großzügig Geld, das sie nicht hat, an Lobbyisten oder an Nationen, die pleite sind, um letztlich Gläubigerbanken zu subventionieren, die in ihrer Gier katastrophal hochriskant gewirtschaftet haben und nun ihre Verluste auf die Allgemeinheit abwälzen - am stärksten wiederum auf die Familien mit Kindern. Denn es sind die Kinder der Eltern von heute, die als Erwachsene von morgen die Verschwendungs-, Genuss- und Protzsucht der Gegenwart teuer bezahlen, die alles, was jetzt auf Pump genossen wird, erstatten sollen, indem sie für Wachstumsbeschleunigung und entsprechend hohe Renditen sorgen, die faktisch nicht mehr zu erwirtschaften sind. Unterdessen hält sich die Politik den Unmut der Eltern durch immer neue Kosmetik-Placebos vom Leib, besonders durch die Dauerversprechungen von Rundumbetreuung, ob in der Kinderkrippe oder der Ganztagsschule.

Die Blockade aller Parteien

Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die ganze Dramatik der Verschuldungspolitik zu Lasten der Kommenden und bereits Geborenen offenbar wird. Folgt dann der große Knall, ein Generationenkonflikt, der die früheren ideologischen Gefechte zwischen Jung und Alt in den Schatten stellt? Es ist schon eigenartig, dass der meteorologische Klimawandel so viele Gemüter erregt, dass der reproduktive Klimawandel jedoch die Gesellschaft kaltlässt. Die vielgerühmte CO2-„Klimakanzlerin" scheint - selber kinderlos - für die atmosphärischen Turbulenzen der anderen Art weit weniger Sensibilität aufzubringen. Als neulich eine Gruppe junger CDU-Bundestagsabgeordneter forderte, zur Entlastung der heranwachsenden Generationen eine tragfeste „solidarische Demografierücklage" als Zukunftsreserve zu schaffen und dafür vor allem Personen ohne Verpflichtung für eigene Kinder in die Pflicht zu nehmen, war die Empörung allenthalben gewaltig. Angela Merkel erklärte: „Schon eine Einteilung in Menschen mit und ohne Kinder ist nicht zielführend." Aus der CSU hieß es: „Strafabgaben" hülfen nicht weiter. Die Bürger sollten nicht durch Sonderabgaben weiter belastet werden. Aus den Reihen der FDP war zu hören: „Ein Zwangssoli für Kinderlose ist demografische Planwirtschaft." Die SPD nannte eine substanzielle Entlastung der Eltern und Kinder von heute zugunsten der Herangewachsenen von morgen „schlichtweg unverantwortlich". Und die Grünen, die den Verdacht, eine Klientelpartei bevorzugt für Singles und neoverbürgerlichte Alt-Achtundsechziger zu sein, nie ganz losgeworden sind, bezeichneten den Vorstoß der weitsichtigen Jungparlamentarier schlichtweg als „unverschämt und reaktionär". Bei der Piratenpartei wiederum, die zuletzt erstaunliche Stimmengewinne verbuchte, ist unklar, ob und wie sie sich im Sammelsurium ihrer „Inhalte" jener Zukunftsaufgabe stellen wird. Allerdings scheint sie gerade unter zuvor eher „unpolitischen" jungen Leuten eine gewisse Attraktivität zu haben, vielleicht doch als Resonanzboden der Unzufriedenheit und Unruhe einer neuen Generation, die fürchtet, dass die „Etablierten" womöglich ihre Zukunft „verspielen". Faktisch aber ging bisher keine Partei mit nachhaltigen Lösungsvorschlägen auf die Sachargumente ein, dass bei fortgesetztem Trend spätestens in der nächsten Generation, also um 2050, jeder dritte Bundesbürger älter als sechzig Jahre sein wird.

Die Initiative junger Abgeordneter

Jens Spahn, einer der Initiativabgeordneten, bedauerte in der „Frankfurter Allgemeinen" (14. März) die Blindheit der Medien wie der Gesellschaft und aller Parteien in einer derart existenziellen Frage: Jedes Mal würden entsprechende Diskussionen nach kurzer medialer Erregung „notfalls per Machtwort beendet, ohne dass man zum eigentlichen Kern vorgedrungen wäre. Aber größtmögliche Aufregung bei maximaler Folgenlosigkeit können wir uns nicht mehr lange leisten. Wir müssen endlich lernen, Debatten über das Kinderkriegen, das Jungsein und Altwerden, über Gebrechlichkeit und Tod nicht nur auszuhalten, sondern sie auch aktiv und gelassen zu führen".

