Zwischen Berufung und BlockadeFrauen in der Kirche

Eine Dokumentation auf ARTE thematisiert die Frauenfrage in der katholischen Kirche. An keinem kirchlichen Fest ist sie präsenter als an Ostern. Warum wird die frohe Botschaft heute vor allem von Männern kontrolliert, obwohl Frauen die ersten Zeuginnen der Auferstehung waren? Papst Franziskus hat den Missstand erkannt. Er besetzte in seinem Pontifikat erstmals verschiedene Spitzenämter im Vatikan mit Frauen. Doch reicht das?

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Die ewige Streitfrage "Frauen und Kirche" ist mal wieder im TV präsent: ARTE hat eine 79-minütige Dokumentation veröffentlicht mit dem Titel: "Frauen im Priesteramt. Verbotene Berufung". Für den Film hat Filmemacherin Marie Mandy über 12 Jahre hinweg drei Frauen begleitet, die Priesterin werden wollen. Eine davon ist die im deutschen Sprachraum bekannte Autorin Jacqueline Straub, die in einer Szene in düsterem Licht von hinten vor einer mit vielen Zetteln dicht behangenen Wand steht. Die Zettel sind die Briefe, die die junge Frau über die Jahre in den Vatikan geschickt hat. Seit ihrer Jugend verspüre sie ein "Brennen", das sie als Berufung zur Priesterin deutet. Sie trifft dann in Rom auf Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der ihre gefühlte Berufung als "Irrtum" aburteilt. Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation lässt keinen Zweifel an der aktuellen Lehrmeinung: eine Priesterweihe für Frauen gibt es nicht. 

Für viele Verfechter von mehr Gleichberechtigung führt an der Weihe kein Weg vorbei, um eine gerechtere Kirche zu schaffen. Papst Franziskus sagt dagegen, dass es Frauen in Leitungsfunktionen auch ohne Weihe geben kann. In der ARTE-Doku kommt ein kurzer Ausschnitt, in dem er sagt: "Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist noch immer nicht überall gegeben. Frauen werden als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Wir müssen weiter darum kämpfen, weil Frauen ein Geschenk sind." Auch wenn der Papst hier oft sehr blumig klingt, zeigt er, dass er es ernst meint. Über die Jahre seines Pontifikats hinweg hat sich der Anteil der weiblichen Beschäftigen in der römischen Kurie von 19,3 auf 26,1 Prozent erhöht. Das gilt auch für Spitzenämter: Franziskus hat eine Frau zur Direktorin der vatikanischen Museen gemacht, Untersekretärinnen und dann erstmals eine Sekretärin ernannt, außerdem die erste Präfektin und vor ein paar Monaten mit Raffaela Petrini die erste Frau an die Verwaltungsspitze des Vatikanstaats gesetzt. Innerkirchlich war das eine kleine Sensation. Für Franziskus haben Frauen besondere "Charismen", die den Männern guttun. Er ist ein bekennender Fan gemischter Teams, auch in der ARTE-Doku schwärmt er von seinem Wirtschaftsrat, in dem er fünf von sechs Plätzen für Laien durch Frauen besetzt hat. Das Gremium habe dann "angefangen zu funktionieren". Auch mit einer Ordensfrau als Vize-Regierungschefin im Vatikan "läuft es hier besser, viel besser". Eine Gleichmacherei lehnt er aber ab, eine "Vermännlichung" von Frauen ist für ihn ein Schreckgespenst. Das Frauenpriestertum wird es auch mit diesem Papst nicht geben. Zu Jacqueline Straub sagt er bei einer Generalaudienz, sie solle besser "eine anständige Frau" sein.

Dass es für Führungspositionen nicht immer eine Weihe braucht, das zeigen auch die deutschen Bistümer. 32,5 Prozent der Positionen in der oberen und mittleren Leitungsebene wurden 2023 von einer Frau besetzt. Man kann nicht leugnen: Wille zur Veränderung ist da, doch auch mit Blick auf die Weltkirche sind diese Schritte klein. Bekommen diese Personalien bisher ohnehin nicht nur Insider mit? An vielen Orten hat die Kirche zudem beträchtlichen Einfluss auf Bürger- und Menschenrechte, für einen generellen kirchlichen Mentalitätswandel "pro Frau" reicht das alles noch nicht.  

Zeuginnen der Auferstehung

Dafür ist das Christentum eigentlich die prädestinierte Religion dafür: Durch eine Frau kommt Gott an Weihnachten zur Welt, Frauen sind es, die bis zum Schluss bei Jesus am Kreuz ausharren und sein leeres Grab entdecken, zahlreiche Heilige sind auch als Kirchenlehrinnen einflussreich bis heute.

