"Nicht auf Augenhöhe"Bischof Voderholzer zur Debatte um kirchliche Agrarpolitik-Studie

Dass viele Landwirte die Studie "Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität" als "Bauern-Bashing" wahrgenommen haben, kommt nicht von ungefähr, sagt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Er meint: Es ist nicht Aufgabe der Bischöfe, Stellungnahmen zur Agrarpolitik zu verantworten.

Mähdrescher auf einem Feld
© Pixabay

Benjamin Leven: Die Studie einer "Sachverständigengruppe" der Deutschen Bischofskonferenz mit Vorschlägen zur Agrarpolitik hat für Aufregung gesorgt. Zurecht?

Rudolf Voderholzer: Ich kann nur sagen, dass mich nach der Veröffentlichung der Studie ein wahrer Shitstorm von Landwirten, besorgten Pfarrern und Diakonen, die teilweise selbst Landwirte sind, erreicht hat. Der Tenor war: Müssen jetzt auch noch die Bischöfe auf uns einschlagen? Dass diese Einschätzungen nicht auf bloßen Missverständnissen beruhten, zeigt auch die deutliche und fundierte Kritik durch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber.

Leven: Die Studienautoren sagen, die öffentliche Rezeption sei "in eine Richtung gelenkt worden", die "nicht der Intention der Studie entspreche". Handelt es sich also nur um ein Missverständnis?

Voderholzer: Ich habe mir die Studie selbst durchgelesen, um einschätzen zu können, ob die Aufregung gerechtfertigt ist. Was mir dabei besonders aufgefallen war, war einerseits ein Ton, der nicht auf Augenhöhe mit den Betroffenen spricht, sondern sehr stark von oben herab. Man lese nur einmal die Kernbotschaft Nr. 11 über Tradition und Kultur (= Zusammenfassung der Seiten 36 f.). Hinzukommen noch einige Passagen mit pauschalen und ideologisch gefärbten Urteilen. Ich kann nicht sehen, dass es nur ein Missverständnis gewesen sein soll, wenn die Infragestellung des Freiwilligkeitsprinzips als Drohung mit Enteignung interpretiert wurde. Dass mir nun von Prof. Johannes Wallacher unterstellt wird, ich wollte mit meiner Kritik nur gegen die Bischofskonferenz schießen, ist ein argumentum ad personam. Ich habe in meiner Stellungnahme deutlich gemacht, dass die Studie nicht von mir verantwortet ist, weil sie von einer Expertengruppe erstellt wurde und dass sie eine diskussionswürdige Positionierung darstellen kann und dass ich mir bei einigen Punkten mehr Differenzierung und Rücksichtnahme auf regionale Unterschiede gewünscht hätte. Dass der Bauernstand sehr empfindlich geworden ist und schnell "Bauern-Bashing" wittert, kommt nicht von ungefähr. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, einen oder mehrere Vertreter der sogenannten konventionellen Landwirtschaft oder überhaupt agrarwissenschaftliche Kompetenz mit in die Arbeitsgruppe aufzunehmen. Dass kein Bodenexperte dabei war, wurde selbst vonseiten der KLB Passau bemängelt. Und dass angesichts der Beteiligung der ehemaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ("Neue Bauernregeln") bei vielen Bauern die Alarmglocken klingeln, darf auch niemanden wundern.

Dass eine Sachverständigengruppe im Auftrag einer Kommission der Deutschen Bischofskonferenz einen Text veröffentlicht, der dann in der Öffentlichkeit als Wort der Bischöfe wahrgenommen wird, kommt in der Regel nicht vor.

Leven: Die Sachverständigengruppe ist ein Beratungsgremium der Kommission "Weltkirche" der Deutschen Bischofskonferenz. Sie haben wissen lassen, das Papier sei "ohne Kenntnis der Bischöfe veröffentlicht" worden. Ist das bei diesen Texten immer so?

