Die Grünen gehörten in der Debatte über sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester zu den schärfsten Kritikern der katholischen Kirche. Nun aber hat die Partei, die einmal als große Alternative zum herrschenden Politik-, Gesellschafts- und Kulturbetrieb der Bundesrepublik Deutschland antrat, selber ein gehöriges Problem - und das unmittelbar vor Beginn des Bundestagswahlkampfs. Denn „Schatten der Vergangenheit“ holen sie ein, wie ein Spiegel-Beitrag unter diesem Titel aufgedeckt hat (13. Mai).
Auslöser war die Verleihung des „Theodor-Heuss-Preises“, der für bürgerschaftliche Initiative und Zivilcourage vergeben wird, an den prominenten grünen Abgeordneten des Europaparlaments Daniel Cohn-Bendit. Der Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle, der ursprünglich die Lobrede auf den Geehrten halten sollte, sagte ab. Der Grund: Ein aufmerksamer Journalist aus Stuttgart hatte den geplanten Laudator auf ungeheuerliche Aussagen Cohn-Bendits in dessen Buch „Der große Basar“ hingewiesen. 1975 schrieb der ehemalige Aktivist der Studentenbewegung, der „außerparlamentarischen Opposition“ und der „Sponti“-Szene über seine Erfahrungen als Erzieher in einem Kindergarten in Frankfurt am Main: „Mein ständiger Flirt mit den Kindern nahm erotische Züge an. Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln.“
Cohn-Bendit erhielt dennoch den Preis. Dank akribischer Recherche des Hamburger Nachrichtenmagazins ist jedoch die Debatte neu angestoßen, inwiefern gerade die Reformbewegungen der sechziger, siebziger und achtziger Jahre in besonderer Weise anfällig dafür waren, selbst abartige sexuelle Neigungen zu tolerieren, zu propagieren, ja entsprechend zu agieren und zu agitieren, so dass unter anderem sogar politisch ein Recht auf Pädophilie eingefordert wurde. Nachdem die Reformpädagogik der Odenwaldschule wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Erzieher und Lehrer in Misskredit gebracht worden war, stehen nun die Grünen ebenfalls unter erheblichem Druck, ihre dunkle Vergangenheit, insbesondere in ihrer Gründerzeit, aufzuarbeiten.
Ein Arbeitskreis macht Politik
Der „Spiegel“ erklärte: „Keine politische Kraft in Deutschland hat sich so für die Interessen von Männern mit pädophilen Neigungen eingesetzt wie die Ökopartei. Mitte der achtziger Jahre agierte sie zeitweise beinahe wie der parlamentarische Arm der Pädophilenbewegung.“ Die Belege dafür sind ungeheuerlich, das Ausmaß ist erschreckend. Die Hamburger Redakteure haben viele Belege zusammengetragen. Überall in den Archiven der Grünen, so stellten die Autoren fest, fänden sich „Flirts der Pädophilen mit der grünen Partei“. Haufenweise gebe es entsprechende Anträge, Rundschreiben, sogar Parteitagsbeschlüsse. Der Blick in die Akten beweise, dass eine Pädophilenorganisation, die innerhalb der Grünen als „Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle“ aktiv war, sogar „mit Geld versorgt wurde, und zwar sowohl von der Bundestagsfraktion als auch von der grünen Partei“. 1984 habe diese kurz „BAG SchwuP“ genannte Gruppe sogar eine Aufwertung erfahren. Sie wurde einem Arbeitskreis „Recht und Gesellschaft“ der Bundestagsfraktion zugeordnet, womit sie einen privilegierten Stand innerhalb der Partei gehabt habe. Denn die Bundesarbeitsgemeinschaften sollten der Fraktion fachlichen Beistand leisten. Das Hauptziel der Pädophilen, deren politischer und ideologischer Einfluss beträchtlich war, bestand darin, den Paragrafen 176 des Strafgesetzbuches zu Fall zu bringen, der sexuelle Handlungen mit Kindern verbietet. Erst 1987 wurde die „BAG SchwuP“ aufgelöst. Seitdem gibt es nur noch eine „Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule“.