Doch gerade an den Tagen um Ostern fällt auf, dass die Rolle, die Frauen heute in der Kirche einnehmen, keineswegs der entspricht, die ihnen einst zukam. Dass sie die ersten Zeuginnen der Auferstehung waren, dafür spricht auch historisch vieles, gerade dass es übereinstimmend berichtet wird. Hätte man etwas konstruieren wollen, wären sicher keine Frauen als glaubwürdige Zeuginnen auserkoren gewesen. In der damaligen Zeit galt ein Frauenwort nicht viel. Das kann man auch bei Lukas nachlesen:

Und sie kehrten vom Grab in die Stadt zurück und berichteten alles den Elf und den anderen Jüngern. Es waren Maria Magdalena, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus; auch die übrigen Frauen, die bei ihnen waren, erzählten es den Aposteln. Doch die Apostel hielten das alles für Geschwätz und glaubten ihnen nicht (Lk 24, 9 -11).

Weibergeschwätz, wer kennt den Vorwurf nicht?

Dieser Logik entsprechend wurde im ersten Korintherbrief, der als eines der ältesten Glaubensbekenntnisse gilt, dann vielleicht auch Simon Petrus, als prominenter Zeuge der Auferstehung benannt (Jesus "erschien dem Kephas, dann den Zwölf") und nicht Maria Magdalena, obwohl sie Jesus als erste gesehen hatte, zumindest findet sich das so im Johannesevangelium (Joh 20, 11ff.).

Ist hier die wahre Geschichte umgeschrieben, etwas ausgelassen worden oder war gar keine Absicht dabei?

Jedenfalls zeigt Ostern, dass das zentrale Ereignis des Christentums, Jesu Sieg über den Tod, zuerst von Frauen entdeckt und verkündet wurde. Sagt das nicht auch etwas über die hohe Stellung, die sie bei Jesus innehatten? Doch: Ist so eine Aufrechnung eigentlich wirklich nötig? Immer dieses gegeneinander Ausspielen der Geschlechter, ist das nicht nervig? Wahrscheinlich muss man sagen, dass nur der das als nervig empfindet, der von der Ungleichbehandlung nicht betroffen ist. Der noch nie eine Absage für etwas bekommen hat, nur weil er nicht den richtigen Körper dafür besitzt. Der in Begegnungen noch nie Geringschätzung für sein Geschlecht erfahren hat. Diese Erfahrungen kann man in der katholischen Kirche machen, leider. 2018 beklagten Ordensfrauen in einer Beilage des "Osservatore Romano" im Vatikan wie niedere Bedienstete behandeln zu werden: "Hinter alldem steht leider immer noch die Auffassung, dass eine Frau weniger als ein Mann zählt, und vor allem, dass der Priester für die Kirche alles ist und eine Nonne nichts."

Auch bei kirchlichen Großereignissen waren Frauen in letzter Zeit nicht sonderlich präsent. Im Zweiten Vatikanischen Konzil wurden irgendwann ein paar wenige als Auditorinnen zugelassen, bei Synoden hatten sie bis vor Kurzem kein Stimmrecht – obwohl männliche Laien das bereits hatten. Immerhin das wurde 2023 geändert.

Wenn die Absage der Priesterweihe bedeutet, Frauen von Einfluss fernzuhalten, ist das – gerade mit Blick auf Ostern – wohl eher der eigentliche Traditionsbruch. Dann muss es eben andere Wege geben, um die oft gepriesene "Gleichwertigkeit in der Andersartigkeit" wirklich einzulösen.

Sicher: Dahinter stecken komplexe theologische Gedanken zur Amtstheologie mit jahrhundertealter Tradition. Doch wenn die Absage der Priesterweihe bedeutet, Frauen von Einfluss fernzuhalten, ist das – gerade mit Blick auf Ostern – wohl eher der eigentliche Traditionsbruch. Dann muss es eben andere Wege geben, um die oft gepriesene "Gleichwertigkeit in der Andersartigkeit" wirklich einzulösen. Wie es aktuell läuft, irritiert im Übrigen auch Außenstehende: dass die frohe Botschaft, deren erste Zeuginnen Frauen waren, heute in der Öffentlichkeit vor allem von Männern kontrolliert und verkündet wird, das verstehen viele nicht. Immer wieder kommt die Frage: Wenn die Frau im Christentum so wichtig ist, warum sehen wir immer nur Männer, wenn die katholische Kirche irgendwo Thema ist? Die ARTE Doku meint gar, dass angesichts von "Hundertschaften von karmesinroten Kardinalsroben" die Kirche "das radikalste Patriarchat der Welt" sei.

Zumindest in Europa erleben das viele Frauen in zahlreichen Gemeinden vor Ort zum Glück anders. Doch die "österliche" Position haben wir längst nicht wiedererlangt. Eine "Apostelin der Apostel", als welche Franziskus Maria Magdalena 2016 mit einem eigenen Fest gewürdigt hat, ist eine schöne Wertschätzung für eine tote Heilige, uns lebenden Frauen bringt das bisher wenig. Papst Franziskus' Aufbrüche können nur ein Anfang sein, doch immerhin tut er sie. Steter Tropfen höhlt den Stein. Was viele vergessen: diese Kirche bewegt sich im Takt von Jahrhunderten. Schnelle Veränderungen sind selten. An der Stelle muss man mit Blick auf die österliche Woman-Power sagen: leider.

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