Neuregelung des AbtreibungsrechtsHat man in der katholischen Kirche die Dringlichkeit unterschätzt?

Es ist immer noch unklar, wie es nach der heutigen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags mit der Liberalisierung des Abtreibungsrechts weitergeht. Für die AfD bietet sich die Chance, Rot-Grün vorzuführen. Wenn sie diese Gelegenheit nutzt, könnte alles sehr schnell gehen. Katholische Kirchenvertreter müssten sich dann fragen, ob sie die Angelegenheit ernst genug genommen haben.

Luftballon mit der Aufschrift
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Heute Nachmittag befasst sich der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags in einer Anhörung mit dem Thema "Neuregelung des Abtreibungsrechts". Je nachdem, wie sich die Vertreter der AfD in dem Ausschuss verhalten, wäre es durchaus möglich, dass das Bundestagsplenum noch vor der Wahl, wohl in einer eigens dafür anberaumten Sondersitzung, über den Gesetzesentwurf von Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken abstimmt. Die Initiatoren des Gesetzesentwurfes denken außerdem laut über eine Sondersitzung des Bundestagsplenums nach der Wahl, aber vor der Konstituierung des neuen Bundestags nach, in dem wahrscheinlich neue, für das Anliegen ungünstigere Mehrheitsverhältnisse herrschen werden.

Die FDP-Vertreter im Ausschuss haben heute wissen lassen, einer für den Fortgang des Vorhabens nötigen Sondersitzung des Ausschusses nach der heutigen Anhörung nicht zustimmen zu wollen. Die AfD ist zwar gegen eine Lockerung, könnte aber die Chance wittern, im Ausschuss "als Mehrheitsbeschaffer Rot-Grün bloßzustellen und sich in der Plenardebatte im Bundestag als die einzige Partei zu gerieren, die konsequent für das Lebensrecht des ungeborenen Kindes eintritt", wie heute Daniel Deckers in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vermutet.

War es mangelnde Kenntnis der Geschäftsordnung des Bundestags, die dazu führte, dass man sich in katholischen Kreisen diesbezüglich etwas zu sehr in Sicherheit wiegte? So sagte noch am 13. Januar die Leiterin des Hauptstadtbüros der Katholischen Nachrichten-Agentur, es sei "vermutlich nicht sehr wahrscheinlich, dass eine Reform der Abtreibungsregelung noch Chancen hat, beschlossen zu werden".

Inzwischen scheint man aufgewacht zu sein. Am 7. Februar meldete sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zu Wort: Die katholische Kirche lehne die angestrebte Gesetzesänderung "entschieden ab", so Bätzing. Parallel wurde eine Stellungnahme des Katholischen Büros veröffentlicht. Auch der Hamburger Erzbischof Heße ließ wissen, er sehe die aktuelle Entwicklung "mit Sorge". Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sprach sich ebenfalls gegen das Vorhaben aus.

Die Einsprüche von katholischen und evangelischen Kirchenverantwortlichen in der Migrationsdebatte haben kürzlich für große Aufmerksamkeit gesorgt. Da sich der Rat der Evangelischen Kirche im Dezember offen für eine Neuregelung des Abtreibungsrechts gezeigt hatte, ist eine ähnlich dramatische Intervention in ökumenischer Zusammenarbeit diesmal nicht möglich. Wenn es ungünstig läuft, könnte in den nächsten Tagen alles sehr schnell gehen. Die katholischen Verantwortlichen werden sich dann fragen müssen, ob sie tatsächlich alles unternommen haben, um dem katholischen Standpunkt Geltung zu verschaffen.

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