Schon in den 1950er Jahren widmete sich mein Vater der Advaita-Philosophie des Şañkara. In diesen Texten begegnet man der Neigung Paul Hackers, sich eingehend mit indischen Termini zu beschäftigen, die kein Gegenstück in modernen westlichen Sprachen bzw. Kulturkreisen haben. In diesem Zusammenhang sind auch seine Aufsätze über Dharma, Śraddha, Vrata und die Formulierung des »Inklusivismus»-Begriffes zu sehen. Es gibt Denkschemata, die diesem Kulturkreis eigentümlich sind und so in anderen Kulturkreisen nicht existieren. Bei einer Durchsicht der neueren Literatur zum von Paul Hacker in die Welt gesetzten Begriff des Inklusivismus war ich erstaunt, was dieser Begriff inzwischen für eine Karriere erfahren hat.
Mein Vater hatte diese Geisteshaltung im indischen religiös-philosophischen Schrifttum vorgefunden. Erstmals beschrieb er sie, die im Westen meist als Toleranz mißverstanden wird, 1957 in einem Aufsatz über Toleranz und Intoleranz im Hinduismus.1 Die indische Denkform des Inklusivismus sei ihm erst im Laufe von zwei oder drei Jahrzehnten als solche deutlich geworden.2 Wenn man den Hinduismus als Einheit nimmt, ist der Synkretismus, die Vermischung verschiedener Religionen bzw. philosophischer Lehren, mit gesetzt. Die Abgrenzung des Hinduismus von anderen Weltreligionen ist weniger eine religiöse als eine nationale Entscheidung. In Bezug auf die staatliche Ordnung legen Hindu-Rechtsbücher fest, daß der König bei allen religiösen Sekten für die Aufrechterhaltung der Sitten Sorge tragen soll. So verhielten sich viele indische Fürsten gegen Buddhisten, Jainas, Parsen, Juden und Christen freundlich. Aber es gab auch Verfolgungen Andersgläubiger. Gegenüber den Bewohnern von Nicht-Hindu-Ländern schreibt das Recht strenge passive Intoleranz vor: Man soll mit «Mlecchas» nicht sprechen, ihre Länder nicht besuchen und ihre Sprache nicht studieren. Am Ende des Weltzeitalters werde Gott Vishnu auf die Erde herabsteigen und alle Mlecchas vernichten. Deutlich wird hier das Element der Intoleranz, die nach dem Hindu-Gesetz nicht nur gegenüber den Mlecchas, sondern auch gegenüber Indern, die den Veda nicht anerkennen, also Buddhisten, Jainas, Muslims und Materialisten vorgeschrieben ist.
Auch zwischen den Kasten herrscht Intoleranz, insbesondere der höheren gegenüber den niedrigeren, obgleich das Kastensystem offiziell seit 71 Jahren abgeschafft ist. Eheliche Verbindung, gemeinsames Essen und körperliche Berührung zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kasten ist verpönt. Falls Angehörige einer höheren Kaste einen Angehörigen der unteren Kaste, einen Unberührbaren oder gar einen Mleccha, berührt haben, müssen sie ein Bad in Kleidern nehmen. Wenn ein Unberührbarer es wagt, einen Tempel der Kasten-Hindus zu betreten, ist es schon wiederholt zu Gewalttätigkeiten gekommen; dies sind Zeichen religiöser Intoleranz und gesellschaftlicher Ächtung. Auch für quasi monotheistische Verehrer des Gottes Vishnu ist im Umgang mit Verehrern des Gottes Śiva passive Intoleranz die Regel. Sogar aktive Intoleranz, die Vertreibung aus der Stadt, wird empfohlen. Umgekehrt spricht oft aus śivaitischen Schriften die Haltung des inklusiven Geltenlassens.
