FirmungZum aktuellen Heft von COMMUNIO

Ein Sakrament auf der Suche nach seiner Theologie: Die Firmung wurde in Geschichte und Gegenwart immer wieder neu interpretiert. Gerade in einer säkularer werdenden Welt steht ihre Bedeutung auf dem Prüfstand.

Pietro Longhi, Confirmationis Sacramentum
Pietro Longhi, Confirmationis Sacramentum© Wikimedia Commons/gemeinfrei

Das Sakrament der Firmung wird häufig als «Abschiedssakrament» bezeichnet, weil viele Jugendliche in unseren Breiten nach dem Empfang desselben der Kirche endgültig den Rücken kehren. Kirchlicher Anspruch und säkulare Lebensrealität klaffen, gerade bei der Firmung, oft weit auseinander. Wer in der Gemeinde für die Firmung verantwortlich ist, kennt die zahlreichen Schwierigkeiten nur zu gut. Das Firmalter steht dabei ebenso zur Diskussion, wie die inhaltliche Ausrichtung der Katechese. Oft bleibt dabei diffus, wofür das Sakrament eigentlich steht. Geht es um die «Bekräftigung» oder «Besiegelung» des bereits in der Taufe grundgelegten Glaubens? Oder sollen die Firmlinge vielmehr eine Art Mündigkeitserklärung abgeben, um als Christinnen und Christen aktiv in Gemeinde und Welt wirken zu können? Die Herausforderungen sind mannigfaltig und mündeten in den letzten Jahrzehnten in einer oft verzweifelten Suche nach der richtigen Praxis.

Liturgisch-genetisch betrachtet, ist die Firmung im römischen Westen ein aus dem Kontext herausgelöster Teil der Taufe, der consignatio genannt wurde und in Rom strikt dem Bischof vorbehalten war.1 Selbst wenn ein Priester oder Diakon die Taufe vornahm, musste – nach römischem Verständnis – der Bischof die Taufe rituell «bestätigen». Über den Weg der angelsächsischen Mission gelangte diese Praxis ins Frankenreich, wo die Taufbestätigung durch den Bischof unter dem Namen confirmatio fortbestand. Die rituelle Trennung bzw. Verselbstständigung der Firmung von der Taufe erfolgte aufgrund der veränderten Stellung des Bischofs. Während dem Bischof im spätantiken Rom die Rolle eines «Stadtdekans» zukam, dehnte sich das Territorium eines fränkischen Missionsbischofs dagegen auf ganze Landstriche aus. Der Bischof konnte selbst nicht mehr flächendeckend die Taufe spenden, verzichtete aber zugleich nicht auf die Firmung als eigenständigen Akt. Damit etablierte sich endgültig die Praxis, dass die Taufe meist den Priestern, die Firmung aber dem Bischof oblag. Nicht selten spendete er sie im Rahmen ausgedehnter Firmreisen auf freiem Feld. Das Firmalter wurde lange nicht fest geregelt, da die Firmung von der Verfügbarkeit des Bischofs abhing. Rituell betrachtet, bestand die Firmung bereits im Mittelalter aus zwei Teilen: Einem Gebet um die siebenfache Gabe des Hl. Geistes samt Handauflegung und einer Stirnsignierung mit Chrisam. Im Laufe der Jahrhunderte verschob sich die Bedeutung weg vom Geistverleihungsritus unter Handauflegung hin zur Stirnsalbung mit Chrisam. Die rituelle Entwicklung des Firmgottesdienstes verlief seither in überschaubarem Rahmen.

Warum der Konnex zwischen Taufe und Firmung nicht nur bloß (liturgie-)theologisch, sondern auch für die Praxis relevant ist, erklärt der Innsbrucker Liturgiewissenschaftler Reinhard Meßner: «Die Firmung ist […] seit ihrem Bestehen als selbstständiger liturgischer Handlung sozusagen auf der Suche nach ihrer Theologie; alle im Lauf der Zeit vorgebrachten Firmtheologien sind dem gottesdienstlichen Vollzug, der ja sachlich ein Teil der Taufe ist, sekundär, zuweilen ihm ganz künstlich aufgepfropft.»2 Im Rahmen der Verselbstständigung der Firmung fand zugleich eine Umdeutung der ursprünglichen confirmatio im Sinne der bischöflichen Bestätigung in Richtung «Stärkung» statt. Diese Akzentuierung wurde von den (früh-) mittelalterlichen Theologen weiter vertieft. Einflussreiche Theologen wie Petrus Lombardus oder Thomas v. Aquin stellen die Firmung endgültig unter das Motiv der «Kräftigung» (ad robur) und ergänzen es um die Ausrichtung auf den Mitmenschen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, basieren viele pastorale wie theologischen Konzepte bis weit ins 20. Jahrhundert auf diesen fundamentalen Überlegungen. Was bis heute bleibt, ist die Herausforderung, Taufe und Firmung aufeinander zu beziehen, da die Gabe des Geistes so eng mit der Taufe verknüpft ist, dass sich die daraus resultierende Taufgnade nicht ohne Weiteres in eine von der Taufe unabhängige Firmung «ausgliedern» lässt. Wenn die Geistausgießung bereits in der Taufe erfolgt ist, kann sie in der Firmung nicht einfach «wiederholt» werden.