Zuvor hatte die FAZ zum Vorschlag der sogenannten Jungen Gruppe innerhalb der Unionsfraktion bemerkt: Er sei zwar „originell, doch zum Wahlkampfschlager taugt er nicht". Das hänge damit zusammen, dass er Einschnitte für bestimmte Gruppen vorsieht, „statt Wohltaten zu verheißen". Die Menschen wollen unliebsamen Realitäten nicht ins Auge sehen. Sie hoffen, dass es am Ende nicht so schlimm kommt.

Die „Süddeutsche Zeitung" lehnte die Initiative rundweg ab mit der Bemerkung: Der Staat sei nicht dazu da, Kosten auszugleichen, „die Kinder im Lauf des Lebens verursachen". Aber die Kinder sind auch nicht dazu da, Kosten auszugleichen, die der Staat für das Anspruchsdenken der Zuvorgeborenen gemacht hat. Geradezu zynisch wird die Münchener Tageszeitung, wenn es heißt: „Eltern entscheiden sich im Zeitalter der Verhütungsmittel freiwillig für Kinder. Sie tun das in Kenntnis der Belastungen. Familiengründung ist kein Anlagemodell. Kinder werden nicht bei der Lektüre von Renditetabellen gezeugt." In der Tat. Aber auch die Kinder der Zukunft sollen die „Süddeutsche Zeitung" kaufen und lesen, und sie sollen fremde Gewinnansprüche erfüllen, die nicht die ihren sind, koste es, was es wolle.

Die Not von Kinderlosen

Die „Stuttgarter Zeitung" verlangt als eines der wenigen Presseorgane, die Anregung zumindest einmal genauer zu beleuchten. Schließlich spreche selbst die Kanzlerin bei Vorträgen von der alternden Gesellschaft. „Wenn es konkret wird, ducken sich die Politiker gern weg. Es verdient Unterstützung, wenn sich junge Parlamentarier überlegen, wie die Sozialversicherung mit immer weniger Arbeitnehmern und mehr Älteren finanziert werden kann." Denn im stark umlagefinanzierten Sozialsystem sind es nun einmal die Familien beziehungsweise die dort aufwachsenden Kinder, die dafür sorgen, dass die Beiträge einbezahlt werden, die gleich wieder ausbezahlt werden - auch an andere ohne Kinder. Und es sind ebenso die Kinder von heute, die als Erwachsene von morgen die notwendigen Gewinne der privaten Zusatzversicherungen produzieren müssen. Die Debatte darüber dürfe nicht „im Keim erstickt werden", wie es leider schon wieder geschieht.

Die Zeitung aus der schwäbischen Landeshauptstadt spricht zudem den heiklen emotionalen Problempunkt an, der eine aufrichtige Debatte blockiert: Beim Thema Nachwuchs, Kinderkriegen werden mit Sexualität und Fruchtbarkeit die intimsten Zonen menschlicher Existenz „berührt". Weil es um die persönlichen Lebensentwürfe geht, um Sehnsüchte und verhinderte Sehnsüchte, um Schuldgefühle und Ohnmachtserfahrungen, fallen die Reaktionen heftig aus. Sehr viele Paare wünschen sich ja eigene Kinder, bleiben aber ungewollt unfruchtbar. Nicht wenige nehmen körperlich wie seelisch extrem belastende medizinische Prozeduren auf sich, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen - vergeblich. Das unsägliche Geplappere von „Strafabgabe" oder „Bestrafung" von Kinderlosen verschärft das Leiden jener, die sich ohnehin schon um ihre Hoffnungen betrogen und in gewisser Weise „bestraft", ins Abseits des Glücks gestellt sehen. Manche fühlen sich gesellschaftlich diskriminiert, der Verachtung ausgesetzt, Sozialschmarotzer zu sein, obwohl man selber doch viel fürs Gemeinwesen tut.

Die psychischen Verletzungen erinnern an das Schicksal kinderlos gebliebener Frauen, die in archaischen Kulturen Missachtung und böses Gerede erdulden müssen. In der Bibel findet man viele Beispiele, wie Kinderlosigkeit als Unglück, ja Strafe Gottes wahrgenommen wurde, wie sehr betroffene Frauen zu Außenseitern gestempelt waren, in gewisser Weise als Sünderinnen betrachtet, die der Zorn Gottes getroffen habe. Umgekehrt werden die Verheißungen Gottes biblisch oft mit der Erfüllung des Kinderwunsches, mit der Ankündigung zahlreicher Nachkommen verbunden. Es scheint so, dass dieses uralte Denken heute noch nicht ganz aus dem Empfinden aufgeklärter Menschen entschwunden ist.

