„Nachts konnten manche von uns nicht mehr weitergehen - es gab zu viele Geräusche, jedes ein möglicher Vorbote des Todes. Wir gingen über schmale Pfade durch den Busch, und wir fühlten uns gejagt … Wir gingen in einer Reihe, hunderte Jungen, viele von uns nackt, alle wehrlos. Im Wald waren wir Jungen Nahrung. Wir zogen durch Wälder und durch Savannen, durch Wüstenlandschaften und durch die grüneren Gebiete des Südsudan … Zuerst hörten wir das Rascheln. In unserer Nähe bewegte sich ein Tier oder ein Mensch durchs Gras, aber wir gingen weiter, weil wir immer weitergingen … Der Löwe war eine schlichte schwarze Silhouette … Er sprang aus dem Gras, riss einen der Jungen mit sich … Ich hörte einen kurzen Aufschrei. Dann sah ich den Löwen deutlich, als er auf die andere Seite des Pfades trottete, den Jungen fest im Maul. Das Tier und seine Beute verschwanden im hohen Gras, und gleich darauf hörte das Schreien auf. Der Name des Jungen war Ariath.“
Was sich liest wie ein mittelmäßiger Roman, sind die Erinnerungen eines „Lost boy“ („Verlorener Junge“) an seine Flucht aus Afrika. Der Schriftsteller Dave Eggers hat sie vor wenigen Jahren in „Weit gegangen“ als wahre Lebensgeschichte - möglicherweise mit einem Schuss künstlerischer Freiheit - aufgeschrieben. Mit sieben Jahren verlor Valentino Achak Deng alles: seine Familie, seine Heimat, den Sudan. Mit tausenden anderen Kindern floh er während des Bürgerkriegs, in dem 2,5 Millionen Menschen getötet wurden. „Es wurde beschlossen, dass wir weitergehen sollten, und das taten wir … Gott sei Dank gab es Kur (einen älteren Jungen, d. Red.), ohne ihn hätten wir noch viel mehr Jungen verloren, an Löwen und Bomben und an den Durst.“ Über Äthiopien erreichte Valentino Achak Deng Kenia, von wo aus er schließlich in die Vereinigten Staaten gelangte.
Auch heute sind in Afrika Millionen Menschen auf der Flucht. Viele haben ähnlich traumatische Erfahrungen gemacht wie der kleine Valentino. Unzählige Kinder und Jugendliche sind entwurzelt, fern von ihrem Zuhause, das es nicht mehr gibt, ohne Kontakt zu Eltern oder Verwandten, die es oft auch nicht mehr gibt. Tausende wurden als Kindersoldaten zwangsrekrutiert, verurteilt zu töten und getötet zu werden. Die Anzahl der Kriege ist gestiegen, Ernten fallen aus. Die Klimaveränderung bringt zudem Dürren biblischen Ausmaßes. Das Elend ist groß, die Armut wächst wieder, nachdem sie über Jahrzehnte eingedämmt worden war. Und dies auf einem Kontinent, der eigentlich ein Riesenpotenzial hat, der reich an Bodenschätzen ist und auch über viel fruchtbares Land verfügt.
„Etwas Größeres ist im Gange“
Doch die Flüchtlingszüge aus Afrika in den reicheren und sichereren Norden werden auch 2017 nicht abreißen. Noch liegen für das gesamte Jahr 2016 keine verlässlichen Zahlen vor. Dass sie hoch sein werden, daran besteht kein Zweifel: Allein im März wurden nur in Italien knapp 10 000 Flüchtlinge neu registriert - das sind vier Mal so viel wie im gleichen Monat des Vorjahres. Ende 2015 waren nach Angaben des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) weltweit insgesamt 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Das war die bis dahin höchste Zahl, die jemals vom UNHCR registriert wurde. Unter den sechs Ländern, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen, sind - nach Syrien und Afghanistan - vier aus Afrika: Somalia (1,12 Millionen Flüchtlinge), Südsudan (778700), Sudan (628800) und die Demokratische Republik Kongo (541500). Zu den größten Herkunftsländern von Flüchtlingen gehören zudem Nigeria und Eritrea. Dazu kommen in noch größerer Zahl Binnenvertriebene. Das sind Menschen, die zwar ihre Heimat, aber (noch) nicht ihr Land verlassen haben: im Sudan 3,2 Millionen Menschen, im Jemen 2,5 Millionen, in Nigeria 2,2 Millionen, im Südsudan 1,8 Millionen, in der Demokratischen Republik Kongo 1,6 Millionen und in Somalia 1,1 Millionen.
