Gibt es doch einen «Gesetzgeber der Vernunft»?Zum ambivalenten Gottesbegriff in Kants «Religionsschrift»

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
© privat

Abstract / DOI

Gibt es doch einen «Gesetzgeber der Vernunft»? Zum ambivalenten Gottesbegriff in Kants "Religionsschrift". Die "Religionsschrift" Kants (1793) enthält eine Ambivalenz, die die kritische Ablehnung des (historisch-positivistisch verstandenen) Gottesglaubens nicht mehr unbedingt durchziehen kann. Die Trennung zwischen dem Gott der Offenbarung und dem von der Vernunft postulierten "Gott" des kategorischen Imperativs erweist sich als fließende Grenze. Die angesprochene "Rechenschaft vor einem Richter" zeigt Kant keineswegs nur als den Gewährsmann einer autonomen Moral, vor welcher Gott selbst zwingend haltmachen müsse.

The ambivalent concept of God in Kant's «Religionsschrift». Kant's «Religionsschrift» (1793) contains an ambivalence that the critical rejection of the belief in God (understood in a historical-positivist way) can no longer necessarily follow through. The separation between the God of revelation and the «God» of the categorical imperative postulated by reason proves to be a fluid boundary. The aforementioned «accountability before a judge» by no means shows Kant only as the guarantor of an autonomous morality, before which God himself must necessarily stop.

DOI: 10.23769/communio-53-2024-38-44

Die Fragestellung

«[E]ine Religion, die der Vernunft unbedenklich den Krieg ankündigt, wird es auf die Dauer gegen sie nicht aushalten.» (RGV, AA 6, 13) So die Prämisse in Kants Schrift «Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft», Königsberg 1793, (2) 1794. Aber kann umgekehrt die Vernunft unbedenklich der Religion den Krieg ankündigen? Ist Glaube in der klassischen Form unvernünftig? Lässt sich in der späten Religionsschrift eine Ambivalenz erkennen, die die kritische Ablehnung des (historisch-positivistisch verstandenen) Gottesglaubens nicht mehr unbedingt durchziehen kann? Ist bei Kant selbst die Trennung zwischen dem Gott der Offenbarung und dem von der Vernunft postulierten «Gott» des kategorischen Imperativs zu halten? Sollte sich bewahrheiten, dass die Grenze zwischen beiden fließend ist, ist Kant keineswegs der Gewährsmann einer autonomen Moral, vor welcher Gott selbst zwingend haltmachen müsse.

Kants transzendentale Freiheit: Ich will, was ich soll!

Zu unterscheiden ist bei Kant zwischen Freiheit und Autonomie. Der allgemeine Begriff Freiheit wird zur Autonomie, wenn die praktische Vernunft das sittlich Gesollte nicht nur tut, sondern vorgängig theoretisch einsieht und zustimmt. Autonomie meint keineswegs Willkür, sondern vernünftige Selbstverpflichtung auf gutes Handeln. Es kommt auf die vorausgehende Einsicht an: Das sittlich Gesollte muss als Gutes verstanden sein, dann vollzieht man es zustimmend, «von selbst» = autonom. In den «Kritiken» wird Autonomie theoretisch verstanden als «Selbstgesetzgebung der Vernunft» und praktisch-moralisch als «Selbstgesetzgebung des Willens».

Einfacher: Ich tue, was gesollt ist = was ich als gut eingesehen habe. Oder anders: Ich soll wollen, was ich soll. Noch kürzer: Ich will, was ich soll. (Keineswegs: Ich soll, was ich will.) Autonomie ist die verwirklichte Freiheit des sittlich guten Willens bei Kant.

Autonomie ist jedoch kein individueller moralischer Freispruch zum Handeln. Das Sittliche muss in seiner begründeten Forderung allgemein verstehbar sein, nicht nur für den Einzelnen, sondern für alle vernünftig Denkenden. Es gibt keine solipsistische = subjektive Sittlichkeit, keine individuellen moralischen Entscheidungen, die nicht allgemein vernünftig zu beurteilen wären. Auch Sittlichkeit ist vernünftig, und das heißt allgemein verpflichtend, gerade sie!

