Der Versuch einer ÖVP-FPÖ-Koalition ist gescheitert – zum Glück. Die ideologisch entkernte und orientierungslose Volkspartei steht dennoch vor einem Scherbenhaufen.

Das Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ kann man nur mit Erleichterung aufnehmen. Eine blau-türkise Regierung unter dem Möchtegern-"Volkskanzler" Kickl wäre für Österreich ein Desaster und eine Schande. Eine Schande aber auch für die staatstragende ÖVP, die sich weiterhin als Europapartei versteht.

Eine Koalition mit der in Teilen rechtsextremen, EU-feindlichen und russlandfreundlichen FPÖ verbietet sich aus Gründen der Staatsraison. Die ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik und der frühere EU-Kommissar Franz Fischler, beide ÖVP-Mitglieder, haben sie einer Klarheit ausgesprochen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.

Nach den Nationalratswahlen gab es von vornherein einflussreiche Kreise, namentlich im Wirtschaftsflügel der Partei, die mit einer blau-schwarzen Koalition liebäugelten. Sie waren getrieben von der völligen Selbstüberschätzung, Kickl zähmen zu können.

Was gegen einen Teufelspakt mit Kickl spricht, konnte man auch schon vor Aufnahme der Koalitionsverhandlungen wissen. Doch nach den Nationalratswahlen gab es von vornherein einflussreiche Kreise, namentlich im Wirtschaftsflügel der Partei, die mit einer blau-schwarzen Koalition liebäugelten. Sie waren getrieben von der völligen Selbstüberschätzung, Kickl zähmen zu können, so wie der kleine Prinz den Fuchs in der Novelle von Antoine de Saint-Exupéry, den sich seinerzeit Wolfgang Schüssel zum Vorbild nahm, als er mit der FPÖ unter Jörg Haider eine Koalition einging. Er tat dies freilich als Bundeskanzler, nicht als Vizekanzler einer sich selbst verzwergenden ÖVP und auch ohne Zweifel an der proeuropäischen Ausrichtung seiner Partei zu nähren, mochten das die anderen Mitgliedsstaaten der EU, die gegen Österreich Sanktionen verhängten, damals auch anders sehen.

Dass die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS, die ein Dreierbündnis gegen Kickls Griff nach der Macht zu verhindern suchten, gescheitert sind, liegt sicher nicht nur am SPÖ-Vorsitzenden Babler und seiner Forderung nach einer Bankenabgabe – die doch auch die FPÖ fordert –, sondern wohl auch daran, dass schon damals starke Kräfte in der ÖVP ein Regierungsbündnis mit der FPÖ favorisierten. 

So oder so, die ÖVP steht am Abgrund, auf den sie sich sehenden Auges zubewegt hat. Sie ist in jedem Fall die große Verliererin des österreichischen Politdramas. Sie wäre es ebenso in einer Koalition mit der FPÖ gewesen wie sie es nun nach dem Scheitern der Verhandlungen ist. Wir sehen eine ideologisch entkernte und orientierungslose Partei, deren christlich-soziale DNA schon länger an Auszehrung gelitten hat. Auch wenn sie tief in den Bundesländern verankert ist, schon allein als Bürgermeisterpartei im ländlichen Raum, könnte ihr doch die Spaltung und ein ähnliches Schicksal wie weiland der Democrazia Cristiana in Italien drohen.

Die Kirchen haben sich im österreichischen Wahlkampf und auch in den Monaten seither deutlich zurückgehalten. Sie sprechen gern von ihrer Äquidistanz zu allen Parteien, wobei es die Parteien sind, die nach Aussage des evangelischen Bischofs Michael Chalupka durch ihre Politik die eigene Nähe oder Ferne zum Evangelium bestimmen.

Die FPÖ ist für Christen keine Alternative

In Zeiten fortschreitender Säkularisierung lässt sich nicht mehr ohne weiteres von der besonderen Kirchennähe einer Partei sprechen, nicht einmal mehr im Fall der ÖVP. Die katholische Soziallehre hat in ihr erkennbar an Gewicht verloren. Dass es die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz war, die den Karfreitag als staatlichen Feiertag für die Protestanten und Altkatholiken abgeschafft hat, ist nicht vergessen. Auch nicht die Einschüchterungsversuche des damaligen Generalsekretärs im Finanzministerium Thomas Schmid (ÖVP) gegenüber dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka. Schmid wollte die katholische Kirche in Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik gefügig machen.

Die FPÖ hat schon von ihrer Geschichte her eine antiklerikale DNA. Dass die FPÖ in den Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen hat, die steuerliche Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags abzuschaffen und auch die Absetzbarkeit für Spenden an Organisationen wie Caritas und Diakonie einzuschränken, passt ins Bild. Bekennende Christen, welche die FPÖ für eine im Prinzip christentumsaffine Partei halten, wollen diese Fakten nicht sehen oder versuchen sie zu relativieren.

Von der FPÖ ganz zu schweigen. Sie hat schon von ihrer Geschichte her eine antiklerikale DNA. Namentlich Herbert Kickl hat zu den Kirchen ein gespanntes Verhältnis, besonders auch zu Diakonie und Caritas wegen ihrer Haltung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Immer wieder hat er das Christentum politisch instrumentalisiert, zum Beispiel in islamfeindlichen Äußerungen. Zur Israelitischen Kultusgemeinde ist das Verhältnis der FPÖ wegen ihrer großen Nähe zu Neonazis, Antisemiten, Shoah-Leugnern und Rassisten zerrüttet.

Dass die FPÖ in den Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen hat, die steuerliche Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags abzuschaffen und auch die Absetzbarkeit für Spenden an Organisationen wie Caritas und Diakonie einzuschränken, passt ins Bild. Bekennende Christen, auch in Deutschland, welche die FPÖ für eine im Prinzip christentumsaffine Partei halten, wollen diese Fakten nicht sehen oder versuchen sie zu relativieren. Darüber wird in den Kirchen noch intensiv zu reden sein.

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