Dadurch ist die Debatte über den Zukunftslastenausgleich leider in ein übles Fahrwasser geraten. Umso wichtiger wäre es, auf die sachliche Ebene zu finden. Denn es geht nicht um Belastungen, sondern um Entlastung durch Lastenausgleich. Das verlangt von der Familienpolitik, sich endlich vom Verteilen irgendwelcher Familien- und Frauenministerin-„Bonbons" zu verabschieden, die zwar viel medialen PR-Wirbelwind verursachen, vom notwendigen substanziellen, strukturellen Paradigmenwechsel für eine generationengerechte Politik jedoch bloß ablenken. Familienpolitik als Zukunftspolitik gehört ins Zentrum der Finanz-, Sozial- und Kulturpolitik.

Kinderkriegen als Weitergabe des Lebens zum Überleben von Kultur und Gesellschaft war nie bloß Privatsache - und ist dies heute noch weniger als früher, als nahezu jede Frau auch Mutter, nahezu jeder Mann auch Vater wurde. Der Sozialstaat hängt weiterhin nachhaltig von der familiär-elterlichen Fürsorge für Kinder ab. Und damit auch in Zukunft von arbeitenden, anständig verdienenden, pflegenden, fürsorglichen Eheleuten, die ihrerseits reproduktive Verantwortung übernehmen. Roboter, Maschinen, Computer oder Bankdepots ersetzen den Menschen nicht, weder seinen Geist noch seine Gefühle. Der Mensch als Person und Subjekt bleibt das Maß des Sozialstaats, gerade dann, wenn er als „Objekt" fremder Hilfe bedarf.

Die Vorschläge

Der Familienbund der Katholiken erklärte, es sei höchste Zeit, den Generationenvertrag „neu zu verhandeln". Ein Geflecht von Maßnahmen ist dazu notwendig, wobei jeder Vorschlag natürlich auch gewisse Nachteile hat und die Gerechtigkeitsvorstellungen nie völlig miteinander harmonieren können. Aber die wiederholten Forderungen etwa des Bundesverfassungsgerichts, die Nachteile von Familien durch massiv höhere Freibeträge zu beseitigen, dürfen nicht von Legislaturperiode zu Legislaturperiode ständig auf die lange Bank geschoben werden. Um ein deutlich höheres Kindergeld für jene, die aufgrund geringerer Einkommen von größeren Steuerfreibeträgen nichts haben, kommt man nicht herum. Die Idee, die Beitragsbemessungsgrenzen für Sozialversicherungen wegfallen zu lassen, damit mehr Geld in die entsprechenden Sozialkassen gelangt, ist keineswegs Sozialneid. Denn wer sehr gut verdient, soll auch mehr schultern und sich nicht ab einer gewissen Größenordnung aus seiner Fürsorgepflicht für andere davonstehlen dürfen. Das Gleiche gilt für die Besteuerung der oft unvorstellbar großen Vermögen. Echte Solidarität bedeutet außerdem, dass Beamte und Selbstständige sich endlich an der Umlage-Rentenfinanzierung beteiligen. Schließlich gibt es noch viele weitere flankierende Möglichkeiten zur Entlastung der Familien, wenn zum Beispiel der Mehrwertsteuersatz auf Produkte für Kinder ähnlich ermäßigt würde, wie es die FDP als Geschenk für Hoteliers durchgesetzt hat. Grundsätzlich zu überdenken wäre auch, warum eigentlich Kinder, die kein eigenes Einkommen haben, überhaupt etwas für öffentliche Dienstleistungen wie Verkehrsmittel zahlen müssen. Und warum sollen Eltern die realen Kosten für Kindererziehung nicht vom zu versteuernden Einkommen absetzen dürfen, wie es sonst jeder Unternehmer für seine Bilanzen tun darf, etwa für den - mit Kindern - größer benötigten Wohnraum, das größere Auto, die schulische und außerschulische Bildung usw. Jeder Mensch, ob er Kinder hat oder nicht, muss am eigenen Leib spüren, was es tatsächlich kostet, einen Staat zukunftsfähig zu gestalten, statt Raubbau an der künftigen Generation zu betreiben.