Wer den Zug durch die endlosen Weiten der Sahara überstanden hat, stößt auf seinem Weg in den Norden auf ein noch größeres Hindernis. Das Mittelmeer ist zur tödlichsten Grenze der Welt geworden. Nach Angaben der gemeinnützigen Organisation Sea-Watch, die Menschen aus Seenot rettet, ertranken im Mittelmeer 2016 mehr als 4600 Menschen. Die „Neue Zürcher Zeitung“, die an einem journalistischen Datenbankprojekt zur Erfassung der Toten an den europäischen Außengrenzen beteiligt ist, berichtet, dass seit 2000 rund 23 000 Menschen auf dem Weg nach Europa ums Leben kamen. Die meisten davon ertranken im Mittelmeer. Alle Schätzungen gehen davon aus, dass sowohl beim Durchqueren der Sahara als auch beim Überqueren des Mittelmeeres die eigentliche Zahl der Toten weitaus höher ist.
Das Flüchtlingsdrama ist kein einmaliges Phänomen, das auftritt und wieder verschwindet. Etwas Größeres sei im Gange, schrieb Bernd Ulrich vergangenen Sommer in der „Zeit“: „Die Mauer zwischen Erster und Dritter Welt ist dabei zu fallen. Die Globalisierung ist an ihrem dialektischen Punkt angekommen, sie geht nicht mehr nur in eine Richtung, von Norden nach Süden, sie kommt jetzt auch zurück: in Gestalt von wirtschaftlicher Konkurrenz wie auch in der von Flüchtlingen und von Terrorismus.“
Ein Despot folgt dem nächsten
Was ist das für ein Kontinent, den Millionen verlassen wollen? Die bereit sind, ihr Leben zu riskieren, um bloß wegzukommen. Woran liegt es, dass sie es in ihrer Heimat nicht mehr aushalten? Dass sie keine Perspektive für die Zukunft sehen?
Afrika ist doppelt so groß wie Indien und China zusammen und zehn Mal so groß wie Europa. Es hat die größten Wüsten und enorme Flächen tropischen Regenwaldes. Es gab dort etliche Hochkulturen. Das pharaonische Ägypten war nicht nur militärisch mächtig, sondern in Astronomie, Architektur und Agrartechnik weit entwickelt. Das Königreich Aksum im heutigen Äthiopien prägte eigene Münzen, handelte mit Rom, Persien, Indien und China und hatte im Mittelalter diplomatische Vertretungen in Venedig, Florenz und Neapel. Das Königreich von Mali wurde im 14. Jahrhundert vom damals reichsten Mann, der bis dato gelebt hatte, regiert. Mit seinem Vermögen baute er in Timbuktu das zu der Zeit bedeutendste Zentrum islamischer Gelehrsamkeit. Insgesamt gab es in Afrika rund 200 Königreiche, die zum Teil mehr als 500 Jahre Bestand hatten.
Seit der Neuzeit jedoch ist Afrika ein geschundener Kontinent. Millionen Menschen wurden seit dem 16. Jahrhundert als Sklaven nach Süd- und Nordamerika verschifft. Das britische Parlament verbot zwar 1807 den lukrativen Sklavenhandel, dafür kamen wenige Jahrzehnte später die Europäer wieder, um sich des Kontinents zu bemächtigen. Auf der Berliner Kongokonferenz 1884/85 teilten sie die dreißig Millionen Quadratkilometer unter sich auf. Grenzen wurden gezogen entlang von Längen- und Breitengraden oder von Flüssen ohne Rücksicht auf historisch oder ethnisch gewachsene Strukturen. Bis heute sind verfeindete Völker gezwungen, in einem Staat zu leben, während andere Ethnien auf mehrere Staaten verteilt sind. Ein Nationalgefühl hat sich in den meisten neu geschaffenen Einheiten nur langsam entwickelt. Als die meisten um das Jahr 1960 ihre Unabhängigkeit erlangten, führte die politisch fragile Lage dazu, dass ein Despot dem nächsten folgte. Eine weitere Startschwierigkeit: Die Kolonialmächte hatten nur wenig für die Ausbildung lokaler Eliten getan oder hatten solche an die Macht gebracht, die ihre Interessen meist gegen die der Mehrheit der Bevölkerung durchsetzten. Heute sind es 54 Staaten mit insgesamt mehr als einer Milliarde Menschen. Sie unterscheiden sich stark - doch haben sie nahezu alle mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Sie sind strukturell in vielem vergleichbar und starteten mit ähnlichen Hypotheken in die Unabhängigkeit.