Die Glaubens- und Kultgemeinschaft ist der Kaste übergeordnet. So gilt der kastenlose Vishnuit mehr als ein nichtvishnuitischer Brahmane. Selbst Nichthindus sind als Verehrer von Vishnu willkommen. Polytheistische Hindus sind gegenüber monistischen duldsam. Geistmonistische Hindus lassen oft fremde Lehren gelten. In der philosophisch-poetischen Literatur wird das Absolutum des Monismus einfach identifiziert mit den höchsten Prinzipien anderer Weltanschauungen. Die Praxis, das Fremde unterordnend dem Eigenen anzuschließen, diese Mischung religiöser Toleranz und Intoleranz, scheint eine dem indischen Geist besonders gemäße Form der religiösen Selbstbehauptung zu sein. Schon in der Bhagavadgita tritt sie auf, wenn Krishna verkündet, daß alle, die anderen Göttern dienen, eigentlich ihm opfern. Die Haltung des inklusiven Geltenlassens kommt insbesondere dort vor, wo ein Kultsystem sich in den religiösen Raum, wo man den Veda und die Brahmanen ehrt und Sanskrit spricht, einführen will. Dem Vishnuismus gelang das offenbar schnell. Im Rāmaepos erscheint der Śivakult berechtigt, da Śiva doch nur Rāma anbetet, den herabgestiegenen Vishnu. Der Śaktismus, der Kult der Göttin, ist sehr inklusivistisch gegenüber anderen Hindu-Sekten und betrachtet sie als Vorbereitung seiner Lehre. Die sechs Systeme der Hindu-Philosophie seien seine Glieder oder alle Weltanschauungen münden in ihn ein wie Ströme in den Ozean. Der Vishnuismus ist exklusiv, der Śivaismus betont pluralistisch die Gleichordnung der rivalisierenden Religion. Es ist unmöglich, den historischen Hinduismus im Ganzen tolerant oder intolerant zu nennen. Aber diese Worte tolerant und intolerant sind wohl in diesem Zusammenhang überflüssig.
Begriff Inklusivismus in Indien
Paul Hacker prägte im Laufe seines Schaffens immer deutlicher den Begriff «Inklusivismus» als Bezeichnung einer universellen Eigenart indischen Denkens. «Inklusivismus bedeutet, daß man erklärt, eine zentrale Vorstellung einer fremden religiösen oder weltanschaulichen Gruppe sei identisch mit dieser oder jener zentralen Vorstellung der Gruppe, zu der man selber gehört. Meistens gehört zum Inklusivismus ausgesprochen oder unausgesprochen die Behauptung, daß das Fremde, das mit dem Eigenen als identisch erklärt wird, in irgendeiner Weise ihm untergeordnet oder unterlegen sei. Ferner wird der Beweis dafür, daß das Fremde mit dem Eigenen identisch sei, nicht unternommen»3. Die Methode der geistigen Auseinandersetzung des Inklusivismus geht zurück auf die späten Hymnen der Rksamhitā, ist älter als 3.000 Jahre und erstreckt sich durch die gesamte anonyme Literatur hindurch.
Hacker machte diese «Denkart» in vielen Bereichen indischer Religionen aus, so zum Beispiel in den Upaniṣaden, der Bhagavadgitᾱ, den Puranas und dem Denken neohinduistischer Vertreter. «In allen … Fällen ist der Inklusivismus Zeichen einer geistigen Auseinandersetzung. Man polemisiert nicht direkt gegen die gegnerische Weltanschauung, sondern man anerkennt ihre wichtigen Begriffe, vielleicht sogar ihren wichtigsten Begriff, wie etwa der Begriff des Schöpfergottes in einer sonst mechanistischen Kosmogonie, Weltentstehungslehre, anerkannt werden kann, wenn auch als Produkt der Urmaterie. Also man anerkennt die wichtigen oder sogar den wichtigsten Begriff der gegnerischen Weltanschauung, aber man ordnet sie gleichzeitig der eigenen Weltanschauung unter. Das ist ohne Zweifel eine Methode der Auseinandersetzung, die sich von der später entwickelten, den Gegner verunglimpfenden Polemik, die mit formal logischen Mitteln und Methoden arbeitete, sehr unterschied. Diese Methode der Auseinandersetzung bekundet eine außerordentliche geistige Geschmeidigkeit und Flexibilität, und sie übt wahrscheinlich auch bei manchen Hörern eine gewisse Werbekraft aus. Wir haben in unserem Kulturkreis kein genaues Äquivalent zu diesem Inklusivismus, und deshalb haben wir ihn als Toleranz mißverstanden. Die Hindu-Kultur-Propaganda hat dies weidlich ausgenutzt, so daß heute die Meinung, die Hindus seien in religiöser Beziehung das toleranteste Volk der Welt, einfach unausrottbar ist ».4 Schon Johann Gottfried Herder und Immanuel Kant haben zum Bild des sanftmütigen und duldsamen Hindu beigetragen; Herder gilt als Wegbereiter der romantischen Indienverklärung.