Der „Spiegel“ zeichnet die Etappen dieser ungeheuerlichen Geschichte nach. Im März 1980 verabschiedeten die Grünen bei ihrem zweiten Bundesparteitag in Saarbrücken ein Programm, das sich gegen die „Diskriminierung sexueller Außenseiter“ richtete. Eine eigene Kommission wurde eingesetzt, die sich um die Interessen der Pädophilen kümmern sollte. 1983 erschien im Szeneblatt der Schwulen „Torso“ eine Werbeanzeige der Grünen. Dort sei zu lesen gewesen: „Die Paragrafen 174 und 176 sind so zu fassen, dass nur Anwendung oder Androhung von Gewalt oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses bei sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen sind!“ Das heißt laut „Spiegel“ im Klartext: „Erwachsene dürfen Sex mit Kindern haben, solange es nicht die eigenen sind und sie nicht mit Schlägen drohen. Solche Positionen waren bei den Grünen salonfähig.“
Den größten Erfolg hatten die Pädophilen beim Programmparteitag der nordrhein-westfälischen Grünen 1985 in Lüdenscheid gefeiert. Dort wurde ein Arbeitspapier gebilligt, das „gewaltfreie Sexualität“ zwischen Erwachsenen und Kindern allgemein erlauben wollte. Der Beschluss wurde zwar bald wieder einkassiert, doch hoch gelobt wurde, dass das Anliegen der Pädophilen nun endlich offen und öffentlich diskutiert werden könne. Bis zuletzt nicht offen und öffentlich diskutiert wurde allerdings diese verhängnisvolle Geschichte der Grünen-Partei. Im Gegenteil. Die Verirrungen gerieten in Vergessenheit, wurden ebenfalls verdrängt, wenn nicht sogar vertuscht.
Mit dem Aufstieg von der Protest- zur Regierungspartei sei an die Stelle der kritischen Selbstbefragung die Nostalgie getreten, stellen die „Spiegel“-Autoren fest. In der akuten Bedrängnis hätten sich die heutigen grünen Spitzenleute darauf verständigt, dass es sich bei den Abirrungen nur um „bedauerliche Einzelfälle“ gehandelt habe. Ähnliche Beschwichtigungen kennt man auch aus der Anfangsargumentation der Bistümer - bis das ganze schreckliche Ausmaß ans Licht kam.
Benedikt XVI. hatte Recht
Die Ausreden und Verharmlosungsversuche bei den Grünen lässt das Hamburger Nachrichtenmagazin jedoch nicht gelten: „So einfach liegen die Dinge nicht. Der Vorwurf ist nicht, dass die Grünen Sex mit Kindern propagiert hätten. Die eigentliche Frage ist, ob sie dazu beitrugen, ein Klima zu schaffen, in dem sich Menschen ermutigt fühlen konnten, Neigungen auszuleben, für die es aus gutem Grund Strafgesetze gibt.“ Denn es konnte der Eindruck entstehen, Pädophilie sei so etwas wie ein Menschenrecht.
Die Grünen haben niemals Gesetze geändert, um Pädophilen das Leben zu erleichtern. Dazu hätten sie allerdings auch nie die Macht gehabt, erklären die „Spiegel“-Redakteure. Aber die Verantwortung beginne eben dort, „wo eine Atmosphäre entstand, in der Sex mit Kindern als normale Spielart des menschlichen Begehrens gelten durfte“. Darin seien die Grünen „ganz ein Produkt der Achtundsechziger-Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Gesellschaft von den Fesseln der sexuellen Repression zu lösen. Der verklemmte, unfreie Mensch galt als Ursache allen Übels.“
Interessanterweise bestätigt der „Spiegel“ genau das, was Papst Benedikt XVI. mit Blick auf den sexuellen Kindesmissbrauch durch Geistliche bemerkt hatte: dass die allgemeine sexuelle Enthemmung infolge der Achtundsechziger-Emanzipationsbewegung auf schreckliche Weise verantwortungsloses Verhalten auch gegenüber Kindern gefördert habe. Für diese Aussagen war Benedikt XVI. mit Spott und Hohn überzogen worden. Inzwischen zeigt sich: Er hatte in seinem Urteil vollkommen recht. Allerdings erklärt dies noch nicht hinreichend jene vielen Missbrauchsfälle in Gesellschaft und Kirche, die geschichtlich noch weiter zurückliegen. Dennoch - so der „Spiegel“: „Für die Grünen ist die Sache peinlich. Keine andere Partei lebt so von dem Anspruch, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. Auch in den Missbrauchsdebatten spielten die Grünen von Anfang an eine führende Rolle: als Ankläger. Sie waren es, die besonders scharf mit der katholischen Kirche ins Gericht gingen und unbedingte Aufklärung einforderten. Und natürlich saß mit Antje Vollmer auch eine Grüne dem runden Tisch des Bundestags zur Heimerziehung vor.“ Nun haben führende Grünen-Politiker angekündigt, durch unabhängige Wissenschaftler die Akten analysieren zu lassen.
