Heiliger in Jeans und TurnschuhenBizarrer Kult oder Inspiration?

Lebt man als Zeitgenosse traditionelle katholische Frömmigkeitsformen, sorgt das für Irritationen. So mancher fremdelt darum auch mit Carlo Acutis, der 2006 mit nur 15 Jahren starb und demnächst heiliggesprochen werden soll.

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Rom hat es gerade nicht leicht, die deutschen Katholiken zu beglücken. Ich warte auf die Meldung aus dem Vatikan, die es einmal schafft, unisono Freude auszulösen. Auch bei Ereignissen, die eigentlich erfreulich sind, gibt es die, die noch ein Haar in der Suppe finden. So geschehen bei der Meldung, dass Carlo Acutis heiliggesprochen werden soll. Carlo wer? In Italien wird der junge Mann, der 2006 mit nur 15 Jahren an Leukämie starb, schon länger verehrt. Seliggesprochen ist er seit 2020.

Sein Leben kann heute wahrscheinlich nur eine Provokation sein. Seit seiner Erstkommunion ging der in London geborene Mailänder täglich in den Gottesdienst, im Zentrum stand für ihn die Eucharistie. Immer wieder erzählte er von der Realpräsenz: Katholiken glauben daran, dass Jesus in der Hostie wirklich anwesend ist, wenn der Priester sie mit Jesu Worten "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird" konsekriert.

Interessant ist dabei, dass der Junge keineswegs aus einer sehr religiösen Familie stammt, seine Mutter war überhaupt keine Messgängerin. Auch Maria, die Mutter Jesu, verehrte der junge Italiener sehr und betete täglich den Rosenkranz.

Nicht gerade das typische Teenager-Leben unserer Zeit. Das Drumherum aber schon. Auf Bildern sieht man ihn mit Turnschuhen, Jeans und College-Jacke. Sein Hobby war sehr zeitgemäß der Computer. Neben dem Gaming programmierte Carlo mit elf Jahren ein Online-Verzeichnis eucharistischer Wunder und half Priestern, Websites einzurichten. Deswegen soll er nun ein "Cyber-Apostel" sein. Seit seiner Seligsprechung besuchen viele sein Grab in Assisi und bitten dort um seine Fürsprache. Zwei Heilungen sind in der Folge geschehen und vom Vatikan als Wunder anerkannt. Damit ist der Weg zur Heiligsprechung frei.

Immer wieder wird eine Zwanghaftigkeit unterstellt, ein ungesundes Verhalten, das die Menschen in einer ungleichen Abhängigkeit klein halte und sie psychisch manipuliere. Doch niemand ist dabei verstockter als die, die sonst für alles mögliche Offenheit einfordern.

Dass manch einer im Netz jetzt von einem "bizarren Acutis-Kult" spricht, zeigt nur, welche Probleme einige heute mit klassischer katholischer Frömmigkeit haben. Immer wieder wird eine Zwanghaftigkeit unterstellt, ein ungesundes Verhalten, das die Menschen in einer ungleichen Abhängigkeit klein halte und sie psychisch manipuliere. Doch niemand ist dabei verstockter als die, die sonst für alles mögliche Offenheit einfordern.

Was ist denn gegen eucharistische Anbetung und Rosenkranz einzuwenden? Gerade diese Elemente des katholischen Glaubens sind geradezu kontemplativ, was by the way aktuell ziemlich anschlussfähig ist. Wer etwas herumgereist ist, sieht auch, dass das – angesichts der weltweiten Beliebtheit dieser Formen katholischer Spiritualität – ein äußerst selbstbezogener Blick ist. Dabei sitzen die Menschen nicht stundenlang aus einem sie unfrei haltenden inneren Zwang bei einer Anbetung oder beten manisch den Rosenkranz. Nein, sehr viele Menschen tun das aus einer inneren Sehnsucht heraus, weil es ihnen schlicht guttut. Ich mache das auch. Aus den genannten Vorurteilen ist es allerdings unpopulär geworden, davon zu erzählen. Und so stechen häufig nur die religiös stark Eifernden heraus, die es natürlich auch gibt. Die Mehrheit sind sie nicht.

Kraftquelle Eucharistie

Wahrscheinlich brauchen wir gerade heute Heilige wie Carlo Acutis, die uns die ungeheure Provokation der eucharistischen Gegenwart wieder vor Augen führen. Immer schon verleihen Heilige der konkreten Heilszusage Christi an seine Kirche neue, konkrete und damit geschichtliche Gestalt. Eschatologie im Heute.

Das kann auch ein Teenager sein, der seine Krankheit und sein damit kurzes Leben nicht als Verlust begreift. Der von seinem Lebensplan sagte, dieser sei "immer nahe bei Jesus zu sein". Der überzeugt war: "Unser Ziel muss das Unendliche sein, nicht das Endliche. Das Unendliche ist unsere Heimat. Der Himmel wartet schon immer auf uns." Hier spricht niemand aus einer religiösen Störung heraus, sondern einer, der Kraft aus seiner Frömmigkeit und Christus-Beziehung schöpfen konnte, die er vor allem in der Eucharistie gefunden hatte.

Das Konzil von Trient urteilte über Heiligenverehrung als "nicht heilsnotwendig, doch als nützlich und heilsam, auch als Ansporn zur Nachahmung ihrer Tugenden", so steht es in einem theologischen Lexikon. Wer heilig ist, entscheidet der Papst. Die amtliche Gewissheit rechtfertigt den öffentlichen Kult. Man kann darauf vertrauen, dass man hier nicht fehlgeleitet wird und sollte sich inspirieren lassen und freuen, wenn neue ermutigende Vorbilder auf diesem Weg sichtbar werden.

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