Voderholzer: Dass eine Sachverständigengruppe im Auftrag einer Kommission der Deutschen Bischofskonferenz einen Text veröffentlicht, der dann in der Öffentlichkeit als Wort der Bischöfe wahrgenommen wird, kommt in der Regel nicht vor. In diesem Fall ist es wohl Ausdruck einer Entfremdung, wenn das Papier nicht mit einer Hermeneutik des Wohlwollens gelesen wird, sondern unter dem Vorzeichen des Verdachts mangelnder Wertschätzung. Immerhin übernahm der Vorsitzende der Kommission X, Bischof Bertram Meier von Augsburg, durch die Präsentation des Textes eine Mitverantwortung. Aber natürlich widerspricht es der Aussage der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" des Zweiten Vatikanischen Konzils, welche die relative Autonomie der irdischen Wirklichkeiten gelehrt hat (vgl. GS 36). "Die Bischöfe aber, denen das Amt, die Kirche Gottes zu leiten, anvertraut ist, sollen mit ihren Priestern die Botschaft Christi so verkündigen, dass alle irdischen Tätigkeiten der Gläubigen von dem Licht des Evangeliums erhellt werden" (GS 43). Aufgabe der Bischöfe und somit der Bischofskonferenz ist es, für die lebendige Verkündigung des Wortes Gottes Sorge zu tragen. Aber auch, unter pastoraler Rücksicht, Sorgen, Nöte und Existenzängste der Menschen ernst zu nehmen. Und die gibt es bei den bäuerlichen Familienbetrieben wahrlich zuhauf. Ich erlebe es bei den Landwirten in meiner eigenen Verwandtschaft hautnah. Und Sie müssen sich vorstellen: Wir waren im September gerade dabei, Kandidatinnen und Kandidaten für die anstehenden Kirchenverwaltungswahlen zu gewinnen. Auf dem Land sind es vielfach Bäuerinnen und Bauern, die sich ehrenamtlich für ihre Kirchen einsetzen und sie als "ihre Sach'" betrachten. Da waren ein ausdrücklich positives und anerkennendes Wort, ein Dank und das Anmahnen von größerer Differenzierung unbedingt notwendig.Deshalb hatte ich mich so geäußert, nicht um gegen die Bischofskonferenz zu schießen. Grundsätzlich würde ich sagen: Agrarwissenschaftliche Fragen sollen von Agrarwissenschaftlern diskutiert und behandelt werden. Im Idealfall sind darunter auch Gläubige, die ihren Schöpfungs- und Erlösungsglauben als besondere Motivation und Maßstab in die wissenschaftliche Diskussion einbringen.

Völlig unstrittig ist ja, dass wir nicht erst seit der Enzyklika "Laudato si" bemüht sein müssen, verstärkt auf die Bewahrung der Schöpfung, die nachhaltige Bewirtschaftung der Böden und die sozio-ökologischen Interdependenzen zu achten.

Leven: Immerhin ist das Papier überhaupt öffentlich wahrgenommen worden, was man nicht über alle kirchlichen Äußerungen sagen kann. Ist das kein Erfolg?

Voderholzer: Angesichts der Ängste und der Wut, die das Papier bei Betroffenen ausgelöst hat, kann von Erfolg sicher nicht die Rede sein, höchstens von einem teuer erkauften Erfolg. Völlig unstrittig ist ja, dass wir nicht erst seit der Enzyklika "Laudato si" bemüht sein müssen, verstärkt auf die Bewahrung der Schöpfung, die nachhaltige Bewirtschaftung der Böden und die sozio-ökologischen Interdependenzen zu achten.

Leven: Die Deutsche Bischofskonferenz und ihre Kommissionen äußern sich immer wieder zu unterschiedlichen sozialen, ökologischen oder politischen Fragen. Wäre das nicht eher die Aufgabe des Zentralkomitees der deutschen Katholiken?

Voderholzer: Zumindest nicht die der Bischöfe und Priester. Als Absolvent (Magister Artium) der Hochschule für Philosophie in München, deren Rektor der Vorsitzende der Sachverständigengruppe ist, möchte ich an dieser Stelle meinen philosophischen Lehrer Jörg Splett zitieren: "Woher hat der Priester bzgl. Startbahnbau, Betriebs-Stilllegung, Errichtung eines Atom- oder Kohlekraftwerks, der Nachrüstung oder der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich überlegene Sachkompetenz und amtliche Autorität? Sind nicht eben diese Fragen konzilsgemäß das eigene Feld der Laien? Natürlich darf und soll auch der Priester als 'mündiger Bürger' hierzu seine Meinung haben, samt dem Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG). Dies aber nicht als Priester (und in der Sonntagspredigt)." (Jörg Splett, Als Laie in der Kirche, 1984)

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