Abstract / DOI
Will the Christian Calendar Prevail? Its Benefit and Political Relevance. Not only do we measure our time according to the birth of Jesus Christ, Christianity also has left its mark on the human experience of time. The Christian calendar has strong influence on our culture, our politics etc. But it is not a matter of course that it will remain the world standard, especially today. Therefore this essay reviews the benefits and disadvantages of the christian measurement of time.
1. Christliche Zeitvorstellung – ihre politische Relevanz
Ein Fundament des modernen Verfassungsstaates hängt deutlich mit christlichen Überlieferungen zusammen: das Gefühl für den Wert der Zeit, ihre Unwiederbringlichkeit und Unwiederholbarkeit – und das daraus erwachsende «responsible government», die Wahrnehmung politischer Aufgaben in festen, kontrollierbaren Verantwortungszeiten und -räumen. Es hat sich dem westlichen Menschen in Jahrhunderten christlicher Erziehung tief eingeprägt, dass die Zeit eine Frist ist, begrenzt und kostbar, und dass sie unaufhaltsam voranschreitet, dem Ende zu. Aus diesem Gefühl erwuchs eine strenge Kultur der Lebensgestaltung, eine Ordnung des Zählens, Messens, Einteilens, die vom Stundengebet der Mönche bis zum Kalender der Kaufleute, vom altchristlichen «Ora et labora» bis zum modernen Countdown, vom Computus der Computisten, die im Frühmittelalter den Ostertermin berechneten, bis zum modernen Computer reicht. Arno Borst hat diese sprachlichen und geschichtlichen Zusammenhänge in seinem Buch «Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas»1 eingehend dargestellt.
Das Christentum hat deutliche Spuren in unserem Zeitbewusstsein hinterlassen. Die Abkehr von sozial differenzierten Ortszeiten, die Zählung und Messung der Zeit nach allgemeinen Maßstäben, die Entstehung einer einheitlichen Weltzeit – das alles hängt mit der Kultur der Zeiteinteilung und Zeitverwendung zusammen, wie sie seit den Anfängen der Christenheit vor allem in den Klöstern (aber auch in der Liturgie, im christlichen Kalender, im Kirchenjahr) entwickelt worden war. Auch die modernen Instrumente der Zeitmessung sind in einer christlichen Zivilisation entstanden. Moderne Zeit als «gezählte Zeit» beginnt mit der mechanischen Uhr, beruhend auf der Spindelhemmung mit Waagbalken, die im späteren Mittelalter – in Europas «Erster Moderne» – erfunden wurde. Zwar folgte die Konjunktur der Uhren bald eigenen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen und modischen Gesetzen. Aber noch in der europäischen Expansion seit dem 15. Jahrhundert, in Mission und Kolonisation erscheinen Uhren zunächst in einem christlichen Kontext. Als europäische Jesuitenpatres im 16. Jahrhundert in China missionieren, führen sie Uhren mit sich – diese öffnen ihnen sogar die Pforten des kaiserlichen Palastes in Peking. Bis zur Auflösung ihrer Mission leitete immer ein Jesuit die Uhrenwerkstatt und -sammlung des Kaisers. Auch Franz Xaver soll schon 1550 Yoshitaka Ouchi, dem Gouverneur vom Yamaguchi, eine Uhr überreicht haben – nach allgemeiner Meinung die erste mechanische Uhr europäischer Herkunft in Japan.2 Die Uhr ist ein Ausdruck der Herrschaft über die Zeit. Auch der christliche Kalender erwuchs aus einem Herrschaftsanspruch: Christi Herrschaft über die Zeit war für Christen der Anlass, die Orientierung an der kaiserlichen Zeitrechnung zu überprüfen – eine Entwicklung, die dann zu einer eigenen christlichen Zeitrechnung führte.