Eine ausgezeichnete Stellensammlung finden Sie im ersten Drittel des ersten Bandes von Deussens allgemeiner Geschichte der Philosophie, dort dort wo er die kosmogonischen Versuche in den spätvedischen Texten behandelt. Hinzu können Sie dann noch die Kosmogonien nehmen, die in den Upaniṣaden vorkommen:
Der Möglichkeit, dass der Inklusivismus als allgemein menschliche geistige Auseinandersetzung mit etwas außerhalb der eigenen Welt betrachtet wird, entgegnet Hacker: «Daß er auf Indien beschränkt ist, zeigt sich am handgreiflichsten an der Tatsache, daß der Inklusivismus als solcher, als eine besondere geistige Haltung [nicht verstanden bzw.] mißverstanden wurde, und daß man, wenn man mit modern-westlichen Begriffen inklusivistische Geisteshaltungen bezeichnen wollte, von Toleranz sprach».
Hacker hat in seinen religionsgeschichtlichen Studien an Epen und Purāņen nichts gefunden, was adäquat mit dem Wort «Toleranz» zu bezeichnen wäre. Dagegen sei er im mittelalterlichen Hinduismus und im Neohinduismus öfter dem Phänomen des Inklusivismus begegnet. Im Inklusivismus sind Duldsamkeit und Unduldsamkeit in so eigenartiger Weise verschlungen, daß man zu seiner Beschreibung am besten beide Begriffe beiseiteläßt. Er ist in seinem Wesen nach eine typisch indische Methode der geistigen Auseinandersetzung und der Werbung. Die Methode wurde auch oft von Neohinduisten praktiziert, insbesondere von Vivekānanda und Rādhākrishnan. Letzterer behauptet wie fast alle Hindus heutzutage, daß alle Religionen in ihrem Wert oder Hauptziel ähnlich sind. Wenn das wesentliche Ziel aller Religionen das Vedānta ist, das hauptsächlich die geistige Einheit des Hinduismus beinhaltet, dann sind alle Religionen im Hinduismus enthalten. Das ist die umfassendste jemals vorgefundene Anwendung des Inklusivismus. Vivekānanda sieht seinen Meister Ramakrishna, der in seine religiöse Hingabe auch Jesus und Mohammed einzubeziehen vermag, als Inkarnation der umfassenden Offenheit und Toleranz des Hinduismus: Idee und Praxis haben nach seiner Auffassung ihre wahre Grundlage in der vedāntischen Konzeption der absoluten Einheit. Aus der monistischen «Spiritualität» des Vedānta heraus vermag Indien der Welt die Ideen der Toleranz und der universellen Brüderlichkeit anzubieten. Die ganze Welt wartet auf die indische Botschaft der Toleranz und Spiritualität. Der Buddhismus war wie die anderen Religionen und Weltanschauungen immer schon im Hinduismus enthalten. Vivekānanda verwendet hier den Begriff der Inklusivität. Jedoch darf die Koexistenz religiösen Lebens nicht mit strukturierter Einheit verwechselt werden. Das Andere wird nicht als etwas Hinzufügbares, sondern als immer schon im Eigenen enthalten gesehen. Auch bei den Jainas findet sich Inklusivismus. Eine geläufige inklusivistische Metapher ist die der vielen Flüsse, die in einen Ozean münden. In allen Religionen wird eine vielnamige und -gestaltige Isis verehrt. Die Allah-Upanisad identifiziert indische Gottheiten mit Allah. Hegel spricht in seiner Phänomenologie des Geistes von der Aufhebung von Unterschieden zwischen nichteuropäischem und christlichem Denken. Wezler hebt hervor, dass in Indien nur die Lehre, welche sich einer uralten Herkunft rühmt, auf Anerkennung rechnen kann. Deshalb habe fast jeder Reformator auf unterschiedliche Weise seiner neuen Lehre das Ansehen hohen Alters zu geben versucht. Daneben bzw. im Zusammenhang damit bestand die Möglichkeit, «inklusivistisch» zu argumentieren und für das Neue zu werben, indem man das Alte als ein dem Eigenen gar nicht fremdes Element ausgab, das ihm aber untergeordnet ist.
