In diesem Jahr haben palästinensische Frauen die Vorbereitung des ökumenischen Weltgebetstags der Frauen übernommen, und das war mehr als ein politisches Risiko. Inhaltlich konnte das deutsche Komitee nur verlieren. Denn der Konflikt um das Heilige Land ist heillos verfahren. Und tatsächlich: Nach Kritik an den Texten, unter anderem vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, musste man hierzulande Veränderungen der Vorschläge vornehmen. Unter anderem ist das ursprünglich geplante Motiv für das Plakat und das Titelbild der Gottesdienstvorlage zensiert worden, wegen Unsicherheit über die politische Einstellung der Künstlerin.
Doch diese Zensur war nicht konsequent. Ein anderer Aspekt, der den palästinensischen Macherinnen wichtig war, wurde nicht infrage gestellt: die Hoffnung auf Wiederkehr der palästinensischen Familien in ihre alten Häuser, nach fast 80 Jahren an Orte, an denen jetzt Juden wohnen. Diese Hoffnung wird durch den Schlüssel symbolisiert, und ganz naiv wird der Schlüssel in einer Fußnote der Gottesdienstordnung erklärt als "weltweites Sehnsuchts-Symbol für die Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat". Fragwürdig wird dieser Hinweis auf "die Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat" durch einen Nachsatz in der gleichen Fußnote: "Das kennen wir auch aus der deutschen Geschichte." Sind damit die Vertreibungen aus Polen, dem Baltikum oder der Tschechoslowakei gemeint? In diesem Fall ist dieser Nachsatz mehr als geschichtsvergessen.
Dieser Weltgebetstag hat die deutsche Mittelschicht angesprochen; Frauen, die die Zeit und die Ressourcen haben für solche Veranstaltungen, die nichts einbringen. Welche Arbeiterin kann solche Treffen vorbereiten, und gar noch Kuchen für alle mitbringen? Oder auch nur mitmachen?
In meinem Wohnort war ich einer von drei Männern, die am Gottesdienst teilgenommen haben. Ich weiß nicht, ob meine Anwesenheit nur geduldet oder doch geschätzt war. Bei der anschließenden Verköstigung waren es nur noch zwei, und eine Veranstalterin erklärte mir, dass man Männer "nicht mehr ausschließen" dürfe – daher meine Zweifel. Mich selbst habe ich als Außenstehender wahrgenommen, und damit als Beobachter. Und ich habe einige Beobachtungen gemacht, die mich berührt und fragend zurückgelassen haben.
Die Kirche war gefüllt, keine Frage. Graue Haare und gute Mäntel waren in der Überzahl. Dieser Weltgebetstag hat die deutsche Mittelschicht angesprochen; Frauen, die die Zeit und die Ressourcen haben für solche Veranstaltungen, die nichts einbringen. Welche Arbeiterin kann solche Treffen vorbereiten, und gar noch Kuchen für alle mitbringen? Oder auch nur mitmachen?
Die Anwesenden sprachen ganz unbefangen von ihren Patenkindern in der Dritten Welt, von Besuchen in Armenien und Georgien – als seien solche Reisen normal. Ein Detail dieser deutschen Weltsicht: Die "palästinensischen Speisen", unter der Aufsicht einer Syrerin vorbereitet, wurden in typisch deutschen Schüsseln gereicht, Schüsseln der berüchtigten Serie "Luminarc Aspen". Als stolz verkündet wurde: "Es sind 666 Euro Spenden zusammengekommen!", wusste jede Frau, dass sie richtig und wichtig ist. Ein gutes Gefühl für die deutsche Mittelschicht – aber auch gut für die Anliegen Frieden und Gerechtigkeit?
Zurück zur Situation von vor 80 Jahren?
Zur Liturgie gab es ein Heft im Umfang von 24 Seiten. Peinlich genau sind die Worte vorgegeben, auch die Rollenverteilung von Leiterinnen, Sprecherinnen, Lektorinnen. Gendern erübrigt sich hier, und Anpassung oder Veränderung der Texte sind explizit nicht erwünscht.
Kein liturgisches Buch ist so streng in seinen Vorgaben, dabei lebt Liturgie durch die Gleichzeitigkeit von Tradition und Freiheit. Doch Freiheit scheint bei diesen Gebetstagen gefährlich zu sein: Das Vorbereitungskomitee betont, dass die Gebete so und nicht anders gelesen werden sollen, wie sie vorgegeben sind; auf die Frage: "Dürfen wir die Gottesdienstordnung verändern?" wird eindeutig geantwortet: "Der Gottesdienst sollte als Einheit gesehen und möglichst nicht verändert werden. Das deutsche Komitee hält daran fest, die Stimme der Palästinenserinnen zu hören und ihre Sehnsucht nach einem gerechten Frieden wahrzunehmen."
