Junge Frauen, die sich für die "klassische Hausfrauenrolle" entscheiden, erzielen in den sozialen Netzwerken immer größere Reichweiten. Der Trend ist gefährlich. Aber Warnungen reichen nicht: Der Erfolg der Tradwives ist auch das Symptom eines gesellschaftlichen Problems.

Wissen Sie was Tradwives sind? Ich fand den Begriff zuerst lustig, hielt es für Satire, was sich hinter diesem Hashtag in den sozialen Medien findet. Nämlich: Frauen, die sich anziehen, wie in den Fünfzigerjahren und das dolling up nennen. Sich also zu Puppen machen. Die schön aussehen wollen für den Mann, der dann von der Arbeit nach Hause kommt und von dem sie sich freiwillig abhängig machen. Traditional wives, "traditionelle Ehefrauen" also. So etwa der Account von Estee Williams, der auf Instagram über 100.000 Follower zählt. Profilbeschreibung: "Wife & Homemaker". Ein anderes Profil ist das von Hannah Neeleman, der Mrs. American 2023, die etwas weniger glamourös mit ihrer Familie (acht Kinder!) auf einer Farm lebt. Sie hat sogar über 10 Millionen Follower. Die Zahlen zeigen: Der Hausfrauen-Trend aus den USA verfängt. Einige der selbst ernannten Tradwives sehen ihr Leben dabei als choice feminism, andere distanzieren sich bewusst vom Feminismus. Ihr Wahlspruch: "The future is not female, it is family!"

Viele Tradwives sagen, dass ihr christlicher Glauben sie zu diesem Lebensstil motiviert. Sie berufen sich auf die Bibel, wenn sie sich ihrem Mann "unterordnen" und den Sinn ihrer Existenz darin erkennen, sich um die Familie und den Haushalt zu kümmern.

Lebensstil und politische Agenda

Experten zufolge gab es die erste große Welle von Tradwife-Videos in den USA während des Wahlkampfes von Donald Trump im Jahr 2020. Auch 2024 haben Tradwives für den Republikaner geworben. Am Ende stimmte die Mehrheit der weißen Frauen für den Macho Trump und damit gegen die weibliche Kandidatin Harris, die gerade mit feministischen Themen Wahlkampf gemacht hatte. So behaglich der Lebensstil also aussehen mag, er ist Element einer politischen Agenda. Ein Teil der Tradwife-Szene steht zudem erkennbar extremistischen Bewegungen wie der Alt-Right- und der White-Supremacy-Bewegung nahe.

Die neue Hausfrauen-Welle ist dabei kein rein amerikanisches Phänomen. Auch deutsche Influencerinnen wie "xMalischka", ein stay-at-home-girlfriend, erreichen ein großes Publikum. Ihre Tiktok-Videos ("Mein Alltag als Hausfrau", "Mein Wochenende als Hausfrau", "Meine Ernährungstipps als Hausfrau") kommen auf Klickzahlen im Millionenbereich.

Die Hausfrauen-Romantik bietet für die AfD perfekten, auf den ersten Blick unpolitischen Content, der gerade junge Frauen auf ihre Kanäle führt.

Hierzulande dürfte vor allem eine Partei von dem Trend profitieren: die AfD. Im Hinblick auf die anstehenden Neuwahlen sollte man hier genauer hinschauen. Mit Plakaten wie "Echte Frauen sind rechts" warb die Partei bereits bei vergangenen Wahlen. Für den EU-Abgeordneten Maximilian Krah sind Feministinnen "alle hässlich". Björn Höcke fabulierte schon mal davon, dass man die "Männlichkeit wiederentdecken" und wieder "wehrhaft" werden müsse.

In den sozialen Medien sind die Rechten sehr erfolgreich, ja die AfD ist sogar die erfolgreichste Partei auf Tiktok, einer Plattform, die vor allem junge Menschen nutzen. Die Hausfrauen-Romantik bietet für die AfD perfekten, auf den ersten Blick unpolitischen Content, der gerade junge Frauen auf ihre Kanäle führt. Bisher wählten mehr Männer die AfD. Hier ist für die Partei durchaus noch etwas zu holen.

Überforderungen

Bleibt die Frage, warum das Ganze für junge Frauen überhaupt attraktiv ist? Die Kommunikationswissenschaftlerin Margareth Lünenborg meint, der Trend gleiche einem Märchen, das helfen könne, für einen Augenblick die Überforderungen des Lebens zu verdrängen. Dem ZDF sagte sie: "In Zeiten, in denen wir alle von Poly-Krisen an die Grenze der Überforderung gebracht werden, bringt so ein vermeintlich einfaches, unkompliziertes Lebensarrangement auch durchaus Verlockungen mit sich."