Inklusivismus in der Religionstheologie
Im Gegensatz zu Hacker halten Oberhammer und Wezler den Inklusivismus als eine keineswegs auf Indien beschränkte Denkform.5 Heutzutage ist der Inklusivismus in der Religionstheologie eine Form der theologischen Beurteilung anderer Religionen beziehungsweise innerchristlich eine Form der Beurteilung anderer Konfessionen. Er erkennt an, dass auch andere Religionen Heilsbedeutsamkeit besitzen können, dass aber diese Heilsbedeutsamkeit erst in der eigenen Religion zu ihrer vollen Entfaltung und Bedeutung gelangt. Die eigene Position wird als unüberbietbare Heilswahrheit verstanden. Die eigene Religion gilt daher als allen anderen überlegen.
Der Inklusivismus stellt einerseits eine Gegenposition zum Exklusivismus dar, der die eigene Religion als einzig wahre oder heilbringende Religion sieht, aber andererseits auch eine Gegenposition zum Pluralismus, der zumindest einige andere Religionen als gleichwertig ansieht.
Inklusivismus im Katholizismus
In der katholischen Kirche wird heute auch in ökumenischen Fragen ein inklusivistisches Erklärungsmodell angewendet, demzufolge nur der Katholizismus die Kirche im eigentlichen Sinn sei und andere Konfessionen als «kirchliche Gemeinschaften» Anteil daran haben. Dominus Iesus, Jesus, der Herr, ist die Erklärung über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche der Kongregation der Glaubenslehre der römisch-katholischen Kirche. Mit dem Begriff «Plenitudo-Ekklesiologie» wird die inklusivistische Sicht der katholischen Kirche in Bezug auf andere Konfessionen wie auch andere Religionen bezeichnet. Der Titel Dominus Iesus entstammt dem Römerbrief (Röm 10,9). In der Erklärung wird die Lehre der römisch-katholischen Kirche über die Kirche erläutert und bekräftigt. So werden insbesondere der Ursprung der Kirche in der Sendung Jesu Christi und des Heiligen Geistes gemäß dem Willen Gottes, die Einzigkeit und Einheit der Kirche sowie ihre Rolle für das Heil der Menschen als allumfassendes Heilssakrament ausgeführt. Dabei stützt sich die Erklärung auf die dogmatische Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche, Lumen gentium, dem Licht der Völker von 1964. Erstmals hat ein Konzil ein Gesamtbild der katholischen Kirche vorgelegt. Das Licht der Völker ist Christus, die Kirche der mystische Leib Christi.
Im Hinblick auf die verschiedenen Konfessionen unterscheidet die Erklärung Dominus Iesus zwischen der «einen einzigen Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert» und den «Kirchen, die zwar nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber durch engste Bande, wie die apostolische Sukzession und die eucharistische Ekklesiologie, mit ihr verbunden bleiben». Diese werden als «echte Teilkirchen» bezeichnet. In diesen orthodoxen Schwesterkirchen sei die Kirche Christi ebenfalls «gegenwärtig und wirksam, obwohl ihnen die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche fehlt», da sie den Primat des Papstes nicht anerkennen. Außerdem gibt es jene Konfessionen, «die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben». Diese seien nicht Kirchen im eigentlichen Sinne, sondern «kirchliche Gemeinschaften», deren Gläubige aber durch die Taufe dem Leib Christi angehörten. Sie stünden daher «in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der Kirche».