Wer die Ursachen der Flucht aus Afrika verstehen und über die Möglichkeiten ihrer Bekämpfung nachdenken will, sollte vor diesem Hintergrund die wichtigsten Probleme Afrikas kennen. Sie sollen hier in zehn Punkten skizziert werden.
Selbstbedienungsmentalität
Kriege: Die meisten Staaten Afrikas schlitterten gleich nach ihrer Unabhängigkeit direkt in Kriege und Bürgerkriege hinein. In vielen Gegenden kam es zu Stellvertreterkriegen, weil sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Nato und der Warschauer Pakt gegenüberstanden und Kapitalismus und Kommunismus weltweit konkurrierten. Statt in Bildung, Infrastruktur und eine wertschöpfende Wirtschaft investierten afrikanische Herrscher vornehmlich in Waffen, die die Reste dessen zerstörten, was eigentlich hätte aufgebaut werden müssen. Die Zahl der Kriege hat wieder zugenommen. Die Zahl der Flüchtlinge geht in die Millionen, das damit einhergehende Elend ist groß. Afrika ist gerade wieder dabei, der Katastrophenkontinent zu werden, der es war und von dessen schlechtem Image es wegkommen wollte.
Diktaturen: In den meisten Ländern mangelt es an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die amerikanische Nichtregierungsorganisation Freedom House, die weltweit liberale Demokratien fördern will, stuft nur 19 der 54 Länder Afrikas als Demokratien ein, von denen nur elf als wirklich frei gelten. Alle anderen werden mehr oder weniger diktatorisch beherrscht. Häufige Staatsstreiche und Bürgerkriege schrecken Investoren ab und hemmen die wirtschaftliche Entwicklung.
Kleptokratie: Mit dem Despotismus eng zusammen hängt das Phänomen der Selbstbereicherung der Eliten, die bei den Einnahmen aus Exporten zulangen. Wie stark die Mentalität der Selbstbedienung ist, zeigen Zahlen, die das in London erscheinende Polit- und Kulturmagazin „New Statesman“ veröffentlicht hat: Von 1970 bis 1996 betrug die Kapitalflucht von dreißig schwarzafrikanischen Ländern insgesamt 187 Milliarden Dollar - ein Betrag, höher als die Auslandsverschuldung dieser Länder. Mit dem in die eigene Tasche gewirtschafteten Geld der Kleptokraten, das unter anderem auf Konten in der Schweiz ruht oder in Luxusimmobilien angelegt ist, hätte man diese Länder komplett entschulden können.
Afrika ist Bauernland
Korruption: Bestechung und Bestechlichkeit sind von den Eliten bis zum einfachen Mann so weit verbreitet, dass sie als Grundlage des Wirtschaftssystems gelten können. Kabinette sind besetzt mit einer Anzahl von Ministern, die sechs oder sieben Fußballmannschaften bestücken könnten. Da häufig Lohn nicht ausbezahlt wird oder zu gering ist, versuchen viele, mit Schmiergeld über die Runden zu kommen: Richter, Verwaltungsangestellte, Polizisten, Zollbeamte.
Infrastruktur: 17 der 54 Staaten verfügen noch nicht einmal über ein Eisenbahnnetz. Unter den 150 wichtigsten Flughäfen der Welt sind nur drei in Afrika, obwohl dort mehr als eine Milliarde Menschen leben. Ein Großteil der Straßen ist nicht asphaltiert, während der Regenzeit sind viele Pisten unbefahrbar.