Außerdem müsste nach der Entmythologisierung der alten Familien- und Mütterideologie auch die neue „Anti-Familien-" und „Anti-Mutterschafts"-Ideologie entmythologisiert werden, verbunden mit der Ideologie der freien Selbstverwirklichung, als ob diese keine Kosten verursache, die letztlich andere tragen. Eltern sind auch nicht dazu da, in beiden Teilen nach dem Kinderkriegen möglichst schnell wieder den Erwerbsarbeitsmarkt zu bevölkern. Sie sollen ihre Kinder ganzheitlich - auch emotional - mit dem Notwendigen an Urvertrauen in Ruhe und leiblicher Nähe versorgen können, mit Geborgenheit und Elternliebe, durch Bilden und Erziehen. Dabei sind die Eltern subsidiär zu unterstützen.

„Verstaatlichung" der Familie

Der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm beobachtet inzwischen eine gewisse Art von „Enteignung der Kindheit" und „Verstaatlichung der Familie", die nach den Zwängen der Ökonomie funktionieren soll. In der „Zeit" schreibt Blüm streitbar: Momentan werde politisch vor allem gefördert, dass durch Kindererziehung möglichst wenig Zeit der Erwerbsarbeit verloren gehen soll. „Das entspricht der allseits geforderten Maxime der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich die allseits akzeptierte Forderung jedoch hauptsächlich als Unterordnung der Familie unter die Wirtschaft. So ist scheinbar beiden gedient: Die Wirtschaft hat ihre Arbeitskräfte, und die Eltern haben ihr Einkommen." Leider nur übergeht Blüm in diesem Zusammenhang das Problem, dass mit bloß einem Einkommen sich heute faktisch keine Durchschnittsfamilie mehr ernähren lässt. Und wer sorgt dafür, dass eine Mutter oder ein Vater für Kindererziehung zwölf, dreizehn, vierzehn Jahre beruflich aussetzen und dann wieder einsteigen kann, ohne den Anschluss zu verlieren? Faktisch sind die meisten Ehepaare, die dies hochrisikoreich wagen, auf sich allein gestellt.

Blüm verweist auf die nichtökonomischen Faktoren: „Dass Kinder ein nicht bezahlbares Glück sind", tauche in den Geld-Rechnungen kaum mehr auf. „Freilich entspricht der Familienlastenausgleich dem Gebot der Gerechtigkeit zwischen den Familien, deren Kinder die Zukunft sichern, und den Kinderlosen, die ihre gegenwärtigen Konsumansprüche nicht mit Kindern teilen müssen. Aber der Familienlastenausgleich kann niemals den Einsatz der Eltern für ihre Kinder gänzlich wettmachen. Kein Lastenausgleich schafft nämlich die Tatsache aus der Welt, dass Kinder in jedem Fall eine Einschränkung elterlicher Freiheit bedeuten, sofern Freiheit als Maximieren von Optionen und Selbstverwirklichung als Steigerung des Wohlstandsquantums verstanden wird. Eltern teilen mit ihren Kindern Zeit, Raum und Leben und werden durch diese Teilung reicher. Das freilich geht nicht in die materialistische Rechenkunst ein."

Die Lasten der Sozialstaatssicherung sind über viele Jahrzehnte hinweg zu einseitig auf die Schultern jener gerutscht, die mit Kindern ohnehin Mehrfachbelastungen übernommen haben. Die innenpolitische Hauptaufgabe ist es, da für neue Balancen zu sorgen. Es geht nicht um billige Umverteilung, sondern um Chancengerechtigkeit. Diese brauchen unsere Kinder, ob wir sie selber haben oder andere.

Spahn meint: „Vorsorge für die Zukunftsfähigkeit eines Systems, das Leistungen in der Zukunft verspricht, aber nichts anspart, leisten nur die, die Kinder großziehen. Und das ist keine faire Lastenverteilung!… Es ist eben keine Bestrafung von Kinderlosen, wie die politische und mediale Debatte unter Beimischung großer Emotionen suggerierte, sondern eine gemeinschaftliche Vorsorge. Heute lastet sie allein auf den Schultern der Eltern. Es geht um Gerechtigkeit im Verhältnis zur zukünftigen Generation. Der finanzielle Aspekt ist … nur die eine Seite der Medaille. Die andere, viel wichtigere, ist die Frage der Mitmenschlichkeit."

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