Auftrumpfende GeschmacklosigkeitFranziskus verehrt ein Jesuskind im Palästinensertuch

Lässt sich dieses Bild noch mit der "Neutralität" der vatikanischen Friedensdiplomatie erklären?

Papst Franziskus betet vor der Krippe am 7. Dezember 2024 in der Audienzhalle im Vatikan. Das Jesuskind liegt auf einem schwarz-weißen Palästinensertuch.
Papst Franziskus betet vor der Krippe am 7. Dezember 2024 in der Audienzhalle im Vatikan. Das Jesuskind liegt auf einem schwarz-weißen Palästinensertuch.© Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

Erneut geht ein Bild um die Welt, das für Irritationen in der jüdischen Community sorgt und viele befremdet, die im jüdisch-katholischen Dialog engagiert sind. Papst Franziskus ist da vor einer einfachen Krippe zu sehen, die das Jesus-Kind auf einem Palästinensertuch zeigt. Der schwarz-weiße Palästinenserschal, die Kufiya, ist politisch keinesfalls unschuldig. Er ist ein hochaufgeladenes Symbol. Das Jesuskind damit öffentlich zu präsentieren, ist ein Akt der politischen Instrumentalisierung – für die palästinensische Sache. Die Krippe steht in der Audienzhalle des Vatikans, stammt aus Betlehem und wurde vom palästinensischen Botschafter übergeben. Laut Medienberichten soll ein Mitglied einer palästinensischen Delegation das Tuch vor der Ankunft des Papstes dort drapiert haben.

Jesus, Maria und Josef waren Juden

Nur zur Erinnerung: Die PLO hat in ihrer Charta nicht weniger als die Vernichtung des Staates Israels festgeschrieben. Die Terrororganisation Hamas geht noch weiter: "Die Islamische Widerstandsbewegung ist eine einzigartige palästinensische Bewegung, die Gott ihre Treue gibt, den Islam zur Lebensweise nimmt und dafür wirkt, Gottes Banner auf jedem Fußbreit Palästinas zu hissen" (Artikel 6). Und weiter heißt es in der Charta: "Die Muslime werden sie töten, bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt, und Stein und Baum dann sagen: Muslim, oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn, außer der Gharqad-Baum, denn er ist ein Baum der Juden" (Artikel 7).

"Jeder getötete Jude war eine Ohrfeige für den lebendigen Gott", hat Kardinal Jorge Mario Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner von Buenos Aires, Abraham Skorka, über die NS-Verbrechen gesagt. Jesus, Maria und Josef waren Juden. Der Basler Theologe Karl Barth hat das in seiner Kirchlichen Dogmatik unterstrichen: "Das Wort wurde – nicht Fleisch, Mensch, erniedrigter und leidender Mensch in irgendeiner Allgemeinheit, sondern jüdisches Fleisch." Maria, die Tochter Zion, hat Jesus geboren und am achten Tag beschneiden lassen (Lk 2,21). Sie hat ihren Sohn im semantischen Universum Israels großgezogen, er hat mit den Psalmen beten gelernt, der Tora hat er das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Dtn 6,4f; Lev 19,18) entnommen. Barths pointierte Erinnerung an das Judesein Jesu war die klare Absage an Konstruktionen eines arischen Jesus, die im Umfeld der "Deutschen Christen" vorgenommen wurden.

Auch heute gibt es Versuche, Jesus zu einem palästinensischen Befreiungskämpfer zu stilisieren und ihn israeltheologisch zu entwurzeln. Dagegen ist Einspruch geboten. Franziskus selbst hat in seinem Schreiben Evangelii Gaudium 2013 festgehalten:

"Der Dialog und die Freundschaft mit den Kindern Israels gehören zum Leben der Jünger Jesu. Die Zuneigung, die sich entwickelt hat, lässt uns die schrecklichen Verfolgungen, denen die Juden ausgesetzt waren und sind, aufrichtig und bitter bedauern, besonders, wenn Christen darin verwickelt waren und sind."

Der Papst aber tut sich gegenwärtig sichtlich schwer, Zeichen der Zuneigung zu setzen. Nach der monströsen Attacke der Hamas am 7. Oktober 2023 hat Franziskus lange gezögert, den Aggressor klar zu verurteilen und das Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel anzuerkennen.

Es mehren sich die Anzeichen, dass der Papst im Gaza-Krieg die diplomatische Balance verloren hat.

Der Grundsatz der Neutralität, der die Friedensdiplomatie des Heiligen Stuhls leitet, wurde als Grund dafür angeführt. Schon damals war fraglich, ob die Beanspruchung von Neutralität gegenüber dem Terror neutral sein kann. Seitdem mehren sich die Anzeichen, dass der Papst, der immer wieder einmal den "Legalismus der Pharisäer" als Kontrastfolie für die Barmherzigkeit Gottes bemüht, im Gaza-Krieg die diplomatische Balance verloren hat. In seinem "Brief an die Katholiken im Nahen Osten" hat er den locus classicus des kirchlichen Antijudaismus, Joh 8,44, zitiert und jüngst in einem Interviewbuch gefordert, den Genozid-Vorwurf gegenüber dem Staat Israel juristisch zu prüfen, was zu Unverständnis in der jüdischen Welt geführt hat.

Um keine Missverständnisse zu wecken: Es ist wichtig und richtig, mit den unschuldigen Opfern des Krieges Solidarität zu zeigen und sich mit allen Mitteln für Frieden einzusetzen. Das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung schreit zum Himmel und muss ein Ende haben. Aber darf darüber vergessen werden, welche Rolle in diesem Krieg die monströse Attacke der Hamas einnimmt? Die Explosion der Gewalt, die auf israelischem Staatsgebiet stattgefunden hat, ist nicht nur für die Geiseln und ihre Familien, sondern die ganze israelische Bevölkerung zum Trauma geworden. Das darf Franziskus nicht ausblenden, wenn er Freund der Juden bleiben will. Die auftrumpfende Geschmacklosigkeit, ein Jesuskind im Palästinenserschal zu verehren, widerspricht der Zuneigung zu Israel, die Franziskus in Evangelii Gaudium allen Christen ans Herz gelegt hat.

Nachtrag vom 11.12.2024, 11:30: Inzwischen wurde das Palästinensertuch mitsamt Christkind aus der Krippe in der Audienzhalle entfernt.

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