Kritik an "Pax Christi"Kohlgraf: Pazifistische Positionen bleiben wichtig

Die katholische Friedensbewegung "Pax Christi" hat sich einem Aufruf an die Bundesregierung angeschlossen, keine Waffen nach Israel zu liefern. Das belastet die jüdisch-christlichen Beziehungen, findet Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. "Pax Christi"-Präsident Bischof Peter Kohlgraf weist die Kritik zurück, sagt aber auch: Die Bewegung spricht nicht für die katholische Kirche.

Bischof Peter Kohlgraf
© Harald Oppitz/KNA

Die Frage, sich die katholische Kirche im Gaza-Krieg positioniert, ist eine heikle Angelegenheit. Denn es geht hier nicht einfach um einen von vielen internationalen Konflikten. Indirekt ist hier immer auch das jüdisch-christliche Verhältnis berührt. Dass Papst Franziskus sich nach der Hamas-Attacke vom 8. Oktober 2023 nur sehr vorsichtig äußerte und allgemeine "Spaltung und Hass" beklagte, ist ihm immer wieder zum Vorwurf gemacht worden. Der Theologe Gregor Maria Hoff, Berater der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, kritisierte im Februar, Franziskus vermeide es, zu benennen, "wer angegriffen hat und wer sich verteidigt". Dass der Papst die "einzigartige Beziehung der Kirche zum Judentum" unterstreiche, sei zwar zu begrüßen. "Aber was trägt dieses Bekenntnis aus, wenn es um abrufbare Loyalität im Ernstfall geht?"

Inzwischen sind mehrere Monate vergangen und der Krieg geht weiter. In Deutschland wird über das Vorgehen Israels gegen die Hamas diskutiert; Kritik an der israelischen Regierung kommt nicht zuletzt von der politischen Linken, für die Israel als "Inbegriff kolonialer Gewalt in der Gegenwart" gilt. Bei Protesten an deutschen Universitäten kommt es derzeit immer wieder zu antisemitischen Entgleisungen, beklagen Beobachter.

Am 2. Mai haben 37 Organisationen die Bundesregierung in einem Offenen Brief aufgefordert, "den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Israel" zu stoppen, "die in Gaza oder im besetzten Westjordanland eingesetzt werden könnten und bei denen das Risiko besteht, dass mit diesen Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen oder erleichtert werden könnte". In dem von Amnesty International Deutschland initiierten Schreiben ist auch von einer "Gefahr des Völkermordes" in Gaza die Rede.

Mitunterzeichnet wurde dieser Brief von der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi".

Volker Beck, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, kritisiert die Unterschrift von "Pax Christi" gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wenn es um die Delegitimierung Israels geht, steht 'Pax Christi' immer in der ersten Reihe." Beck sieht außerdem Auswirkungen für das jüdisch-christliche Verhältnis: "Die katholische Kirche sollte sich mal überlegen, was die Forderung dieser Israelfeinde für das Verhältnis der Christen zu ihren älteren Brüdern und Schwestern bedeutet", so der Grünen-Politiker. Die Zeitung weist außerdem darauf hin, dass der Offene Brief von "Islamic Relief" mitunterzeichnet wurde, einer Organisation, die über Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft verfügen soll.

Kohlgraf antwortet auf die Frage, ob er das Schreiben kannte und seine Forderungen teilt, ausweichend.

Präsident der deutschen Sektion von "Pax Christi" ist der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. In einer Stellungnahme gegenüber COMMUNIO betont er einerseits: "Pauschale Kritik an Pax Christi wegen der Unterzeichnung eines offenen Briefes an die Bundesregierung weise ich zurück. Das Selbstverteidigungsrecht Israels und die Verurteilung des Angriffs der Hamas und der Geiselnahmen haben Pax Christi und auch ich selbst schon mehrfach betont." Anderseits antwortet Kohlgraf auf die Frage, ob er das Schreiben kannte und seine Forderungen teilt, ausweichend: "Es gibt viele verschiedene Schattierungen von Pazifismus – auch in der Friedensbewegung Pax Christi. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass Stellungnahmen von Pax Christi teilweise von einzelnen Arbeitsgruppen verfasst werden. Und jedenfalls ist es nicht so, dass ich als Präsident jede Stellungnahme vorher sehe und absegne." Kohlgraf weist außerdem darauf hin, dass "Pax Christi" bei der Unterzeichnung des Offenen Briefes "keinerlei Einfluss darauf" gehabt habe, "wer das Schreiben noch unterzeichnet". Auf die Frage, ob die Beteiligung von "Pax Christi" an dem Brief eine Belastung für das jüdisch-christliche Verhältnis darstelle, antwortet der Bischof nicht direkt, stellt aber fest, "dass Pax Christi nicht für die katholische Kirche spricht, erst recht nicht eine Arbeitsgruppe."

Grundsätzlich hätten auch pazifistische Positionen in der aktuellen Debatte ihre Berechtigung, unterstreicht der Bischof:

"Bei allen realpolitischen Auseinandersetzungen und Diskussion in diesen Fragen, bleiben pazifistische Positionen in dieser Debatte wichtig, weil sie die militärische Rhetorik aufbrechen. Ich halte es auch für wichtig, an das Evangelium zu erinnern. Die biblischen Friedensvisionen sind pazifistisch. Sie sind in kriegerischen Zeiten entstanden und geben die Hoffnung, dass Krieg, Hass und Gewalt nicht das letzte Wort haben. Wir müssen bei allen realpolitischen Debatten aufpassen, dass Menschen mit pazifistischen Positionen am Ende nicht als die Deppen dastehen. Bei allen gesellschaftlichen Debatten zeigt sich ja aktuell, dass je unübersichtlicher die Situation ist, desto schärfer der Ton wird. Weil das Sicherheit gibt. Wir müssen aber suchen und ringen. Natürlich brauchen wir in manchen Fragen Klarheit. Aber wir kommen aus einem Krieg niemals schuldlos heraus. Das macht den Krieg auch so schrecklich. Egal, wo wir Waffen einsetzen, machen wir uns schuldig, weil Waffen töten. Wenn nichts getan wird, macht man sich auch schuldig."

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