Kantische Autonomie gründet auf einer für alle geltenden sittlichen Vernunft (formal), die als Gesetzgebung für alle gleichermaßen einsichtig ist (inhaltlich). Sie schließt daher deutlich aus, dass Einzelne formal auf unbedingte Anerkennung ihrer Autonomie pochen und dabei inhaltlich beliebige Moralen und Eigeninteressen beanspruchen. Denn sittliche Vernunft umfasst gemeinsame ethische Inhalte, die als solche gegeben und nicht verhandelbar sind (was schon im Ausdruck «Gesetzgebung der Vernunft» hörbar wird).

Kants Autonomie kann daher nicht für subjektive Moral und partikulare Eigeninteressen beansprucht werden, im Gegenteil. Der Mensch ist autonom, wenn seine Vernunft nicht über das Sittengesetz herrscht, sondern diesem unterstellt ist.

In Kants schönem, wenn auch schwierigen Deutsch ist Autonomie «die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände des Willens) ein Gesetz ist. Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen werden.» (Metaphysik der Sitten, AA 6, 440) Damit ist der kategorische Imperativ wirksam als «die Form des Wollens, in Gestalt eines allgemeinen Gesetzes, das er sich selbst gibt» (ebd.).

Wer derart autonom ist, entscheidet sich für das Gesollte unabhängig von der Sinnenwelt und ihren natürlichen Begierden und Neigungen zum Bösen, unabhängig vom Mechanismus der Naturtriebe, vielmehr «abhängig» von der allgemein verständlichen Vernünftigkeit des Sittlichen.

Glaube: an welchen Gott?

Gibt es Raum für Gott und für welchen Gott in der kantischen Selbstgesetzgebung – sei es der Vernunft, sei es des Willens? Bekanntlich wurde der Druck von Teilen der Religionsschrift vom preußischen König Friedrich Wilhelm II. zunächst als gegen das Christentum gerichtet verboten, der Autor verwarnt.1

Die Ausgangsfrage lautet: Taucht Gott nur in Gestalt der Fremdbestimmung im christlichen (oder einem anderen) Glauben auf: Du musst, weil Ich es will? Das wäre heteronomer «Kirchenglaube», der die Offenbarung positivistisch nimmt als ein historisch-willkürliches Eingreifen Gottes. Stattdessen optiert Kant für einen «Religionsglauben», in der Tradition von Röm 2, 14: «Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz.» Bei Paulus ist menschliche Natur Träger der vor- und außerbiblischen Offenbarung. Bei Kant dagegen wird «Vernunft» zum Ohr: Es gibt «uns durch unsere eigene Vernunft offenbarte Geheimnisse» (RGV, AA 6, 142). Mit dem Stichwort «Offenbarung» verbindet sich ein religiöser Ton, den Kant ambivalent nutzt: «Gott [… hat] durchs moralische Gesetz in uns seinen Willen offenbart» (ebd.,144). Dabei ist nicht zwingend an den biblischen Gott zu denken; «Gott» ist Postulat für die Transzendentalität des moralischen Gesetzes, das dadurch sakralisiert wird: «Die verschleierte Göttin, vor der wir beiderseits unsere Knie beugen, ist das moralische Gesetz in uns in seiner unverletzlichen Majestät.» (Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie, AA 8, 405) Dies führt zu einer Metaphorik des Unbedingten: «Nun findet jeder Mensch in seiner Vernunft die Idee der Pflicht und zittert beim Anhören ihrer ehernen Stimme, wenn sich in ihm Neigungen regen, die ihn zum Ungehorsam gegen sie versuchen. Er ist überzeugt, daß, wenn auch die letztern insgesamt vereinigt sich gegen jene verschwören, die Majestät des Gesetzes, welches ihm seine eigene Vernunft vorschreibt, sie doch alle unbedenklich überwiegen müsse, und sein Wille also auch dazu vermögend sei.» (Ebd., 402)