Auch der moderne Verfassungsstaat hat, wenigstens indirekt, einen seiner Ursprünge im christlichen Umgang mit der Zeit. Denn das Christentum macht politisches Handeln rechenschaftspflichtig vor Gott und dem Gewissen. Damit werden die überlieferten Formen politischer Identifikation des einzelnen mit der Bürgergemeinde brüchig. Es genügt jetzt nicht mehr, dass der politisch Handelnde für die Bürgerschaft das Äußerste wagt und sich mit seiner Gemeinde – wenn er erfolgreich ist und nicht untergeht – in ewigem Ruhm verbindet. Die bedingungslose bürgerliche Hingabe, der «Heimfall ans Allgemeine» ( Jacob Burckhardt) – Kern des antiken politischen Ethos – wird in christlichen Zeiten fragwürdig. Die Vergöttlichung erfolgreicher Feldherrn, Magistrate, Kaiser erscheint nun als Blasphemie. Während die Antike in Gestalt des Heros und der Tragödie die Vergangenheit unmittelbar in die Gegenwart hineinreißt (und sie damit aus Zeit und Vergänglichkeit herausnehmen will), stellt das Christentum Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als Verantwortungsräume der politisch Handelnden klar und scharf nebeneinander. Am Beispiel des Ruhmes enthüllt Augustin die Selbstbezogenheit, die latente Verantwortungs-Unfähigkeit der antiken politischen Kultur. Der Staat wird von ihm entschlossen in die Zeit gestellt und auf das Recht gegründet. Denn ohne Gerechtigkeit sind die Staaten nach seinem berühmten Wort nichts als «große Räuberbanden».3
Verantwortung wird in christlichen Zeiten neu und strenger gefasst: Wie der Mensch über sein ganzes Leben Rechenschaft ablegen muss vor dem ewigen Richter, so wird jetzt auch der politische Bereich zum Raum persönlicher Verantwortung; jeder Schritt muss bedacht, jede Handlung überlegt und abgewogen werden. In den Fürstenspiegeln entwickeln sich Formen einer religiös-pädagogischen Ethik. Mittelalterliche Politik arbeitet mit religiös begründeten Instrumenten und Sanktionen. In der Neuzeit macht die katholische Kirche die Herrscher rechenschaftspflichtig gegenüber Kirche, Priestertum, Gewissen. Im Protestantismus sind die institutionellen Gewichte schwächer, die inneren Gewisseninstanzen aber bestehen fort – von der bewusst kirchlichen Politik evangelischer «Betefürsten» zur Zeit der Reformation bis zu dem individualistischen Umgang Bismarcks mit den Losungen der Brüdergemeine.
Den entscheidenden Schritt zur Organisation von Verantwortlichkeit tut dann freilich erst der moderne Verfassungsstaat. Er schafft klare Verantwortungsräume und Verantwortungszeiten. Er macht deutlich, wer sich zu verantworten hat, in welchen zeitlichen Abständen, vor welchen Instanzen, mit welchen Verfahren der Bestätigung oder Verwerfung. Vor allem: Er zerlegt die Machtausübung und macht sie dadurch der Übersicht und Kontrolle zugänglich. Eine Vielzahl rechtlicher und politischer Verantwortungsfelder entsteht. Sie dehnen sich in der modernen Demokratie auf die ganze Breite des Staatslebens aus: responsible government heißt schließlich, dass die Herrschenden insgesamt den Beherrschten verantwortlich sind.
Zeit und Verantwortung – die Gegenwart bietet ein vielgestaltiges, oft verwirrendes Bild. Einerseits erleben wir, wie die kulturellen Folgen des Christentums in vielen Bereichen ihre letzte Steigerung erfahren – oft gelöst von ihrer Herkunft. Anderseits schwindet die Bereitschaft zur Übernahme und Weitergabe dieses Erbes – selbst unter Christen. Einerseits lässt die technische Zivilisation alle Menschen, und keineswegs nur die Christen, die unerbittliche Linearität der Geschichte empfinden – die schattenlose Verantwortlichkeit des Menschen in einer «weltlichen Welt». Anderseits erschrickt der Mensch vor seinen Taten: viele möchten ausbrechen aus dem christlich initiierten «Ein-für-allemal», hinein in alte und neue Kosmologien, in Esoterik, Wiederkehr des Gleichen, in Wiedergeburt und Wiederherstellung.