Diese Sehnsucht nach Klarheit zu befriedigen, haben sich auch christliche Influencer wie Jana Hochhalter, die sich online "Jana Highholder" nennt, auf die Fahnen geschrieben. Sie war einmal das Gesicht der EKD auf Youtube. Unter ihrem Instagram-Profil mit rund 70.000 Followern steht das Motto "Clarity in a world of confusion". Ihre Meinung zum Geschlechterthema? "Such Dir einen Mann aus, der Deiner Unterordnung würdig ist." Andere sogenannte Christfluencer sehen das ähnlich.

Die Kirchen müssen klarmachen, dass man die "traditionellen Familienwerte", nach denen sich offenbar viele sehnen, schätzen kann, ohne aus einzelnen Bibelzitaten Unterordnungsfantasien abzuleiten.

Davor muss gewarnt werden! Junge Frauen müssen verstehen, dass die Tradwives in den Sozialen Medien ein Geschäftsmodell für sich entdeckt haben: Sie verdienen mit ihren Kanälen Geld, sind also sehr wohl "berufstätig". Manche von ihnen beschäftigen sogar Hausangestellte, um Zeit für ihre Kochvideos zu haben. Ihnen nachzueifern, indem man sich als junge Frau finanziell komplett von einem Mann abhängig macht, gar auf Schulabschluss oder Berufungsausbildung verzichtet, ist idiotisch. Und die Kirchen müssen klarmachen, dass man die "traditionellen Familienwerte", nach denen sich offenbar viele sehnen, schätzen kann, ohne aus einzelnen Bibelzitaten Unterordnungsfantasien abzuleiten.

Warnungen reichen nicht

Aber Warnungen reichen nicht. Denn die Tradwives sind ein Symptom für ein gesellschaftliches Problem: Die "Überforderung" ist für viele Frauen und viele Familien alltägliche Realität. Das "unkomplizierte Lebensarrangement" einer Ehe mit klassischer Rollenverteilung ist für die Allermeisten ja gar keine Alternative: Sie haben nicht die Wahl, ob nur einer oder beide Partner arbeiten sollen. Ein Einkommen reicht in den meisten Fällen nicht, um als Familie auskömmlich leben zu können. Und auch mit zwei Einkommen ist das Leben für viele nicht einfach.

Der eigentliche Skandal ist es, dass Frauen (und Männer mit Berufung zum Hausmann) nur dann gesellschaftliche Anerkennung (und ausreichende Rentenansprüche!) erhalten, wenn sie nicht im eigenen Haus oder mit den eigenen Kindern oder Angehörigen arbeiten, sondern im Angestelltenverhältnis – auch wenn es die gleiche Care-Arbeit ist.

Der eigentliche Skandal ist es, dass Frauen (und Männer mit Berufung zum Hausmann) nur dann gesellschaftliche Anerkennung (und ausreichende Rentenansprüche!) erhalten, wenn sie nicht im eigenen Haus oder mit den eigenen Kindern oder Angehörigen arbeiten, sondern im Angestelltenverhältnis – auch wenn es die gleiche Care-Arbeit ist: sei es als Haushaltshilfe, Nanny oder Krankenpfleger. Für manche wird ein Leben als Tradwife da zum schönen Traum.

In den Augen vieler Bürger kümmert sich die Politik mehr um die Interessen von Minderheiten als um "normale Familien". Sich zur Lobby für deren Belange zu machen, wäre nicht zuletzt eine wichtige Aufgabe für die Kirchen.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat das gerade in einer Erklärung zum "Welttag der Armen" getan und auf den Zusammenhang zwischen Care-Arbeit und Armut hingewiesen, der vor allem Frauen betrifft. Der Gender-Renten-Gap liege bei fast 60 Prozent. "Aus christlicher Sicht ist es inakzeptabel, dass ein solcher Zusammenhang zwischen Sorgetätigkeiten und Armut besteht", so der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Care-Arbeit müsse auch finanziell angemessen berücksichtigt werden, Frauen- und Familienbilder, die Armutsrisiken befördern, gehörten auf den Prüfstand. Ob der Bischof dabei auch an die Risiken amerikanischer Social Media-Trends gedacht hat? Sie gehören jedenfalls definitiv in diese Kategorie.

 

COMMUNIO im Abo

COMMUNIO will die orientierende Kraft des Glaubens aus den Quellen von Schrift und Tradition für die Gegenwart erschließen sowie die Vielfalt, Schönheit und Tiefe christlichen Denkens und Fühlens zum Leuchten bringen.

Zum Kennenlernen: 1 Ausgabe gratis

Jetzt testen