Die Gattungsform Katechismus gehört heute nicht zu den Selbstverständlichkeiten in den Kirchen. Das Wort Katechismus ist nicht selten negativ geprägt, weil damit der Eindruck verbunden wird, der Glaube sei vor allem (abfragbares) Wissen, was sicher eine Verkürzung darstellen würde. Unbestritten ist aber auch, dass es in der katholischen Kirche wie in den Kirchen der Reformation eine lange Katechismustradition gibt. Zu dieser Tradition gehören auf evangelischer Seite der kleine Katechismus von Martin Luther mit seinen fünf Hauptstücken – Zehn Gebote, der Glaube (Apostolisches Glaubensbekenntnis), das Vater unser, das Sakrament der heiligen Taufe und das Sakrament des Altars oder das heilige Abendmahl – und auf reformierter Seite der Heidelberger Katechismus. Er geht von der Frage «Was ist der einzige Trost im Leben und im Sterben?» aus. Unter den Aspekten Erlösungsbedürftigkeit, -vollzug und -wirklichkeit wird auch der kleine Katechismus Martin Luthers mitaufgenommen.
Auf diese Tradition macht im Geleitwort zu dem Katechismus Worauf es ankommt Kirchenpräsident Christian Schad aufmerksam. Im Vorwort schildert Wilfried Härle, der Hauptverfasser, seine durchaus originelle Entstehung. Denn es gab die Möglichkeit, Entwürfe für den Katechismus einzureichen. Von den beiden vorliegenden wurde der des langjährigen Heidelberger systematischen Theologen ausgewählt. Er suchte zur Unterstützung weitere Mitarbeiter u.a. den badischen Landesbischof Klaus Engelhardt. Vor seiner Veröffentlichung wurde der Text zur Erprobung an Interessierte gegeben, von Konfirmandengruppen bis hin zu Senioren. Dabei zeigte sich auch, dass der Text eher für Erwachsene geeignet ist. Neben den Fragen und Antworten jeweils auf der rechten Seite des Buches sind auf der linken Seite Bilder, Zitate aus Luthers und dem Heidelberger Katechismus, aber auch anderen Erklärungen, Liedtexte und Zitate (meist) von Theologen zu finden. Die Schriftstellerin Hilde Domin bildet hier als Frau eine Ausnahme. Der Katechismus soll nicht – so Härle – «als ein Abfragebuch von auswendig Gelerntem missverstanden werden. Denkanstöße will er geben, die dazu dienen, sich die Inhalte des christlichen Glaubens inwendig anzueignen. Dementsprechend sind auch die Fragen und Antworten nicht auf ‹Wissende› und ‹Lernende› festgelegt, sondern wollen einen lebendigen Prozess des Austausches in Gang bringen.» (15) Dem Heidelberger Katechismus nicht unähnlich werden die Inhalte des Glaubens in zehn Kapitel (mit 180 Fragen und Antworten) gegliedert: I. Menschen fragen nach dem Sinn des Lebens; II. Gottes Gebote und unser menschliches Verhalten; III. Gott offenbart sein Wesen in Jesus Christus; IV. Gott ist in uns gegenwärtig durch seinen Heiligen Geist; V. Gott der Schöpfer; VI. Der christliche Glaube an den dreieinigen Gott; VII. Gottes Wirken in dieser Welt; VIII. Die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden; IX. Der Auftrag der Christen in der Welt; X. Christliche Hoffnung über den Tod hinaus.
Was diesen insgesamt kurzen Text (mit Anmerkungen 103 Seiten) aus meiner Sicht lesenswert macht, ist die Fähigkeit des Verfassers in nachvollziehbarer Reihenfolge die Fragen zu stellen und sie knapp zu beantworten, ohne dabei zu sehr zu vereinfachen. Immer sind die Antworten für weitere Erläuterungen offen. An einigen Beispielen soll dies verdeutlicht werden. Im ersten Kapitel wird darauf eingegangen, dass unsere Eltern uns gezeugt und empfangen, aber nicht erschaffen haben. Das bedeutet für uns, dass wir von Gott gewollt und von ihm «eine unantastbare Würde bekommen» haben, «die uns niemand nehmen kann: die Menschenwürde.» (8) Es schließen sich zwei Fragen an: «Was ist unter Menschenwürde zu verstehen? Sie ist das Anrecht jedes Menschen, als Mensch geachtet, das heißt anerkannt und respektiert zu werden. Können wir dieses Anrecht nicht verlieren, wenn wir zum Beispiel unsere geistigen Fähigkeiten einbüßen oder aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden oder ein himmelschreiendes Verbrechen begehen? Nein, dieses Anrecht kann nicht verlorengehen, weil es uns von Gott gegeben ist. Das zu wissen und darauf zu vertrauen, ist insbesondere dann wichtig, wenn andere uns dieses Anrecht absprechen wollen oder wenn wir selbst meinen, es verloren zu haben.» (19). Theologisch ist zur Menschenwürde das Notwendige und Wesentliche gesagt. In einer Anmerkung wird erklärt, was unter «himmelschreiendem Verbrechen» gemeint ist.