Dass die protestantischen Kirchen in der Tradition von Unitatis redintegratio – dem Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus – nicht als Kirchen, sondern als «kirchliche Gemeinschaften» bezeichnet werden, empfinden viele evangelische Christen als Herabsetzung. Sie sehen darin meist einen bewussten Rückschritt im Bezug auf die Errungenschaften um die zuvor verabschiedete Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Aus katholischer Sicht kann in dieser Bezeichnung jedoch besondere Wertschätzung gesehen werden, da sie nicht nur als «Gläubigenvereine» oder «christliche Gemeinschaften» angesprochen, sondern ihnen ausdrücklich kirchliche Elemente zugebilligt werden. Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung bemüht sich in einer theologischen Studie um eine Verständigung in der Frage der Ekklesiologie.
Eine theoretische Möglichkeit zur Eigenpositionierung im interreligiösen Dialog bietet das Modell des mutualen Inklusivismus.6 Überlegenheits- und Absolutheitsanspruch der Religionen stehen hierbei unharmonisch nebeneinander, und das eigene Geltungs- und Selbstverständnis bleiben uneingeschränkt bestehen. Durch diese Theorie wird der Relativierung und damit auch der Verzerrung der jeweiligen Innenperspektive vorgebeugt.
Die Auffassung des Inklusivismus hält an der Vorrangstellung der eigenen Religion fest, kann aber anderen Religionen auch Anteile an der Wahrheit zugestehen. Diese sind um so größer, je näher die andere Religion zur eigenen steht.
Biblisch begründet sich eine inklusive Auffassung mit der natürlichen Gotteserkenntnis, die ihren Grund in der Schöpfung hat. Gott ist der Schöpfer aller Menschen, nicht nur der Juden und Christen. Darum können auch die anderen Völker etwas von seiner Größe und Schöpfermacht spüren, selbst wenn sie noch nichts von Jesus gehört haben. Man kann darum anerkennen, dass auch dort Elemente der wahren Gottesanbetung und ein ehrliches Streben und Suchen nach Gott vorhanden ist. In Röm 1,20 argumentiert Paulus mit einer solchen natürlichen Gotteserkenntnis der Heiden. Auch die Areopag-Rede (Apg 17,22ff) an die Heiden in Athen, denen Paulus sagt, sie würden unwissend den wahren Gott verehren, kann in diesem Zusammenhang gesehen werden.
Der Inklusivismus ist die offizielle römisch-katholische Religionstheologie seit dem II. Vatikanischen Konzil. In der Konzilskonstitution Lumen Gentium wird ein Modell konzentrischer Kreise beschrieben, in dem die verschiedenen Religionen nach dem Grad ihrer Nähe zum Christentum sortiert werden. Mit dem Judentum bestehen über das Alte Testament und die Heilsgeschichte mehr Verbindungen als zu den Muslimen. Aber auch diese berufen sich auf Abraham als Stammvater ihres Glaubens. Weiter entfernt sind Hinduismus und Buddhismus sowie sonstige Naturreligionen. Der Kernsatz des inklusiven Modells besagt: «Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen» (LG 16).
Es läßt sich demnach feststellen, daß im Gegensatz zur damaligen Auffassung meines Vaters heutzutage die Denkform des Inklusivismus keineswegs nur mehr als auf den klassischen und Neo-Hinduismus sowie jungen Buddhismus beschränkt gilt, sondern sich auf höchster christlich-katholischer Ebene des Vatikans als Denkschema und sogar Vorschlag im Verhältnis zu anderen Religionen und Konfessionen findet. Es liegt nahe, hier die Verbindung zu der Freundschaft meines Vaters mit Benedikt XVI. em. Joseph Ratzinger zu sehen. Der Protestantismus proklamiert eine pluralistische Sicht auf andere Religionen.