Die weite und diffuse Diskussion zu diesem Thema kann hier nicht referiert werden. Eines scheint mir aber sicher: Die christliche Zeitlinie darf nicht aufgegeben werden – sie kann auch nicht zum Kreis gebogen werden im Sinn einer «ewigen Wiederkehr». Fluchtbewegungen aus dem strikten Zusammenhang des «Gestern-Heute-Morgen» würden nicht nur das christliche Zeitverständnis preisgeben, sondern auch die Kultur der Verantwortung, ja die Struktur unseres öffentlichen Lebens im ganzen in Frage stellen. Wie will man politische und soziale Rechenschaftspflicht begründen, wenn an die Stelle des linearen Fortgangs der ewige Kreislauf tritt? Gilt dann nicht allein der Wille vor aller Vernunft, wird nicht jedes Recht notwendig zum Vorrecht der Mächtigen, landet man nicht notwendig in einer Gesellschaft, in der nichts wahr und daher alles erlaubt ist?
Wer dies feststellt, muss nicht blind sein gegenüber den Schwierigkeiten, denen die christliche Zeiterfahrung heute bei vielen begegnet. Sie ist häufig vom Fortschrittsparadigma überlagert worden; ihr personaler und geschichtlicher Charakter erscheint verdunkelt. Politisches Handeln von Christen ist aber mehr als eine mechanische Fortbewegung nach dem Gesetz des «größer, höher, schneller». Es ist eine Fortbewegung auf ein Ziel, ein Ende zu. Die Zeit hat einen Anfang und ein Ende. Der Christ weiß, dass das Ende immer schon nahe ist. So misstraut er den Programmen innergeschichtlicher Perfektibilität. Er weiß, dass der Fortschritt – den er begrüßt – nicht unendlich sein kann, weil die Welt auf ihr Ende zuläuft und eines Tages von «Gottes Zeit» eingeholt wird.
Diese Einsicht muss keineswegs bedrückend sein, sie kann befreiend wirken. Denn sie macht den Menschen fähig, über sachliche und pragmatische Lösungen in politischen Fragen nachzudenken. Auch der Christ soll und darf das bedenken, was das Zweite Vatikanum die «Autonomie der weltlichen Sachbereiche» genannt hat.4 Er weiß, dass ewiges Heil und irdisches Wohl nicht einfach identisch sind, dass man der «Welt unter Gott» nicht mit dem Gestus der Allwissenheit, noch weniger mit einem Auserwähltheitswahn begegnen darf. Und so kann er sich in den profanen Feldern von Wirtschaft, Politik, Kultur vertrauensvoll und ohne Zwang bewegen – «im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen», wie unser Grundgesetz behutsam und bescheiden sagt.
2. Vom Nutzen christlicher Zeitrechnung
Wir zählen unsere Zeit von Christi Geburt aus nach vorn und zurück. Diese in Europa, im Westen, aber auch in großen Teilen der übrigen Welt seit langem übliche christliche Zeitrechnung hat sich historisch in zwei Stufen entwickelt: Die Zählung nach Christus wird im sechsten nachchristlichen Jahrhundert gebräuchlich und ist von dieser Zeit an in der christlichen Welt (und bald darüber hinaus!) in ständiger Übung.5 Die Zählung der Jahre vor Christus wird dagegen erst sehr viel später üblich. Sie setzt sich erst im 18. Jahrhundert endgültig gegen die bis dahin vorherrschende sog. biblizistische Ära, die Zählung seit «Erschaffung der Welt», durch.
Ein Grund für den Sieg der christlichen retrospektiven Zeitrechnung über die biblizistische war ihre größere Genauigkeit. Während über den Beginn der Weltschöpfung weder zwischen Juden und Christen noch unter Christen Einigkeit bestand – die Schätzungen gingen um Jahrhunderte auseinander –, erlaubte ein Datum in der Mitte der Geschichte präzisere Datierungen, wie sie vor allem von der aufsteigenden historischen Wissenschaft immer dringender verlangt wurden. Deshalb setzte sich die «neue» Zeitrechnung – was zunächst erstaunen mag – gerade in der Zeit der Aufklärung durch, in einer Zeit also, die dem Christentum sonst in vielem kritisch gegenüberstand. Während noch Bossuet mit beiden Zählungen gearbeitet hatte, verwendete Voltaire in seinen Geschichtswerken die «volle» prospektive und retrospektive Zeit-Zählung: nach Christus und vor Christus.
