LachenZum aktuellen Heft von COMMUNIO

Die geordnete, gedeutete, verstandene Welt, die Welt, die so ernst und traurig sein kann, die Welt, die alles, was ist, zu sein scheint, kann, wo und wenn es komisch wird, (auf-)brechen.

lachender Narr
Lachender Narr© Wikimedia Commons/gemeinfrei

Das Lachen ist ein alltägliches Phänomen. Vermutlich wird kaum ein Tag vergehen, an dem ein Mensch nicht lacht. Laut und schallend. Prustend und fröhlich. Oder freundschaftlich, wohlwollend und ansteckend, so dass die Menschen, die um ihn herumstehen, sich der Macht des Lachens nicht entziehen können. Oder auch feindlich, bösartig, zynisch und voller Hohn und Verachtung. Manchmal auch mit feiner Ironie, leise und in sich gekehrt. Und wenn ein Mensch an einem Tag oder sogar über längere Zeiten gar nicht lacht, mag er zumindest gelegentlich lächeln. So ist zu hoffen. Denn einem Leben ganz ohne Lachen fehlt etwas.

Es gibt, gewiss, Menschen, deren Leben so hart und traurig ist, dass sie nichts zu lachen haben. Ihnen ist das Lachen vergangen. Ihre Miene ist ernst und traurig. Vielleicht huscht gelegentlich noch ein Lächeln über ihre Lippen. Und diese Stimmungen sind ernst zu nehmen. Wer nicht lachen kann oder will, bedarf menschlicher Zuwendung. Doch gerade in tiefster Not können viele Menschen einen oft tiefsinnigen Humor entwickeln, nicht nur weil sich die Härten des Lebens mit Humor leichter nehmen lassen, sondern auch weil das Leben selbst sich gerade in traurigsten Momenten als komisch zeigen kann. Der Galgenhumor zeigt, dass man sich nicht einfach willenlos dem Unverfügbaren zu fügen hat, sondern dass man ihm noch mit Trotz, Mut und Souveränität begegnen kann. Das fröhliche Lachen, das sich bei manchem Leichenschmaus einstellen mag, ist ein weiteres Beispiel für einen solchen Humor, der, wenn es ganz ernst wird, das Leben nicht allzu ernst nimmt. Das Traurige und das Komische liegen oft nahe beieinander und gehen nicht selten ineinander über. Manches Unheil mag sich schon in der Situation, in der es sich ereignet, als tragikomisch erweisen. Vor allem mit einem gewissen zeitlichen Abstand kann sich manche Trauer in eine gewisse Heiterkeit lösen. Und auch wenn etwas nicht zum Lachen ist, kann es sich als lächerlich erweisen. Ein kleiner Witz kann in vermeintlich aussichtsloser Lage Wunder wirken. Der Witz hat auch eine heilende oder auch erlösende Dimension. Er weist den Ernst und die Trauer in ihre Schranken und eröffnet zugleich neue Horizonte der Hoffnung.

So unterschiedlich man lachen kann, so verschieden sind die Witze, über die man lacht. Es gibt Witze, die bloß etwas oder andere Menschen von oben herab lächerlich machen. Witze, die schmerzen können. Witze, die Menschen in dem, was ihnen am meisten am Herzen liegt, berühren und verwunden. Witze können Akte der Gewalt darstellen. Wie verbale (oder manchmal gezeichnete) Messer treffen sie ihre Opfer. Lachen kann auch schneidend sein. Wer so zum Gespött gemacht wird, ausgelacht wird, kann sich kaum wehren. Lächerlich gemacht zu werden, gehört zu den größten Verletzungen, die ein Mensch erfahren kann.

Doch können der Humor und mit ihm das Lachen oder ein dezentes Lächeln auch eine Waffe für einen guten Zweck sein. In totalitären Regimen fürchten die Machthaber immer den Humor ihrer Untertanen – manchmal mehr als offenen Widerstand, der sich, solange er nicht um sich greift, unterdrücken lässt. Das ist beim Humor anders. Er wirkt im Kleinen und Unscheinbaren, ist daher kaum zu kontrollieren und viel subversiver als andere Akte der Systemkritik. Denn so wehrlos Menschen sich im Alltag der Diktaturen der Vergangenheit und Gegenwart oft erleben mussten und müssen, so sehr sie Mangel, Not und Unterdrückung ertrugen und ertragen, so sehr konnten und können selbst kleine, im verschwörerischen Flüsterton vorgetragene Witze für kurze Momente der Unterbrechung des totalen Machtanspruches, der inneren Distanzierung und äußeren Kritik sorgen. Der politische Witz kann daher von einer ungeheuer destruktiven Kraft sein (nicht nur in Diktaturen, sondern auch in liberalen Demokratien, in denen er ein kaum verzichtbares Moment der politischen und gesellschaftlichen Debatte darstellt). Und er kann einen Prüfstein darstellen. Denn wer in einer Diktatur einen politischen Witz zu erzählen wagt, offenbart nicht nur sich selbst und seine Haltung und geht dabei ein großes Risiko ein, sondern kann an der Reaktion der Menschen, denen er einen Witz erzählt, auch erfahren, wie diese über das Regime denken. So können Lachen und Lächeln zu einer Solidarität im Kleinen führen, zu kleinen Zellen des Protestes oder Widerstands in ansonsten allzu ernsten, allzu traurigen und erschütternden Zeiten. Ohnehin kann das Lachen wie wenig anderes Menschen miteinander verbinden. Lachen ist infektiös, ansteckend. Wenn man fröhlichen, lachenden Menschen begegnet, kann sich die Fröhlichkeit auf andere Menschen übertragen, ohne dass diese wissen müssen, worum es eigentlich geht und was eigentlich so lustig sein soll.