Beschwichtigen, beschwichtigen
Verwunderlich allerdings ist es schon, dass bisher ein Sturm der öffentlichen Empörung, vergleichbar dem gegen die katholische Kirche, als scharenweise die Leute ja ebenfalls aus der Glaubensgemeinschaft austraten, ausgeblieben ist. Laut amtsrichterlichem Beschluss aus Berlin-Tiergarten ist es sogar als freie Meinungsäußerung erlaubt, die katholische Kirche als „Kinderficker-Sekte“ zu verunglimpfen und somit Volksverhetzung zu betreiben.
Nun ist man gespannt, ob die Grünen vergleichbar energisch wie die katholische Kirche ihre verhängnisvolle Geschichte aufarbeiten und die Fakten ohne Wenn und Aber ans öffentliche Licht bringen. Die ersten Versuche wecken leider nicht viel Hoffnung. In bisherigen Interviews, die von Parteileuten dazu gegeben wurden, findet man Beschwichtigung allenthalben. In der „Zeit“ zum Beispiel verteidigte Marieluise Beck, die die Grünen mitbegründet hat, die schrecklichen Äußerungen Cohn-Bendits damit dass „Dany“ - wie er kumpelhaft stets genannt wurde - halt jemand sei, „mit dem öfter mal die Pferde durchgehen, auch in seiner Wortwahl“. Das gehöre zu ihm. „Dafür lieben ihn ja auch die Medien. Wenn er jetzt noch einmal erklärt hat, es habe sich bei diesen Sätzen um Provokationen, nicht um reale Erlebnisse gehandelt, habe ich keinen Anlass, an seiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln.“
Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag und Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen, erklärte in der „Badischen Zeitung“: „Die grüne Kultur jener Jahre war: Man hört sich erst mal jeden und alles an. Auch die absurdeste Forderung wurde nicht abgebügelt, sondern in aller Länge diskutiert… Hinzu kam, dass relevante Teile der Sexualwissenschaft jener Zeit dem Mythos aufsaßen, dass man unterscheiden könne zwischen einvernehmlichen pädophilen Kontakten und dem sexuellen Missbrauch von Kindern. Auch in der Rechtswissenschaft und Kriminologie gab es ähnliche Stimmen.“
Ausreden über Ausreden
Daniel Cohn-Bendit wiederum duckt sich in einem aufschlussreichen, von den Redakteuren hervorragend vorbereiteten „Spiegel“-Gespräch immer wieder weg. Angesprochen auf seine Aussage, die doch sehr konkret sei, meint er abschweifend ausweichend: „Der große Basar“ sei „nicht nur furchtbar schlecht geschrieben, sondern auch eine merkwürdige Kolportage aus Fiktion und Erlebtem“. Das Buch sei „eine Art Manifest gegen die bürgerliche Gesellschaft“, die entsprechende Passage „eine Provokation. Geschmacklos, dumm, aber eben eine Provokation.“ Die Interviewer lassen jedoch nicht nach und sprechen ihn darauf an, dass irgendetwas doch vorgefallen sein muss, weil er selber einmal geschrieben habe, dass er „der ‚Perversion‘ bezichtigt worden“ sei. Er müsse sehr wohl gewusst haben „dass hier eine Grenze überschritten war, die man besser nicht hätte überschreiten sollen“. Cohn-Bendit: „Der Text ist aus einem stundenlangen Gespräch hervorgegangen, das dann von den Interviewern in Paris redigiert wurde. Ich bin mir heute nicht mehr sicher, wie ich damals argumentiert habe. Mir ist in der Interviewsituation zweifellos klar gewesen, dass die Übertragung der Erwachsenensexualität auf ein Kind eine Perversion ist. Aber ich hätte den Begriff damals nie ohne Anführungszeichen benutzt.“