Heute ist die christliche Zeitrechnung eine für Verkehr, Handel, Technik, Geschichtsschreibung und Medien verbindliche Welt-Chronologie – ein allgemein verwendetes Zeit-Esperanto. Wird das auch in Zukunft so sein? Oder wird die christliche Zeitrechnung eines Tages verblassen, ja absterben? Schließlich ist auf Erden nichts ewig, nicht Perioden, Ären, Kalender, noch nicht einmal Erinnerung und historischer Sinn.
Zunächst muss man feststellen, dass sich die christliche Zeitrechnung zwar weltweit durchgesetzt hat, jedoch in vielen Ländern nur als Zweitzählung – als Zugeständnis an die Erfordernisse moderner Technik und westlicher Zivilisation. Von den mehr als sechs Milliarden der Weltbevölkerung sind etwa vier Milliarden solche Zweitrezipienten. Sie nutzen zwar die christliche Zeitrechnung und können sie als Mittel globaler Vernetzung kaum entbehren, aber sie halten auch an ihren eigenen Zählungen fest – das gilt für Buddhisten, Hindus, Muslime, es gilt auch für die Juden, für welche die alte Schöpfungschronologie nie ihre Gültigkeit verloren hat. Es wäre also denkbar, dass sich eines Tages neue Ären und Periodisierungen bildeten mit entsprechener globaler Wirkung. Es ware sogar möglich, dass es ihnen gelänge, die christliche Zeitrechnung zurückzudrängen und durch andere Zählungen abzulösen.
An Alternativen und Gegen-Zeitrechnungen hat es auch schon in früheren Zeiten nicht gefehlt. Der erste massive Gegenentwurf zur christlichen Zeitrechnung war der «Republikanische Kalender» der Französischen Revolution, der von 1793 bis 1805 bestand. Mit geringerer Wirkung experimentierten im 19. Jahrhundert Anhänger Comtes und Nietzsches mit neuen Kalendern und neuen Zeitrechnungen – das blieb im allgemeinen auf kleine Kreise beschränkt und interessierte nicht allzu viele Menschen. Erst im 20. Jahrhundert verbreiteten sich dann wieder kollektive Gegenzeitrechnungen und Gegenkalender – im bolschewistischen Rußland, im faschistischen Italien und im nationalsozialistischen Deutschland.
Erfolgreich waren die Gegen-Zeitrechnungen freilich nie. Das lag wohl auch daran, dass sie sich frontal gegen eine mehr als 1300jährige kulturelle Übung wandten. Langfristig folgenreicher dürfte daher das Schwinden christlicher Überlieferungen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und in der Gegenwart vor allem in Europa sein.
Das Christentum hat, wie oben dargetan, deutliche Spuren in unserem Zeitbewusstsein hinterlassen. Werden seine Kräfte schwächer, dann dürften auch die Balancen von Arbeit und Freizeit, von genutzter und zweckfrei erlebter Zeit rasch dahinschwinden. Mit der überlieferten Festzeit – verkörpert vor allem im Sonntag – geriete dann auch die Sozialzeit unter Druck, und Gewerkschaften und Arbeitnehmer wären wohl für sich allein zu schwach, sie gegen die moderne Arbeits- und Globalisierungsdynamik zu verteidigen. Vom Sonntag, wenn er überhaupt erhalten bliebe, wäre dann nicht viel mehr übrig als ein Weekend. Die alten komplexen Beziehungen von Arbeit und Freizeit würden nivelliert. Und mit der Ruhe am siebten Tag könnte auch die von Festen geprägte Ordnug des Jahres – und mit ihr die Zählung post und ante Christum – dahinfallen.