Was über den politischen Witz, das Lachen in kritischer Absicht, gesagt wurde, dass sich nämlich in diesem Witz, im Lachen eines Menschen über dasjenige, über das nicht gelacht werden darf, ein Mensch in seinen wahren Absichten und Ansichten zeigt, gilt im Grunde für jedes Lachen: Wer ein Mensch ist, kann sich nicht zuletzt daran zeigen, wie, wann und worüber er lacht. Im Lachen können seine Grundhaltungen, sein Selbstverständnis, sein Blick auf die Welt deutlich werden. Es gibt, ohne Frage, flache Witze, sehr viele sogar, die wenig über einen Menschen aussagen – oder nur auf eine gewisse Oberflächlichkeit verweisen. Aber es gibt auch einen Humor, der in die Tiefe, zu dem, was jemandem eigentlich wichtig ist, führt. Es gibt den hintersinnigen Witz oder den abgründigen Witz, in dessen Unsinn sich Sinn zeigen kann. Große Komiker sind in ihrer lachenden Distanzierung vom alltäglichen Schein der Welt daher auch Metaphysiker, die dem, was wirklich ist und zählt, auf der Spur sind. Oder sie sind Ethiker, die den versponnenen Aspekten menschlichen Handelns nachgehen: «Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut», bekannte einst Karl Valentin, der als sensibler Zeitdiagnostiker auch wusste, dass früher sogar die Zukunft besser gewesen sei. Das ist nicht albern, sondern es sind tiefe Erkenntnisse – über den Menschen, die Irrungen und Wirrungen seines Wollens und sein Verhältnis zur Zeit, ja, vielleicht sogar über Zeit, Geschichte und die Grenzen menschlichen Glücks im Großen und Ganzen. Früher war mehr Lametta, so Loriot, ein anderer Komiker, dessen Humor von tiefer Menschenfreundlichkeit war.

Drückt sich in einer lachenden Distanzierung von der Gegenwart, von dem, was übermächtig und allzu ernst das Leben bedrücken kann, nicht neben dem Leid an dem, was allzu ernst ist, möglicherweise auch die Hoffnung aus, dass es andere Perspektiven, andere Ebenen, andere Seiten der Wirklichkeit gibt, dass dem Leiden, der Trauer, dem Tod nicht das letzte Wort gelassen wird und dass es nicht nur Tränen des Weinens, sondern auch Tränen des Lachens gibt? Zeigen sich im Lachen nicht auch Spuren der Transzendenz? Die geordnete, gedeutete, verstandene Welt, die Welt, die so ernst und traurig sein kann, die Welt, die alles, was ist, zu sein scheint, kann, wo und wenn es komisch wird, (auf-)brechen. Daher sind das Feiern und das Lachen so eng miteinander verbunden. Am Feiertag oder am Feierabend, im temporären Abstand zu den Sorgen der Alltagswelt, wird man nicht nur besinnlich, sondern auch fröhlich und witzig – und umgekehrt wird es, wo es komisch zugeht, oft auch feierlich. Diesen Bruch muss man nicht sofort religiös deuten. Man sollte sich sogar hüten, ihn vorschnell so zu deuten. Aber zumindest gelegentlich kann sich im Komischen auch eine Spur des ganz Anderen eröffnen. Das mag sogar für Lachanfälle gelten, in denen es einen Menschen überkommt, ohne dass er das, was er tut, was an ihm geschieht, was ihn wie von außen anfällt, noch unter Kontrolle hätte. Auch solche Anfälle mit ihrem exzessiven, überwältigenden, unheimlichen Charakter können manchmal Zeichen einer Welt sein, die ganz anders als die alltägliche ist: Spuren zu einer Freude, von der alles Irdische nur ein Gleichnis ist.

Noch einmal abschließend Karl Valentin: «Jedes Ding hat drei Seiten. Eine positive, eine negative und eine komische.» Damit formuliert er eine höhere Dialektik, eine Sicht der Wirklichkeit, die es verdient, näher betrachtet zu werden. Genau das versucht dieses Heft der Communio. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz macht sich auf eine Spurensuche nach dem göttlichen Humor in Mythos, Bibel und Schöpfung. In die christliche Geschichte (und Legitimation) des Lachens führt Manfred Becker-Huberti ein. Lenz Prütting vertieft den Blick in die Geistes- und Theologiegeschichte, untersucht die Polemik der Kirchenväter gegen das Lachen und die mittelalterlich-scholastische Annäherung an das Lachen und erklärt, warum es keine explizite Theologie des Lachens im Mittelalter gegeben habe (und wie eine solche Theologie eigentlich begründet werden könnte). Zu übermächtig war die These, Jesus habe nie gelacht. Doch zeigt sich unter Umständen in der Kunst eine Theologie des Lachens. Den lächelnden und lachenden Skulpturen an gotischen Kirchen wendet sich daher Verena Kessel zu. Bischof Stefan Oster erörtert in einem Interview mit Benjamin Leven den Zusammenhang von Humor und Demut und die katholischen Dimensionen des Humors oder – anders formuliert – die humorvollen Dimensionen des Katholizismus. Dem abgründigen Humor Karl Valentins geht Hans Maier nach. Und da es auch eine bedrohliche Humorlosigkeit gibt, bedenkt Barbara Zehnpfennig, warum so viele Ideologen humorlos sind und welchen Zusammenhang es zwischen Humor und Politik gibt.

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