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Wie die Christen das Lachen legitimierten. Weil der heilige Kirchenlehrer Chrysostomos (345-407) festgestellt hatte, dass in der Heiligen Schrift an keiner Stelle berichtet wird, Jesus habe gelacht, habe dieser auch in Wirklichkeit nicht gelacht. Und wer ihm nachfolgen wolle, dürfe deshalb auch nicht lachen. Denn nur der Teufel lache aus Hohn, ein demütiger Christ dagegen dürfe vielleicht gelegentlich einmal lächeln. In der mittelalterlichen Kunst lachen deshalb nur auferstandene Christen in der Herrlichkeit Gottes. Wenn in der Kunst im Mittelalter trotzdem eine oder einer lacht, ist es ein Dämon oder jemand, der seiner Rolle nicht gerecht wird (z.B. die törichten Jungfrauen). Im realen Leben war Lachen verpönt. Das ändert sich erst in der Zeit der Kreuzzüge, durch die die Texte der griechischen Philosophie auch nach Europa kamen und in Folge deren Rezeption das platonische Denken durch das aristotelische abgelöst wurde. Quasi als fünfte Jahreszeit wurde die Fastnacht in das kirchliche Festjahr integriert und damit das Lachen hoffähig, so dass sich z.B. auch das Osterlachen (risus paschalis) entwickeln konnte. Eine Glaubensgemeinschaft, die eine frohe Botschaft (εὐαγγέλιον) zur Grundlage hat, konnte auf Dauer den «Spaß an der Freud‘» nicht ächten. Das ließ auch in jüngerer Zeit den erklärten Protestanten und Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) jubeln: «Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält? Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt.» Lachen ist eben göttlich! Und deshalb auch menschlich.
How Christians Legitimised Laughter. Because the holy Doctor of the Church Chrysostom (345–407) stated that there is no mention in the Holy Scriptures that Jesus laughed, he did not laugh in reality. And anyone who wanted to follow Jesus should therefore not laugh either. For only the devil laughs out of mockery, whereas a humble Christian may perhaps smile once in a while. In medieval art, therefore, only resurrected Christians laugh in the glory of God. If someone in medieval art laughs anyway, it is a demon or someone who does not fulfil their role. In real life, laughter was frowned upon. This only changed during the Crusades, which brought the texts of Greek philosophy to Europe and, as a result of their reception, Platonic thinking was replaced by Aristotelian thinking. Carnival was integrated into the ecclesiastical festive year as a kind of fifth season, making laughter acceptable, so that Easter laughter (risus paschalis), for example, could also develop. A religious community based on good news could not outlaw the the pleasure of joy in the long term. In more recent times, this also made the avowed Protestant and cabaret artist Hanns Dieter Hüsch (1925–2005) rejoice: «Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält? Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt.» Laughter is divine! And therefore also human.
DOI: 10.23769/communio-53-2024-605-615