Das vorliegende Heft der «Communio» ist dem Essen und damit einem der wichtigsten menschlichen Grundvollzüge gewidmet. Denn alle Menschen essen – und müssen essen. Was und wie sie essen, sagt viel über ihr Menschsein aus, über ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen oder auch über die Region, in der sie leben. Auch im Christentum spielt das Essen eine zentrale Rolle. Zwar führt zum einen das Christentum zu einer «Säkularisierung» des Essens. Christsein, die Beziehung zu Gott, entscheidet sich, auch wenn Jesus dem Fasten eine große Bedeutung zuspricht, nicht daran, was man isst oder eben nicht isst. Doch zugleich ist die Eucharistie als zentrale Feier des christlichen Lebens – kein Sättigungsmahl, aber doch eine Mahlgemeinschaft mit Verzehr des gewandelten Brotes und Weines – eine dankende Erinnerung an das letzte Abendmahl und an Leid, Tod und Auferstehung Christi, die den Menschen verwandelnde Vergegenwärtigung seines Leibes und Blutes und die hoffende Vorwegnahme von Christi «Kommen in Herrlichkeit». Im Verlaufe der Geschichte haben sich zudem auch im Christentum zahlreiche Essrituale entwickelt: von Zeiten des Fastens und der Fülle über Speisen, die zu bestimmten Festen gegessen werden, bis hin zu Gebeten vor und nach den Mahlzeiten.
Die Aufsätze dieses Heftes zeigen die Vielfalt möglicher Zugänge zum Phänomen «Essen». Holger Zaborowski diskutiert in einer philosophischen Annäherung an das Essen nicht nur die gegenwärtigen Diskurse über das Essen, sondern nimmt auch den zwiefachen Hunger des Menschen, nämlich den leiblichen und den seelischen, in den Blick, um ein Plädoyer für eine oft vergessene «Gastronomie» des Seelischen zu entwickeln. Der Exeget Thomas Schumacher weist anhand von neutestamentlichen Texten nach, dass schon im frühen Christentum Sättigungsmahle ihre religiöse Bedeutung verloren und dass die Eucharistie sich auf einen symbolischen Bezug auf den Vollzug des Essen (und Trinkens) beschränkte. Somit seien bereits die Anfänge des Christentums von so etwas wie einer «Säkularisierung von Verzehrsituationen» geprägt. Wie die Kirchenväter die Rede vom biblischen «Manna» im Rahmen ihrer geistlichen Exegese gedeutet haben – nämlich als Symbol für Christus und das Wort Gottes bzw. die Heilige Schrift, das gegessen und verdaut werden müsse –, erörtert Justina C. Metzdorf in ihrer Interpretation ausgewählter Texte von Augustinus, Hieronymus und Origines.
Im Vordergrund der Ausführungen von Guido Fuchs stehen christliche Rituale des Essens wie z.B. das Tischgebet, die Händewaschung, die Tischgemeinschaft und -ordnung. Dabei stellt er die These auf, dass es in der Moderne einerseits zu einer vertieften Säkularisierung des Essens gekommen ist, insofern das Essen oft nicht mehr in traditionellen religiösen Bezügen steht, und andererseits sich auch neue Rituale – wie etwa Formen quasi-religiöser Inszenierung des Essens und seines gemeinschaftlichen Charakters – entwickelt haben. Auch die Kunst hat sich dem Essen gewidmet. Dabei spielt die Darstellung des letzten Abendmahls eine besondere Rolle. Thomas Menges deutet drei Abendmahlbilder von Harald Duwe, Dirk Bouts und Gerhard Mevissen und zeigt, wie diese Künstler auf je eigene Weise die Gegenwart Christi beim letzten Abendmahl oder in der Eucharistie bildnerisch darstellen und welche performative Kraft ihnen innewohnt. «Slow Food» gehört zu den interessantesten und erfolgreichsten Bewegungen im Bereich gegenwärtiger Esskultur. Martin W. Ramb stellt diese «Befreiungsbewegung» vor und beginnt einen Dialog aus einer christlich-theologischen Sicht. Auch die Kirche, so Ramb, könne in ihrem Bemühen um die Bewahrung der Schöpfung von den Idealen von Slow Food lernen. Aban Massie untersucht abschließend die Frage, in welchem Verhältnis die Ess- und Trinkgewohnheiten des hl. Augustinus zum Manichäismus stehen, und zeigt, wie und warum Augustinus die dualistisch geprägte manichäische Aszese auf der Grundlage seiner Gnaden- und Schöpfungstheologie und seiner Tugendlehre kritisiert habe.
Die Perspektiven dieses Heftes dokumentieren außerdem einen Beitrag von Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. unter dem Titel «Gnade und Berufung ohne Reue. Anmerkungen zum Traktat ‹De Iudaeis›». Der Aufsatz war zunächst nicht für die Veröffentlichung bestimmt. Wie Kurt Kardinal Koch in seinem Geleitwort allerdings ausführt, hat Benedikt XVI. seine Überlegungen im Anschluss an ein Dokument der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum formuliert und erst auf nachdrückliche Bitten von Kardinal Koch der Veröffentlichung dieser wichtigen Überlegungen in der «Communio» zugestimmt, damit diese in der weiteren Diskussion über das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum rezipiert und diskutiert werden können.