Migrationspolitik: Besonnenheit statt PanikmacheDarum war die Stellungnahme des katholischen und des evangelischen Büros richtig

Echte Probleme brauchen echte Lösungen, aber Angstpolitik führt in die Irre. Wer Bedrohungsszenarien zeichnet, ohne zu differenzieren, handelt verantwortungslos. Die Kirche darf sich nicht wegducken – sie muss Populismus entlarven und tragfähige Lösungen mitgestalten.

Reichstag in Berlin
© Pixabay

Die Stellungnahme aus dem katholischen und evangelischen Büro in Berlin zum "Zustrombegrenzungsgesetz", das die CDU/CSU am Freitag, 31. Januar 2025, in den Bundestag einbringen will, wenn es nicht in letzter Sekunde noch zu einer Verständigung mit der SPD und den Grünen kommt, ist sachlich im Ton, präzise in der Argumentation und klar in der Position. Sie ist auch geeignet, die Diskussion zu versachlichen, die durch den Entschließungsantrag mit den "5 Punkten" ausgelöst worden ist, der am Mittwoch, 29. 1. 2025, mit Stimmen aus der CDU/CSU, der AfD, der FDP und weiteren verabschiedet worden ist. Die katholische Kirche darf sich nicht wegducken, wenn in der Öffentlichkeit Themen diskutiert werden, die Menschen bewegen. Politisch verantwortete Nächstenliebe sieht so aus, dass echte Probleme benannt und echte Lösungen umgesetzt werden, in einem geordneten Verfahren, im Wechselspiel der Gewaltenteilung, auf demokratischer Grundlage.

Viele Kommunen klagen, überfordert zu sein, weil zu viele Menschen nach Deutschland kommen. Es braucht Lösungen, die vor Ort helfen. Aber wer einen Antrag einbringt, der ein allgemeines Bedrohungsszenario entwirft, ohne zwischen Flüchtlingen aus der Ukraine, Zugereisten aus der EU und Migration aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern zu unterscheiden, bleibt unterkomplex. Politik ist begrenzt, deshalb spielen auch Grenzen eine Rolle, auch Grenzkontrollen. Aber die Pointe der Nächstenliebe besteht darin, keinen Menschen allein aufgrund seiner Herkunft zurückzuweisen. Sie besteht nicht darin, keine Grenzen zu ziehen und alle, die kommen, nur durchzuwinken. Sie besteht aber darin, ein Grenzregime zu treiben, das die Interessen der einheimischen Bevölkerung mit internationaler Solidarität vermittelt.

Zu sagen, dass ein Antrag nicht falsch wird, wenn die Falschen zustimmen, reicht nicht, weil die politische Kultur Schaden nimmt. Nur das Vorgehen der CDU/CSU zu kritisieren, ohne eigene Lösungen vorangetrieben haben, reicht allerdings auch nicht.

Es braucht qualifizierte Immigration. Es gibt Fremdenfeindlichkeit. Wer den Eindruck erweckt, sie entscheidend durch restriktive Migrationspolitik bekämpfen zu können, springt zu kurz. Wer Politik auf Kosten europäischer Nachbarn treiben will, ist auf dem Holzweg, auch wenn die sich ihrerseits nicht solidarisch verhalten. In der katholischen Soziallehre gibt es einen Primat der Familie vor dem Staat; der darf nicht ausgehebelt werden, auch wenn aus ihm nicht schon ein Recht auf unbegrenzten Nachzug aller Verwandten folgt. Zu sagen, dass ein Antrag nicht falsch wird, wenn die Falschen zustimmen, reicht nicht, weil die politische Kultur Schaden nimmt. Nur das Vorgehen der CDU/CSU zu kritisieren, ohne eigene Lösungen vorangetrieben haben, reicht allerdings auch nicht: Es gibt echte Probleme, und es mangelt an guten Lösungen.  

Die Kirche hat die Aufgabe, Populismus zu bekämpfen, Ethik zu demokratisieren und den vernünftigen Interessensausgleich zu fördern. Dazu gehört Kritik an übereilten Vorstößen, aber mehr noch die Mitarbeit bei tragfähigen Lösungen.

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