«O Wort, du Wort, das mir fehlt!»Zu Arnold Schönbergs Oper Moses und Aron

Arnold Schönberg
Arnold Schönberg© Wikimedia Commons/gemeinfrei

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«O Wort, du Wort, das mir fehlt!» Zu Arnold Schönbergs Oper Moses und Aron. 150 Jahre nach seiner Geburt wird Arnold Schönberg als Protagonist der avantgardistischen Zwölftonmusik allenthalben gefeiert. Die Komposition seines Opernfragments Moses und Aron bricht nach dem zweiten Akt ab. Das von ihm selbst verfasste vollständige Libretto, insbesondere der nicht auskomponierte dritte Akt, erweist ihn, der 1933 mit Emphase  zu seinem Judentum wieder zurückgefunden hat, als einen radikalen Denker. In der zentralen Offenbarungsszene  am brennenden Dornbusch macht Moses die Erfahrung einer Präsenz, die sich zugleich entzieht. Wie kein anderer Philosoph treibt Schönberg diesen Gedanken der Vorenthaltung in eindrucksvollen Dialogen der  Brüder Moses und Aron in eine rigorose Konsequenz. Während Aron nicht nur durch sein goldenes Kalb, sondern auch durch die Erzählung der Taten Gottes, durch Zeichen und Wunder dem Einzigen zu einer sinnlich erfahrbaren Präsenz verhelfen will, hält Moses daran fest, dass der Gottesgedanke, der ihn erfüllt, auf keinerlei Weise, auch nicht als Wort, zum Objekt werden kann. Schönberg lässt Aron am Ende des dritten Aktes tot umfallen und schickt sein Volk, dessen Erwählung für ihn Bestimmung ist, in die Wüste, wo es die Vereinigung mit Gott erwartet. Schönbergs auch heute noch beeindruckendes Werk stellt so die Vorenthaltung des gleichwohl immer gegenwärtigen Gottes als das eigentliche Proprium des biblischen Monotheismus in den Mittelpunkt.

«O Word, You Word That I Lack!» On Arnold Schönberg’s Opera Moses and Aron. 150 years after his birth Arnold Schönberg enjoys worldwide celebration as protagonist of avantgarde twelve-tone music. His opera fragment Moses and Aron breaks off after the second act. The complete libretto, written by himself, in particular the third act, which he did not set to music, proves the composer, who had 1933 vigorously returned to his Judaism, to be a truly radical thinker. In the central revelation scene, confronted with the burning bush, Moses encounters a presence that simultaneously eludes him. Like no other philosopher he takes this idea of withholding to a rigorous conclusion in the impressive dialogues between the brothers Moses and Aron. While Aron intends to turn the only One into a sensually tangible presence not only by means of his golden calf, but also through the narration of God’s acts and by signs and wonders, Moses insists, that the idea of God that fills him, cannot become an object in any way, not even as word. Schönberg lets Aron drop dead at the end of the third act and sends his people, whose election means to him a destination, into the desert, where they are to await the union with God. Schönberg’s great work, still impressive today, thus places the withholding of the divine presence at its very centre and exposes it as the proprium of biblical monotheism.

DOI: 10.23769/communio-53-2024-664-675

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