Die Frage nach dem Firmspender zeigt einmal mehr, wie mittelalterliche Theologie bis weit ins 20. Jahrhundert fortwirkt. Entgegen der jahrhundertealten Tradition öffnete das Zweite Vatikanum die Firmung auch für nicht-bischöfliche Spender. Lumen Gentium bezeichnet den Bischof nicht mehr als minister ordinarius der Firmung, sondern als dessen minister originarius (vgl. LG 26). Damit fiel das einzig historisch valide Argument weg, die Taufe von der Firmung zu trennen. Die alte Ordnung der Initiation (Taufe – Firmung – Erstkommunion) ließe sich – wenigstens in der Theorie – wieder vollständig herstellen. Oft genug wurde in diesem Kontext auf die theologische Problematik der Umkehrung von Firmung und Erstkommunion hingewiesen. Da die Eucharistie theologisch als «dichteste Realisierung» von Kirche gilt, kann es schwerlich eine Initiation über sie hinausgeben. Diese Sicht legen auch die heutigen liturgischen Bücher nahe. Die Pastorale Einführung des maßgeblichen Ordo confirmationis empfiehlt, dass die Firmung mit ungefähr sieben Jahren gespendet werden soll (vgl. Nr. 6). Wenn das derzeitige Alter der Erstkommunion unverändert bliebe, könnte die Firmung damit wieder vor sie wandern und als Übergangsritus am Beginn der Grundschule stehen. Noch bedeutsamer ist in diesem Kontext jedoch der Verweis auf die ebenfalls mit dem Zweiten Vatikanum neu akzentuierte Erwachseninitiation, die in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft an Bedeutung gewinnt. Die Firmung wurde hier wieder als genuiner Bestandteil in den Taufgottesdienst eingegliedert und damit der historisch bedingte Hiat zwischen den beiden Sakramenten geschlossen.

Will man trotz der eben skizzierten Herausforderungen bei der Praxis bleiben, Jugendliche im Alter zwischen zwölf und vierzehn Jahren zu firmen, sollte man sich auf den Kernbestand des Ritus konzentrieren und auf darüber hinausgehende Deutungsmuster wie Mündigkeitsversprechen oder aktive Gemeindemitgliedschaft möglichst verzichten.3 Im Fokus stünde die siebenfache Geistesgabe selbst, was im Lebensumfeld von Pubertierenden heißen könnte, dass Gott im Sakrament den Firmlingen seinen bedingungslosen Beistand in biographisch unruhigen Zeiten zusagt, ohne dass sie dafür irgendetwas «leisten» müssten. Hier wäre dann auch Platz für eine anthropologische Deutung, die das Sakrament mehr als Übergangsritus an der Schwelle zur Adoleszenz deutet. Beharrt man jedoch einseitig auf dem theologisch wie zeitlich problematischen «Mündigkeitskonzept», wird sich konsequenterweise das Firmalter individualisieren und nach oben verschieben. Firmung wäre dann weniger «Belohnung» als bewusste Entscheidung für ein Leben als mündiger Christ inmitten von Kirche und Gesellschaft. Damit nähme man auch in Kauf, dass die Zahl der Gefirmten noch weiter sänke. Als dritter Weg bliebe immer noch das bereits oben angedeutete Modell, die alte Initiation wiederherzustellen und die Firmung vor der Erstkommunion zu spenden.

Wenn die Firmung nach Meßner seit Bestehen auf der Suche nach ihrer Theologie ist, möchte das vorliegende Heft seinen Teil dazu beitragen, offene Frage zu klären und neue Impulse in die Diskussion einzubringen. Den Auftakt macht Manuel Schlögl, der aus dogmatischer Perspektive die Firmung als «Sakrament des Je-mehr» qualifiziert und damit die «gabe- und gnadentheologische Dimension» der Firmung herausstreicht. Es folgt ein liturgiewissenschaftlicher Zugriff auf das Thema von Eugen Daigeler, dessen Überlegungen von der Genese und Bedeutung des aktuellen Firmritus geprägt sind. Praktisch-theologische Fragestellungen greift wiederum Andreas Wollbold auf. Mit Datenmaterial erläutert er die aktuelle Firmsituation in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft und liefert zugleich Kriterien, wie Firmkatechesen heute aussehen könnten. Aus orthodoxer Perspektive deutet der Theologe Stefanos Athanasiou die Myronsalbung des byzantinischen Ritus. Er erinnert damit sowohl an das gemeinsame Erbe der frühchristlichen Initiation, setzt aber auch Impulse im Bereich der Schöpfungstheologie, die für den ökumenischen Austausch fruchtbar gemacht werden können. Jan-Heiner Tück versammelt in seinem Beitrag literarische Zeugnisse über die Firmung. Zwar würdigt er als literaturaffiner Systematiker die liturgiewissenschaftlichen Bedenken gegenüber der Inversion von Taufe und Firmung, betont aber zugleich den anthropologischen Wert des Sakraments als Übergangsritus, wie es gerade in den literarischen Spiegelungen aufgegriffen wird. Am Ende des thematischen Teils steht ein unkonventioneller wie erfrischender Beitrag des Religionswissenschaftlers Helmut Zander. Er bestätigt damit indirekt das zitierte Diktum Meßners, indem er von der Firmung als «Mélange» spricht, ihr gar ein «chamäleonartiges Wesen» attestiert. Darin sieht er aber keine Schwäche, sondern vielmehr eine Chance der Theologie, sich den gesellschaftlichen wie religiösen Herausforderungen je neu zu stellen.

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