Daraufhin machen die fragenden Redakteure darauf aufmerksam, dass Cohn-Bendit 1978 verantwortlicher Redakteur und Herausgeber des aus der „Sponti“-Bewegung genährten Frankfurter Stadtmagazins „Pflasterstrand“ war. Im selben Jahr sei ein Beitrag erschienen, in dem ein anonymer Autor über Sex mit einem sechsjährigen Mädchen berichtete: „Es war eines der schönsten und sprachlosesten Erlebnisse, die ich je hatte.“ Cohn-Bendit versucht erneut auszuweichen: „Der ‚Pflasterstrand‘ war eine Szenezeitung mit ständig wechselnder Redaktion, in der es anders als im ‚Spiegel‘ auch keinen Verantwortlichen gab, der alles las, bevor es in Druck ging.“ Die Befrager haken allerdings nach: „Das heißt, den Text haben Sie vor Veröffentlichung nie gesehen?“ Cohn-Bendit: „Das kann ich heute nicht mehr mit Sicherheit beantworten.“ Weitere Nachfrage: „Hätten Sie ihn, wenn Sie ihn gekannt hätten, dennoch gedruckt?“ Cohn-Bendit muss einräumen: „Nach den Maßstäben des ‚Pflasterstrand‘: ja. Es wäre gelogen, wenn ich jetzt etwas anderes sagen würde. Wir waren der Meinung, alles muss aus dem Dunkel, damit es diskutiert wird. Da kamen sehr schöne und auch sehr schreckliche Sachen heraus.“ Schließlich wird Cohn-Bendit darauf angesprochen, ob er die Aufklärung der Frühgeschichte der Grünen, die Claudia Roth und Winfried Kretschmann versprochen hätten, für notwendig halte. Cohn-Bendit bestätigt: „Da wird man reichlich fündig werden, da brauche ich keinen Historiker. Sie müssen sich nur die Anträge zur Altersfreigabe beim Sex mit Erwachsenen ansehen: Das war bei den Grünen Mainstream. War es falsch? Mein Gott, natürlich war es falsch. Und trotzdem wird die Sexualität immer zu den Dingen gehören, die wir nicht in den Griff bekommen, egal von welcher Seite.“
Insgesamt fällt ein erhebliches Ungleichgewicht auch bei den bisherigen Reaktionen der Medien auf diese unheilvolle Grünen-Geschichte auf, im Vergleich mit dem journalistischen Furor, der sich auf die Kirche entlud. Jedenfalls bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe des CIG war das Echo auf die jüngsten Enthüllungen erstaunlich mild, sanft, zahm, ja geradezu verständnisvoll. Bezeichnend ist ein Leitartikel des Chefredakteurs der „Badischen Zeitung“, Thomas Hauser, aus der Grünen-Hochburg Freiburg, mit offenkundiger Rücksichtnahme auf den eigenen Leserkreis: „Die Diskussionen um Pädophilie und die einschlägigen Formulierungen in Anträgen und Programmen sind tatsächlich nur aus der Atmosphäre der Zeit heraus zu begreifen. Verstehen muss man sie nicht. Sexualität war damals nicht nur ein Bedürfnis, das endlich frei ausgelebt werden sollte, sondern auch Provokation gegen die Prüderie der Eltern. Ein Spießer, wer da irgendetwas für falsch oder gar verbietenswert gehalten hätte. Dass sexuelle Freiheit in der Fähigkeit zur Selbstbestimmung ihre Grenze findet, ist eine Erkenntnis, die erst nach manchen Verirrungen wieder Allgemeingut wurde. Zum Glück blieb dieser grüne Irrweg politische Programmlyrik, auch wenn im Umfeld dieser Diskussionen tatsächlich Unrecht geschah. Dafür freilich kann man die Grünen nicht verantwortlich machen. Sie waren Kinder dieser Zeit, nicht ihre Erfinder.“
Die Medien: jetzt sanft und zahm
Auch die „Süddeutsche Zeitung“, die schärfstens die Institution Kirche kritisiert hatte, kommentierte nun die Geschehnisse bei der Institution Grüne erstaunlich sanft, diese geradezu in Schutz nehmend: Sie seien „nicht gleichzusetzen mit einem Internat, in dem Lehrer sich an Kindern vergingen. Es ging bei den Grünen - schlimm genug - um offene Lobby-Arbeit von Gruppen wie den ‚Stadtindianern‘, die in bunten Farben auftraten und Sex mit Kindern als vermeintlich harmlose, lebenslustige Sache darstellten. Die Grünen haben sich das nie als gesamte Partei zu eigen gemacht, sie waren kein Dachverband der Kinderschänder.