Rückständigkeit: Es fehlen nicht nur Verkehrswege, es fehlt der Zugang zu den Märkten. Afrika ist noch immer sehr bäuerlich geprägt. Fast zwei Drittel der Afrikaner arbeiten in der Landwirtschaft. Drei Fünftel der Bauern produzieren hauptsächlich für den Eigenbedarf (Subsistenzwirtschaft). Diejenigen Bauern, die Teile ihrer Ernte auf die Märkte bringen könnten, sind meist nicht konkurrenzfähig, weil vor allem die Europäische Union und die USA ihre Landwirte so stark subventionieren, dass dort eine Überproduktion entsteht, die die Weltmarktpreise drückt. Auf afrikanischen Märkten sind importierte Nahrungsmittel oft billiger als einheimische Produkte. Als Bauernland ist Afrika der am wenigsten industrialisierte Kontinent. Bodenschätze und billige Arbeitskräfte gäbe es reichlich, doch wird der Großteil der Rohstoffe zur Weiterverarbeitung exportiert. Die Wertschöpfung findet außerhalb der Förderländer statt. Politische Instabilität, Korruption, eine unzuverlässige Energieversorgung, schlecht ausgebildete Arbeitskräfte, schlechte Infrastruktur, fehlende lokale Märkte und lange Transportwege haben dazu geführt, dass sich internationale Großkonzerne zurückhalten, in Afrika in die Produktion zu investieren. Das Gesundheitssystem ist so mangelhaft wie die hygienischen Bedingungen.
Bevölkerungszuwachs: Vor drei Jahren überschritt Afrika die Milliardengrenze. 2050 werden nach Berechnungen der Vereinten Nationen knapp 2,5 Milliarden Menschen Afrika bevölkern, im Jahr 2100 werden es vier Milliarden sein - während dann in Europa nur noch 650 Millionen Menschen leben werden. Europa wird dann rund sechs Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, während in Afrika knapp vierzig Prozent der Erdbewohner leben werden. Auf der Suche nach Ackerland und Nahrung wird immer mehr Wald abgeholzt. Durch Erosion und Überweidung sind bereits Flächen von der Größe der Sahara im wörtlichen Sinn „verwüstet“. Fehlendes Ackerland und der Hunger werden noch mehr Menschen in die Wilderei treiben. Das Töten wilder Tiere und der Verkauf von Elfenbein und Nashörnern sind für viele schon heute die einzige Einnahmequelle. Eine gering ausgebildete Haustierhaltung führt dazu, dass viele Menschen illegal von sogenanntem Buschfleisch, dem Fleisch seltener und geschützter Tiere, leben, deren Lebensraum zudem immer enger wird.
Klima: Im Kongobecken, dem zweitgrößten Regenwaldgebiet der Welt, regnet es immer heftiger, während außerhalb der tropischen Wendekreise zusehends Land von den sich ausdehnenden großen Wüsten verschluckt wird. Hinzu kommt, dass ungewöhnliche, nicht zyklisch wiederkehrende Wetterphänomene wie El Niño viele Gegenden schwer treffen. In Äthiopien herrscht in diesem Jahr wieder extreme Dürre. Die Ernte ist um die Hälfte, in manchen Gebieten gar um neunzig Prozent geringer als normal ausgefallen. Auch im Südsudan herrscht Trockenheit. Dort kommt hinzu, dass in der Region, in der mehr als die Hälfte des Getreides angebaut wird, Krieg ausgebrochen ist, die Bauern nicht auf ihre Felder können und Nahrungsmitteltransporte nicht durchkommen, weil Straßen von Milizen blockiert sind.
Landraub: Immer mehr Regierungen sind bereit, Multis oder nichtafrikanischen Ländern große Flächen ihres Staatsgebiets zu verkaufen oder langfristig zu verpachten, damit internationale Konzerne oder Konsortien auf ihren neuen Ländereien industriell betriebene Landwirtschaft mit einem hohen Einsatz von Mineraldünger und Pestiziden treiben können. Der Profit kommt den kaufenden Ländern, der ausländischen Nahrungsmittelindustrie, der chemischen Industrie oder ausländischen Kapitalgesellschaften zugute. Es ist davon auszugehen, dass Teile der ausländischen Investitionen nicht in die Staatskasse fließen, sondern in die Taschen der Herrscherclique. Nahrungsmittel - keinesfalls Grundnahrungsmittel, sondern meist hochwertige Produkte (Kaffee, Baumwolle, Kautschuk, Kakao) oder Pflanzen wie Ölpalmen und Zuckerrohr, aus denen Biokraftstoff für die Industrieländer gewonnen wird - werden häufig nur für den Export produziert, während Millionen Afrikaner unterernährt sind.