Doch handelt sich bei der «Majestät» nicht um einen Rückgriff auf die historische Offenbarung: Moralität «bedarf also zum Behuf ihrer selbst […] keinesweges der Religion, sondern, vermöge der reinen praktischen Vernunft, ist sie sich selbst genug.» (RGV, AA 6, 3) Mosaisches Gesetz und moralisches Gesetz sind zweierlei, auch wenn sie sich überschneiden mögen: Ihre Begründung ist je anders; das erste argumentiert historisch-kontextuell, das andere ahistorisch-transzendental.

Nochmals deutlich: «Die enge Pforte und der schmale Weg, der zum Leben führt, ist der des guten Lebenswandels; die weite Pforte und der breite Weg, den viele wandeln, ist die Kirche. Nicht als ob es an ihr und ihren Satzungen liege, daß Menschen verloren werden, sondern daß das Gehen in dieselbe und Bekenntnis ihrer Statute oder Zelebrierung ihrer Gebräuche für die Art genommen wird, durch die Gott eigentlich gedient sein will.» (RGV, AA 6, A 227)

Das wahre Gesetz: in Vernunft, Herz und Gewissen

Dennoch bricht die religiöse Sprache bei Kant durch, und zwar gerade zur Sicherung des transzendentalen Gesetzes und seiner Verbindlichkeit. Sicherung ist nötig, denn «die Unlauterkeit (impuritas, improbitas) des menschlichen Herzens besteht darin: […] daß pflichtmäßige Handlungen nicht rein aus Pflicht getan werden.» (RGV, AA 6, B 22)

Menschen sind als endliche Vernunftwesen eingeschränkt, sowohl im Gebrauch der Vernunft als auch im Gebrauch des Willens. Ihnen ist erfahrungsgemäß eine «Anlage» zum Guten wie ein «Hang» zum Bösen eigen, weswegen sie sich die Einsicht in das allgemeine Sittengesetz erst erarbeiten müssen (nicht zuletzt durch das Lernen von Geboten und Verboten). Der Begriff «Gott» aber ist uneingeschränkt in seiner Vernunft wie in seinem Willen; «Gott» ist ungehindert, das moralisch Gute zu erkennen und zu wollen. Er selbst ist und will das Sittlich-Gute. Gott als reines Vernunftwesen und als reiner Wille sowie das zur Anerkennung vorliegende Sittengesetz sind in eins zu denken.

Doch heißt es in der Religionsschrift (RGV, AA 6, B 219) zuletzt erstaunlich: «Daß der Mensch durchs moralische Gesetz zum guten Lebenswandel berufen sei, daß er durch unauslöschliche Achtung für dasselbe, die in ihm liegt, auch zum Zutrauen gegen diesen guten Geist und zur Hoffnung, ihm, wie es auch zugehe, genug tun zu können, Verheißung in sich finde, endlich, daß er, die letztere Erwartung mit dem strengen Gebot des erstern zusammenhaltend, sich, als zur Rechenschaft vor einem Richter gefordert, beständig prüfen müsse: darüber belehren, und dahin treiben zugleich Vernunft, Herz und Gewissen. Es ist unbescheiden, zu verlangen, daß uns noch mehr eröffnet werde […]»

Das Sittengesetz wird also nicht nur von der Vernunft, sondern ebenso von Herz und Gewissen eingefordert. «Jeder Mensch hat Gewissen und findet sich durch einen inneren Richter beobachtet, bedroht und überhaupt im Respect (mit Furcht verbundener Achtung) gehalten, und diese über die Gesetze in ihm wachende Gewalt ist nicht etwas, was sich selbst (willkürlich) macht, sondern es ist seinem Wesen einverleibt. Es folgt ihm wie sein Schatten, wenn er zu entfliehen gedenkt. Er kann sich zwar durch Lüste und Zerstreuungen betäuben oder in Schlaf bringen, aber nicht vermeiden dann und wann zu sich selbst zu kommen oder zu erwachen, wo er alsbald die furchtbare Stimme desselben vernimmt. Er kann es in seiner äußersten Verworrenheit allenfalls dahin bringen, sich daran gar nicht mehr zu kehren, aber sie zu hören, kann er doch nicht vermeiden.» (Metaphysik der Sitten, AA 6, 438) Noch stärker: «Der moralische Imperativ kann also als die Stimme Gottes angesehen werden.» (Opus postumum, AA 13, 64) Und: «Der marternde Vorwurf des Gewissens ist die Stimme Gottes in der praktischen Vernunft.» (Ebd., 149)