Aber es gibt auch Gründe, die für ein Fortbestehen der christlichen Zeitrechnung sprechen. Es sind vor allem drei. Erstens bietet – wie dargetan – eine «Zeit in der Zeit», die von einem Ereignis inmitten der Geschichte ausgeht, exaktere Möglichkeiten der Datierung als eine Anfangschronologie, bei der der Anfang immer strittig bleibt. Zweitens steckt in der christlichen Zeitrechnung, in der Wocheneinteilung, im Festkalender auch ein gerüttelt Maß «Sozialzeit». Die Dekadeneinteilungen der Französischen Revolution und der Sowjetunion sind ja vor allem daran gescheitert, dass sie die Arbeitszeit von sechs auf neun Tage ausdehnten, womit der Staat ein erhebliches Maß an Freizeit einfach «einzog». Dagegen hat sich sowohl zur Zeit Robespierres wie zu Zeiten Lenins berechtigter Widerstand der arbeitenden Bevölkerung erhoben. Denn längst gehörte die Ruhe am siebten Tag zum Standard moderner Zivilisationen – im 20. und 21. Jahrhundert hat sie weltweit grundrechtlichen Rang gewonnen.
Endlich sei ein Argument erwähnt, das außerhalb des Nützlichen, Praktischen, Rechenhaften liegt: die christliche Zeitrechnung und der mit ihr zusammenhängende Festkalender und seine Jahresgliederung sind schön – schön nicht im Sinn des Immergleichen, sondern gerade des Veränderlichen und Überraschenden.
Seit der Entscheidung des Konzils von Nikaia (325) liegt der Termin für Ostern bekanntlich auf dem ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond. Das setzte Jahrhunderte hindurch nicht nur eine Schar von Komputisten in Lohn und Brot (und verhinderte in den «dark ages» das Absinken der mathematisch-astronomischen Kenntnisse unter einen Mindeststandard!). Es eröffnete auch dem sich differenzierenden Kirchenjahr (und später dem Arbeitsjahr!) wechselnde, immer neue Beziehungen zur Naturzeit. Ostern ist kein fixes Datum – es kann wie alle tagesdatierten Feste um sieben Tage schwanken, und dazu kommt noch die Differenz zwischen Mondphasen- und Sonnenmonatsdatum. So kann Ostern auf 35 verschiedene Daten zwischen dem 22. März und dem 25. April fallen. Und um diese 35 Tage verschieben sich auch alle Termine, die an Ostern geknüpft sind, von den Sonntagen der vierzigtägigen Fastenzeit und der fünfzigtägigen nachösterlichen Zeit bis zu Pfingsten, Himmelfahrt und Fronleichnam. Besonders der Osterfestkreis steckt voller Turbulenzen und Überraschungen; erst mit der zweiten Jahreshälfte münden wir in ruhigere Zeit ein. So dreht sich das christliche Jahr – wie es der Marburger Historiker Peter Rück ausgedrückt hat – «nicht monoton im Kreis wie eine Uhr, sondern vielmehr wie ein funkelndes und tingelndes Karussell über einem Excenter».6
Ist ein solcher Gesichtspunkt nebensächlich oder «nur ästhetisch»? In einer Welt, die immer einheitlichere Züge trägt, in der alles Eigene, Unverwechselbare und Widerständige unter Angleichungs- und Anpassungsdruck gerät, sollte man wohl alles, was diesem Trend entgegenwirkt, zu stärken versuchen. Insofern könnte die Inschrift «Christus heri – hodie – semper», mit welcher die Deutsche Bundespost in ihrer Gedenkbriefmarke an das Jahr 2000 nach christlicher Zeitrechnung erinnerte, Akzeptanz auch bei Nichtchristen und Nichtgläubigen finden. Denn hier wird nicht einfach nur an ein Jubiläum erinnert, das, kaum gefeiert, wieder vergeht – hier wird auf etwas hingewiesen, was gemeinsamer Besitz vieler Menschen ist und was ihnen Halt und Orientierung geben kann in der rasch verfließenden Zeit.