“ Und die Plattform der Linken, die „Tageszeitung“ - kurz taz genannt -, die auf das Versagen innerhalb der Kirche kräftig einschlug, plädiert plötzlich für zeitgeschichtliches Verständnis beim eigenen Klientel. Auf einmal dürfe man die heutigen Maßstäbe und Erkenntnisse nicht auf einst übertragen: „Waren die Grünen tatsächlich so etwas wie der ‚parlamentarische Arm der Pädophilenbewegung‘, wie der ‚Spiegel‘ jüngst behauptete? Wenn man die Debatten von damals mit den moralischen Maßstäben von heute beurteilt, ist man schnell bei solchen Urteilen. Wenn man auch nur ansatzweise verstehen will, was damals bei den Grünen passierte, muss man das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik der siebziger und achtziger Jahre in den Blick nehmen.“ Die „Welt“ bemerkt den Schwindel: „Damit wird das Zeitgeist-Argument zum Problem für die Grünen. Zu ihren stabilsten Mythen gehört ja, dass sie sexualpolitisch stets auf der Seite eines moralisch guten Zeitgeists standen.“
So offenbart sich eine ideologische Verblendung, die offenbar auf etliche „alternative“ Kreise weiterhin zutrifft. Mit fortgesetzter Doppelmoral wird mit zweierlei Maß gemessen. Die katholische Kirche wird für alles haftbar gemacht, was an Perversionen einzelner Amtsträger - meistens etliche Jahrzehnte zurückliegend - begangen wurde. Jedoch hat die Kirche an ihrer klaren moralischen Haltung in Fragen der Sexualität im Gegensatz zu den Grünen nie irgendeinen Zweifel gelassen, auch nicht daran, was als Sünde zu verurteilen ist. Lehramtliche Relativierungen in Sachen Sexualmoral gab es in der katholischen Kirche nicht. Für ihre strikte Haltung wurde und wird sie je nach Lage gescholten, belächelt, verhöhnt, verächtlich gemacht.
Die Talkshows schweigen - noch?
Dabei ist der qualitative Unterschied nicht zu leugnen zwischen den schlimmen kirchlichen Vertuschungsversuchen aus Scham über die Sünde einzelner Amtsträger sowie aus Sorge über Ansehensverlust und den erheblich schlimmeren, geradezu barbarischen Handlungen und Äußerungen von Grünen-Aktivisten, die sich ganz und gar nicht für sexuelle Perversionen schämten, sondern im Gegenteil ohne jedwedes Sündenbewusstsein ein Recht auf Pädophilie bejahten, dieses politisch und gesellschaftlich hoffähig machen, gesetzlich durchsetzen wollten - als etwas Gutes und Positives. Mit erstaunlich langer Geduld durften solche Personen und Gruppen ihre Abartigkeiten innerhalb der Partei verkünden, bis sie endlich ausgebremst wurden.
Weiter fragt man sich, wie integer, unabhängig und aufgeklärt diejenigen sind, die sich zuletzt als die großen Aufklärer und moralisch Besserwissenden über die Kirche und ihre Repräsentanten erhoben haben. Vor allem ist man gespannt, ob und wie der Journalismus, der stets sehr stolz ist auf seine Unabhängigkeit und aufklärerische Gewalt im Staate, nun die aufgedeckten Verhältnisse bei den Grünen weiter betont kritisch, offensiv behandeln wird. Wo eigentlich sind jetzt die vielen, einander überbietenden Talkshows - diesmal zum Thema „Grüne und Pädophilie“?
Die „Frankfurter Allgemeine“ meinte immerhin in einer kleinen Glosse: „Was am Ende grüner Selbstaufklärung über die Abartigkeiten des Kultes um ‚gewaltfreie Sexualität‘ herauskommen mag - klar sollte dem breiten Publikum sein, dass die ach so kunterbunte Welt der Sonnenblumenpartei ihre eigenen tiefen Schlünde hat.“
Lange genug hat es jedoch gedauert, bis das Thema Aufmerksamkeit fand. Wieder einmal war es der - „linke“ - „Spiegel“, der investigativ wach einen vorbildlichen Anfang setzte zur akribischen Aufklärung eines ungeheuerlichen Skandals - diesmal bei den Grünen.