Politik im DomEin ikonografisches Empowerment aus dem Vatikan

Warum das Bild von Trump und Selenskyj in der Peterskirche alle anderen Bilder der päpstlichen Begräbnisfeier überdauern wird.

Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Petersdom
Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Petersdom© The White House/gemeinfrei/Wikimedia Commons

Etwa fünfzehn Minuten saßen sie sich so gegenüber: der amerikanische Präsident Donald Trump und der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj, in dieser speziellen Variante von Beerdigungsdiplomatie im Petersdom. Sie sprachen hier am Rande und das hieß: kurz vor Beginn der Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst Franziskus. Eilig wurde noch ein Stuhl weggeräumt, dann war die bilaterale Szene auch vom Mobiliar her aufgestellt: Ein Gipfelgespräch ohne Berater, ohne Dolmetscher, ohne ablauschende Richtmikrofone selbstverständlich, wie mit dem Siegel des Beichtgeheimnisses versehen. Und überhaupt weckt das formell-informelle Arrangement die Assoziation eines Beichtgesprächs, wenn Pönitent und Beichtvater sich außerhalb des Beichtstuhls zusammensetzen, wie dies auch im Petersdom nicht unüblich ist.

Die marmorne Monumentalität der Basilika Sankt Peter, des zentralen Sakralbaus der katholischen Kirche, der jüngst verstorbene Friedenspapst Franziskus in präsentischer Nähe draußen auf dem Petersplatz, die quasi-sakramentale Rahmung der Unterhaltung – das lässt 15 bildstrategische Minuten entstehen, die Trumps Selbstverständnis als politischen Heilsbringer ins Metaphysische steigern.

Demnach hätten wir es bei jenem diesmal ohne Misstöne oder gar Eklat verlaufendem Gespräch mit einer Performanz zu tun, die einerseits Selenskyj Abbitte leisten lässt für einen unbotmäßig selbstbewussten Auftritt seinerzeit im Weißen Haus. Ja, heute fehlt auch nicht der ausdrückliche, von Selenskyj auf Telegram kurz darauf bekundete Dank an den amerikanischen Präsidenten. Andererseits findet Trump auf dieser geistlichen Weltbühne Gelegenheit, als Friedensstifter, der er sein möchte, die Rolle des Hohenpriesters einzunehmen, sich also in einer anderen Sphäre über alles Gezänk der Vergangenheit stellend.

Die marmorne Monumentalität der Basilika Sankt Peter, des zentralen Sakralbaus der katholischen Kirche, der jüngst verstorbene Friedenspapst Franziskus in präsentischer Nähe draußen auf dem Petersplatz, die quasi-sakramentale Rahmung der Unterhaltung – das lässt 15 bildstrategische Minuten entstehen, die Trumps Selbstverständnis als politischen Heilsbringer ins Metaphysische steigern und dem vertraulichen Vieraugengespräch den Rang einer erlösenden Imitationsgemeinschaft verleihen.

Was immer an dem Bild bewusst komponiert ist oder zufällig sich ergeben hat – es wird vermutlich das Bild sein, das von allen Bildern der päpstlichen Begräbnisfeier den größten politischen Eindruck hinterlässt.

Der Fluchtpunkt des Bildes, die Mitte des Marmorbodens, auf den die Muster zulaufen, wird nicht etwa von den beiden politischen Protagonisten besetzt, sondern liegt freigestellt knapp neben ihnen – wie um einen Gnadenquell von außerhalb zu bezeichnen. Was immer an dem Bild bewusst komponiert ist oder zufällig sich ergeben hat – es wird vermutlich das Bild sein, das von allen Bildern der päpstlichen Begräbnisfeier den größten politischen Eindruck hinterlässt.

Hier geht es um ein ikonografisches Empowerment, eine symbolische Selbstvergewisserung mit pragmatischer Zwecksetzung, demgegenüber die anschließende verbale Kommentierung des Gesprächs nur einen energetischen Abklatsch bieten kann. "Ein sehr symbolträchtiges Treffen, welches das Potenzial hat, historisch zu werden, wenn wir gemeinsame Ergebnisse erzielen", erklärte Selenskyj auf X. "Wir haben viel unter vier Augen besprochen. Ich hoffe auf Ergebnisse bei allen Punkten, die wir besprochen haben. Das Leben unseres Volkes zu schützen. Vollständiger und bedingungsloser Waffenstillstand. Ein verlässlicher und dauerhafter Frieden, der den Ausbruch eines neuen Krieges verhindern wird."

Das Weiße Haus sprach von einem "sehr produktiven" Treffen. Und Trump selbst tariert unter dem Eindruck der geistlichen Selbstertüchtigung sein Entgegenkommen zu Putin neu aus:

"Ich versuche nur, den Schlamassel aufzuräumen, den Obama und Biden mir hinterlassen haben, und was für ein Schlamassel das ist. Abgesehen davon gab es für Putin keinen Grund, in den letzten Tagen Raketen auf zivile Gebiete, Städte und Dörfer zu schießen. Das bringt mich zum Nachdenken, ob er den Krieg vielleicht gar nicht beenden will, sondern mich nur hinhält, und dass man mit ihm anders umgehen muss, durch 'Banking' oder 'Sekundärsanktionen'? Zu viele Menschen sterben!!!"

Weitere Bilder aus dem Petersdom an diesem Vormittag zeigen Trump und Selenskyj, nun schon wieder nach ihren versiegelten 15 Minuten, wie sie mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer zusammenstehend sprechen, Macrons Hand auf Selenskyjs Schulter. Es ist, als wollten die beiden Dazugestoßenen durch unmittelbare Kontaktnahme noch an der metaphysischen Substanz teilhaben, die sie in der Ikonografie des Vieraugengesprächs zwischen Trump und Selenskyj aufgebaut sahen. Eine politische Formensprache, die mit überzeitlichen Repräsentationen spricht, wird freilich nicht überall verstanden. Da war kein Deutscher, nirgends.

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