Allein schon die Begrifflichkeit des Richters oder der Stimme Gottes verdankt sich eindeutig der biblischen Sprache – selbst wenn unterschwellig damit das transzendentale Sittengesetz gemeint ist. Das nötigt zur Frage, ob Transzendentalität bei Kant letztlich doch zur Frage eines Schöpfers führt und führen muss. Gerade als Urgegebenheit oder als «Urfactum»2 verweist die reine praktische Vernunft auf einen Geber oder Schöpfer. Finden der biblische Gott und der postulierte Gott doch zueinander?

Gibt es doch einen Gesetzgeber der Vernunft?

Aufklärung im Sinne Kants kann zweierlei bedeuten: Befreiung der Moral von Fremdbestimmung, aber ebenso Befreiung von einer formal leeren Selbstbestimmung. Sie ist nämlich leer, wenn sie als schlechte Wahlfreiheit «immer auch anders wählen könnte» ohne ein vorgängig «Gutes», auf das sie sich richtet, mehr noch: von dem sie selbst ausgerichtet wird. Der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit enthält die freie Zustimmung zum verbindlichen Sittengesetz. Dass dieses selbst ein transzendental Gegebenes ist, macht die Zustimmung nicht kleiner. Kants Autonomie gründet auf dem vorausgesetzten Guten, ohne es einzuholen. Zugleich wird sie umgekehrt von dem immer schon vorausgesetzten und gewussten Guten in Gang gesetzt.

Autonomie schließt daher Gott als «Gesetzgeber» und Inbegriff des moralisch Guten nicht aus, im Gegenteil. «Die Vernunft verfährt nach dem categor. Imperativ, und der Gesetzgeber ist Gott. – Es ist ein Gott denn es ist ein categ. Imperativ.» (Opus postumum, AA 13, 106)

Allerdings bleibt die Unterscheidung wichtig zwischen Gesetzgeber (Legislator) und Urheber (Autor) der Verbindlichkeit des Gesetzes. «Im letzten Fall würde das Gesetz positiv (zufällig) und willkürlich sein. Das Gesetz, was uns a priori und unbedingt durch unsere eigene Vernunft verwendet, kann auch alles aus dem Willen eines höchsten Gesetzgebers (…) hervorgehend ausgedrückt werden, welches aber nur die Idee von einem moralischen Wesen bedeutet, dessen Wille für alle Gesetz ist, ohne ihn doch als Urheber derselben zu denken.» (RGV, AA 6, 227)

Immer noch könnte man «Gott» als Terminus technicus verstehen, doch wird die Sprache Kants im Verlauf der Religionsschrift immer stärker biblisch-assoziativ und zudem personal: «[…] weil das Menschenvermögen dazu nicht hinreicht, die Glückseligkeit in der Welt einstimmig mit der Würdigkeit glücklich zu sein zu bewirken, [muss] ein allvermögendes moralisches Wesen als Weltherrscher angenommen werden, unter dessen Vorsorge dieses geschieht, d.i. die Moral führt unausbleiblich zur Religion. […] Moral also führt unumgänglich zur Religion, wodurch sie sich zur Idee eines machthabenden, moralischen Gesetzgebers außer dem Menschen erweitert, in dessen Willen dasjenige Endzweck (der Weltschöpfung) ist, was zugleich der Endzweck des Menschen sein kann und soll.» (RGV, AA 6, 7f)