Drei Frauen werden in der Vorlage namentlich genannt: Eleonor, Lina und Sara. Drei Christinnen aus Palästina, die alle irgendwie etwas Gutes erzählen, auch wenn mir nicht recht klar geworden ist, was dieses Gute jeweils ist.
Eleonor erzählt von der Flucht ihrer Eltern aus Jerusalem. Dabei musste die Familie kostbare religiöse Gegenstände zurücklassen, eine Nachbarfamilie erbot sich, auf diese Gegenstände aufzupassen. Was ist mit diesen Gegenständen, mit der jüdischen Familie passiert? Wir erfahren es nicht. Wir erfahren aber, dass Eleonor in Jerusalem lebt und sich für ihre Gemeinschaft engagiert – und wieder erfahren wir nicht, was sie tut, nur dass sie etwas tut.
Die zweite Geschichte, die Geschichte von Lina, ist keine Geschichte von Lina. Es ist die Erinnerung an Shireen Abu Akleh, deren Tod um Jahr 2022 weltweites Aufsehen erregt hat. Ob "Lina" tatsächlich die Nichte von Shireen Abu Akleh ist oder eine literarische Figur, das wird nicht weiter betrachtet.
Die dritte Geschichte führt wie die erste Geschichte zur "Nakba" zurück und zur Bedeutung, die die Ereignisse von 1947 bis 1949 für die Menschen heute noch haben sollen. Diese Geschichte von Sara gipfelt in einem Lobpreis – nein, nicht dem Lobpreis Gottes, sondern dem Lobpreis der Ahnen: "So kann ich andere in Liebe ertragen, wie es meine Vorfahren taten."
Geschichten werden lebendig durch Handlungen, durch unerwartete Wendungen, durch eine überraschende Pointe. All das fehlt, es bleibt ein unverblümtes Streben zurück zur Situation von vor 80 Jahren – und nichts davon wird angefragt, soll auch nicht angefragt werden, wie das Komitee klargestellt hat.
Verflachtes Geheimnis
Schließlich der liturgische Gruß "Wir versammeln uns im Namen Gottes, Ursprung des Lebens; im Namen Jesu, unseres Bruders; und im Namen der Heiligen Geistkraft". Der Weltgebetstag der Frauen ist ein dezidiert christlicher Tag, und sollte auch christliche Gebete enthalten. Daher die Frage: Ist der Heilige Geist eine Kraft? Ist Jesus nur ein Bruder? Und vor allem: Bezieht sich die Bezeichnung "Gott" nur auf den "Ursprung des Lebens"?
Ist der Heilige Geist einfach eine "Heilige Geistkraft" oder eine Person der Trinität, also jemand, den man ansprechen kann?
Natürlich kann man die Bezeichnung "Gott Vater" als patriarchale Sprache ablehnen und zu erneuern suchen. Sind diese neuen Begriffe gelungen? Oder wenigstens nicht allzu sehr misslungen? Eine Geistkraft ist eine Sache, keine Person. Ein Bruder ist ein Bruder, kein Rabbi, und vor allem kein Erlöser und Gott. Ursprung des Lebens, das könnte auch Wasser und Nährstoffe bedeuten, und bei dieser Deutung könnte mindestens die Biologie mitgehen.
So bleibt es fragwürdig, Gott Vater zu "Gott, Ursprung des Lebens" umzuformulieren. Jesus als "Bruder" zu bezeichnen ist ein Zugang zu Jesus, aber ist das der entscheidende christliche Zugang? Jesus Christus ist der Herr, das ist die Botschaft des Christentums. Ist der Heilige Geist einfach eine "Heilige Geistkraft" oder eine Person der Trinität, also jemand, den man ansprechen kann?
Die Trinität zu verstehen, das ist unmöglich. Es ist das zentrale Geheimnis des Glaubens, des Christentums. Dieses Geheimnis um des einfachen Verständnisses willen zu verflachen, das geht am Glauben und an Gott vorbei.
Mit Liturgien und Gebeten ist es vielleicht wie mit Musikstücken: Einige werden Klassiker und sind nach Jahrhunderten noch lebendig, wie die Musik von Bach oder die Psalmen. Andere Versuche sind nach wenigen Monaten vergessen. Zur zweiten Kategorie gehört wohl dieser Weltgebetstag, wenn auch zentrale Fragen bleiben: Wie Frieden schaffen? Wie Menschen ansprechen? Und vor allem: Wie mit Gott sprechen?