Zur Rechtfertigung, die im Rahmen der Gebote Gottes thematisiert wird, heißt es: «Von Rechtfertigung sprechen wir nur im Blick auf Gottes Handeln. Dass Gott uns vergibt, ist die eine Seite der Rechtfertigung. Unsere Schuld wird uns nicht angerechnet. Was ist die andere Seite? Wir werden durch den Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, selbst zu Gottes Kindern.» (31) Ergänzt werden diese Aussagen auf der linken Seite des Buches mit der zentralen Bibelstelle Röm 3, 28, und zwei kurzen Texten von Otto Hermann Pesch und Hans Joachim Iwand über menschliche Vergebung. Auf die Frage, was Glauben sei, wird mit Verweis auf Hebr 11, 1 geantwortet: «Glaube ist nicht ein bloßes Vermuten oder Meinen, sondern zuversichtliches Vertrauen.» (31) Der Zusammenhang von Rechtfertigung und Glaube wird damit sichtbar, zugleich wird verdeutlicht, dass dies auch Folgen für unser Handeln und unsere Vergebungsbereitschaft hat.
Die Theodizee wird in folgender Weise angesprochen: «Wenn Gottes Wesen Liebe ist, wie kann Gott dann so viel Leiden und Böses in der Welt zulassen? Gottes Liebe zeigt sich in dieser Welt nicht darin, dass er uns Leiden generell erspart und uns am Tun des Bösen hindert, sondern darin, dass er uns das Leiden zu tragen hilft, uns im Kampf gegen das Böse beisteht. Das Leiden und die Möglichkeit des Bösen gehören zu einer endlichen Welt, in der es empfindungsfähige und verantwortliche Geschöpfe gibt.» (S. 49, Nr. 86) Diese kurzen Hinweise lassen Raum für eine weitere Interpretation eines schwierigen Themas, das ja nie abgeschlossen sein wird.
Auf zwei zentrale Themen, bei denen es zwischen den Kirchen der Reformation und der katholischen Kirche Annäherungen gibt, aber noch keine Gemeinsamkeit, Abendmahl und Amt verbunden mit dem Petrusdienst, sei noch eingegangen. Im Kapitel VIII Die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden werden wie im kleinen Katechismus Martin Luthers und ähnlich dem Heidelberger Katechismus die Sakramente behandelt – aus reformatorischer Sicht Taufe und Abendmahl. Bei der Taufe weist der Katechismus auf die Magdeburger Erklärung zur Anerkennung der Taufe von elf Kirchen in Deutschland vom 29.4.2007 hin. Beim Abendmahl, das «als Wegzehrung für das Christenleben bezeichnet wird,» wird festgestellt, dass es nach der Lehre der katholischen Kirche nicht möglich sei, mit der Evangelischen Kirche das Abendmahl zu feiern und nur «in gravierenden Ausnahmefällen» Mitglieder beider Kirchen Gäste bei der jeweils anderen Kirche sein könnten, was katholischerseits noch weiter präzisiert werden müßte. Der Grund dafür ist, dass «nach katholischer Lehre nur ein Priester, der von einem katholischen Bischof geweiht ist, die Feier des Abendmahls gültig leiten kann.» (77) Ihr schließt sich die Frage nach dem Ökumeneverständnis der Katholischen Kirche an. «Das Ziel des Ökumenismus, den die Katholische Kirche vertritt, ist die Wiedervereinigung der getrennten Kirchen unter dem Papst als Oberhaupt. Ohne eine solche Wiedervereinigung ist aus ihrer Sicht keine gemeinsame Feier des Abendmahls möglich.» (77) Besonders zur zweiten Frage hätte ich mir ebenfalls gewünscht, die katholische Vorstellung wäre noch durch einige Sätze erläutert worden. So wird in neueren katholischen Beiträgen zur Einheit der Kirchen das Wort «Wiedervereinigung» nicht verwendet. Aus meiner Sicht haftet diesem Wort etwas im negativen Sinne Rückwärtsgewandtes an. Dem widerspricht der Wegcharakter der Ökumene. Das Ringen um das Ziel der Einheit, das den Christen mit dem hohenpriesterlichen Gebet ( Joh 17) aufgegeben ist, darf allerdings aus der katholischen Perspektive nicht aus den Augen verloren werden. «Die katholische Kirche versteht deshalb unter der Einheit die Einheit im Glauben und in der Feier der Sakramente. Die Voraussetzung dafür ist die Anerkennung der kirchlichen Ämter.»1 Dazu zählt auch der Dienst des Papstes.
Worauf es ankommt benennt die Inhalte des Glaubens aus unierter Perspektive. Eine unierte Kirche im evangelischen Verständnis ist ein Zusammenschluss von Kirchen lutherischer und reformierter Tradition. In diesem Katechismus wird gerade in seiner Prägnanz deutlich, wieviel Gemeinsames im Glauben bekannt werden kann. Aus der jeweils unterschiedlichen Zugangsweise sind zugleich unterschiedliche Schwerpunkte wahrzunehmen.
Das Kennenlernen und Verstehen des konfessionell getrennten «Partners» ist nach wie vor bleibende ökumenische Aufgabe. Das Gemeinsame kommt im letzten Abschnitt über die christliche Hoffnung über den Tod hinaus zum Ausdruck, wenn in der vorletzten Frage, was aus der Sicht des christlichen Glaubens bleibt, mit Paulus geantwortet wird: Es «bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.» (1Kor 13, 13) «Kommt es im Leben und im Sterben also letztlich vor allem darauf an? Ja, darauf kommt es an.» (91)