Den Profit machen Konsortien
Das sogenannte Landgrabbing, der Ausverkauf afrikanischen Agrarlands an ausländische Investoren, hat weitere gravierende Folgen: Weil die massenhaft angebauten Nahrungsmittel billiger produziert werden, als Kleinbauern dies können, machen sie die Preise auf den örtlichen Märkten kaputt. Um große Plantagen anzulegen, werden Kleinbauern häufig gewaltsam vertrieben. Oft entzieht die intensive Flächennutzung umliegenden Regionen Wasser. Nach Schätzungen der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam sind in den vergangenen fünfzehn Jahren in Entwicklungsländern mehr als 220 Millionen Hektar Land von ausländischen Investoren gekauft oder gepachtet worden. Die Bodenpreise steigen, die Bodenspekulation blüht. In vielen Gebieten werden riesige Waldflächen abgeholzt - was schädlich fürs Klima ist und der Bodenerosion Vorschub leistet, was zu neuer Not führt. Die Befürworter dieses Geschäftsmodells - Kritiker sprechen von Neokolonialismus - sagen, in armen Ländern müsse die landwirtschaftliche Produktivität dringend steigen. Ausländisches Kapital bringe Technologie, schaffe Arbeitsplätze und öffne den Zugang für internationale Märkte. Fragt sich nur: für wen? In der hochtechnisierten Agrarindustrie werden als Arbeiter eher nur Saisonarbeiter und Tagelöhner gebraucht - als Niedrigstlöhner.
Das größte aller Übel: Armut
Armut: Die bisher genannten Punkte sind Teilaspekte des größten Übels: Armut. Sie ist eine Folge permanenter kriegerischer Zerstörung, ausbleibender Entwicklung und der daraus resultierenden Rückständigkeit. Folge klimatischer Verschiebungen und unterentwickelter Infrastruktur. Folge von Landraub und eines hohen Bevölkerungszuwachses. Folge korrupter Eliten und diktatorischer, kleptokratischer Führungen. Das alles führt dazu, dass Afrika der Kontinent ist mit dem bei weitem geringsten Lebensstandard. Nach einem Index der Vereinten Nationen, der Säuglingssterblichkeit, Lebenserwartung, den Grad der Alphabetisierung und Bildungsniveau zusammenbringt, liegen 22 der 24 Länder mit „geringer menschlicher Entwicklung“ in Afrika. 13 der 14 Länder mit dem geringsten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lagen 2008 dort. Weltweit ging die Armut von 1990 bis 2013 nach Daten der Weltbank von 1,8 Milliarden Menschen auf etwa 800 Millionen zurück. Insbesondere in Ostasien und Südasien nahm die Armut deutlich ab. Allein im Afrika südlich der Sahara nahm sie in dem knappen Vierteljahrhundert zu. Während China in den vergangenen drei Jahrzehnten rund 800 Millionen Einwohner aus der Armut geholt hat, ist die Zahl der Armen in Afrika in den vergangenen 25 Jahren um 100 Millionen gestiegen. Die Bevölkerung wuchs zwischen 1960 und dem Jahr 2000 schneller als die Wirtschaft. Heute leben mehr als zwei Drittel der Menschen südlich der Sahara von weniger als zwei Dollar pro Tag. Mehr als ein Fünftel gilt nach wie vor als unterernährt. 40 Prozent der Menschen haben nicht genügend Wasser, 70 Prozent leben unter sanitär unzumutbaren Umständen. Die Arbeitslosigkeit - besonders in den Elendsvierteln der Mega-Citys - ist enorm hoch, ebenso die Inflationsrate.
Die genannten zehn Grundübel finden sich mehr oder weniger und in Abwandlungen in ihrer Mehrzahl in den meisten afrikanischen Staaten. Es ist das immer gleiche Muster: Nur Eliten profitieren, die soziale Ungerechtigkeit nimmt zu, Investitionen bleiben aus. Beispiel Deutschland: Nach Aussage von Entwicklungsminister Gerd Müller sind von den rund 400000 deutschen Unternehmen, die im Ausland unterwegs sind, nur 800 in Afrika präsent. Die dortigen Regierungen ziehen keine Mittelschicht heran, die in demokratischen und wirtschaftlich erfolgreichen Staaten das Rückgrat bildet. Für die Tropen gilt zudem: Infektionskrankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber hemmen ebenfalls die Entwicklung.