So kann sich eine Schlussfolgerung einstellen, die Kants Abgrenzung vom offenbarten Gott doch nicht ganz glaubhaft sein lässt: «Es ist diese letzte ‹Unbegreiflichkeit› dieser eine göttliche Abkunft verkündigenden (moralischen) Anlage» (RGV, AA 6, 50), in der jene von Kant stellenweise selbst geahnte «Verwandtschaft» (ebd., 114) seiner Moral- und Religionsphilosophie zu jener reinen Mystik begründet liegt, die sich zeitgleich bei religiösen Gruppierungen findet.3 Dass Kant tatsächlich mehr als der Vernunft verpflichtet ist, zeigt sich schon in dem berühmten Vergleich des «moralischen Gesetzes in mir» mit dem «gestirnten Himmel über mir»: Diese Ehrfurcht vor dem Numinosen ist nicht mehr transzendental, sie ist transzendent.

Provoziert also der Glaube doch die Vernunft? Hat Kant den Horizont der biblischen Offenbarung tatsächlich durchbrochen, was heißen will, rational völlig eingeholt? Die Religionsschrift, und nicht nur sie, lässt daran zweifeln: Die Ursache der Freiheit, ja vielmehr der Urheber der Freiheit bleibt transrational. «Der Glaube an etwas, das wir doch zugleich als heiliges Geheimnis betrachten sollen, kann nun entweder für einen göttlich eingegebenen, oder einen reinen Vernunftglauben gehalten werden.» (RGV, AA 6, 137f) Beide Arten des Auffassens, ob inspiriert oder vernünftig, gelten also einem «heiligen Geheimnis», auch der «reine Vernunftglaube»!

Daher die eben doch erstaunlichen Leitplanken des guten Lebenswandels, der zum «Reich Gottes» führen soll: «Daß der Mensch durchs moralische Gesetz zum guten Lebenswandel berufen sei, daß er durch unauslöschliche Achtung für dasselbe, die in ihm liegt, auch zum Zutrauen gegen diesen guten Geist und zur Hoffnung, ihm, wie es auch zugehe, genug thun zu können, Verheißung in sich finde, endlich, daß er, die letztere Erwartung mit dem strengen Gebot des ersteren zusammenhaltend, sich als zur Rechenschaft vor einem Richter gefordert beständig prüfen müsse: darüber belehren und dahin treiben zugleich Vernunft, Herz und Gewissen. Es ist unbescheiden zu verlangen, daß uns noch mehr eröffnet werde […]» (RGV, AA 6, 144f)

Achtung, Zutrauen, Hoffnung, Verheißung, Erwartung, Rechenschaft, Vernunft, Herz und Gewissen - welch affektives Vokabular! Die Religionsschrift liest sich wie ein Palimpsest, dessen erste Beschriftung stellenweise ausradiert wurde, aber doch immer wieder durchschimmert. Kant bleibt ohne Zweifel in seinen biblischen Bezügen zweideutig. Dennoch: Die Logik der Vernunft führt unausweichlich auf den Urheber der Vernunft, die Logik der Freiheit unausweichlich auf den Urheber der Freiheit, die Logik der Moral unausweichlich auf den Urheber des Guten. Und: Kant ist nicht zweideutig in der Frage einer individuellen Autonomie, die es nicht geben kann.

«Es ist unbescheiden zu verlangen, daß uns noch mehr eröffnet werde […]» - hier spricht nicht mehr die Sprache der apriorischen Vernunft. Die Sprache des (vernünftigen) Gehorsams liegt näher als womöglich gewollt.

COMMUNIO im Abo

COMMUNIO will die orientierende Kraft des Glaubens aus den Quellen von Schrift und Tradition für die Gegenwart erschließen sowie die Vielfalt, Schönheit und Tiefe christlichen Denkens und Fühlens zum Leuchten bringen.

Zum Kennenlernen: 1 Ausgabe gratis

Jetzt testen