Während des Studiums lernt man ja so manch interessanten Kommilitonen kennen. Theologie zieht keineswegs nur Lehrämtler oder pastoralen Nachwuchs an. Auch für Seniorenstudenten oder generell Sinnsucher ist das Fach ein Magnet. Einer, der hier auch auf der Suche war, ist mein Freund Dominik. Wir teilten ein paar Semester. Irgendwann ist er dann aufgebrochen, um das Ordensleben zu erkunden. Nach Umwegen ist er beim wohl extremsten Orden gelandet, den es aktuell gibt: in der großen Kartause in Frankreich. Bekannt auch durch den Film "Die große Stille", haben sich diese Mönche zum Schweigen verpflichtet. Jeder lebt in seiner eigenen kleinen Zelle mit Garten, man begegnet sich zu den Gebetszeiten, der Alltag ist streng geregelt. Nach außen kommunizieren dürfen sie nicht, die Eltern kommen zweimal im Jahr zu Besuch, aber selbst für die Mutter ist an der Klosterpforte Schluss.
Ein komisches Gefühl Briefe zu schreiben, die gelesen werden, aber keine Antwort zu bekommen. Wie eine Parallelwelt, aus der man beobachtet wird, in die man aber nicht hineinschauen darf. Immerhin schicken die Eltern jährlich einen Rundbrief mit Bildern, so können seine Freunde sich überzeugen: Dominik, der jetzt Bruder Syméon heißt, sieht sehr glücklich aus. Seit seinem Eintritt sind 10 Jahre vergangen. Als er ging, sagte er mir: nächstes Mal sehen wir uns bei meiner Priesterweihe!
Und tatsächlich – die Einladung dazu, dieser einzige Brief, den er wohl jemals aus der Kartause an mich schicken kann, lag kürzlich im Briefkasten. Dieser Tag im August wird wohl das letzte Mal sein, dass wir uns sehen. Zu so einem besonderen Ereignis will man natürlich etwas mitbringen. Doch die Kartäuser akzeptieren keinen persönlichen Besitz.
Als ich als Journalistin im Vatikan unterwegs war, habe ich einmal nachgefragt, wie denn der Segen eigentlich ins Pergament komme? Angeblich werden dem Papst regelmäßig die Papiere auf den Schreibtisch gelegt und er spricht dann über den Stapel eine Segensformel.
Ein Segen für 20 Euro
Was tun?
Plötzlich fiel mir Rom ein. Hinter der Sankt-Anna-Pforte, die in den Vatikan führt, liegt ein stark frequentiertes Gebäude. Die "Elemosineria". Mit diesem Code-Wort lassen einen die Schweizer Gardisten passieren. Hinter dem Begriff verbirgt sich das "Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe" oder auch: das Almosenamt. Dort kann man ein ganz besonderes Geschenk erwerben: einen päpstlichen Segen. Im Gebäude hängen Vorlagen an der Wand, alle ziert das Konterfei des Papstes, reichlich verziert mit Ornamenten. Anlässe, für die man den Segen erbitten kann, sind zum Beispiel Hochzeit, Priesterweihe oder ein besonderes Jubiläum. Manche benötigen eine "Eignungserklärung", in der bestätigt wird, dass die Empfänger des Segens praktizierende Katholiken sind. Den Segen kann man sogar im Internet bestellen und sich (für einen horrenden Aufpreis!) zuschicken lassen. Als ich als Journalistin im Vatikan unterwegs war, habe ich einmal nachgefragt, wie denn der Segen eigentlich ins Pergament komme? Angeblich werden dem Papst regelmäßig die Papiere auf den Schreibtisch gelegt und er spricht dann über den Stapel eine Segensformel.
Ein Segen kostet um die 20 Euro. Das Geld kommt wohltätigen Zwecken des Papstes zugute, beispielsweise unterstützt Franziskus gern die Obdachlosen auf dem Petersplatz. Franziskus war es auch, der dafür sorgte, dass die Segensurkunden nur noch in der "Elemosineria" zu erwerben sind, zuvor waren sie auch bei ein paar Devotionalienhändlern rund um den Petersplatz zu bekommen. Dass diese mit dem päpstlichen Segen Geld verdienten, ging ihm gegen den Strich. Sogar die BILD-Zeitung hat davon berichtet ("Franziskus stoppt Abzocke mit seinen Segen").
Und es stellt sich ja schon die Frage – kann man einen Segen verkaufen? Was ist ein Segen überhaupt? In theologischen Lexika finden sich Kurzdefinitionen wie "Anwünschung göttlicher Wohltaten", auch die "Verwandlung des Seinszustandes", aber wichtig: "nicht magisch, sondern in legitim-religiösem Sinn". Im Studium erklärte man Segen gern als "illokutionären und performativen Sprechakt", es handele sich um ein Reden, das eine Handlung vollzieht und Wirklichkeit verändert.
Dass an Ostern in der Kirche Speisen wie Eier und Gebäck gesegnet werden, das leuchtet mir noch ein – aber Fahrzeuge? Oder schlimmer noch (wie auch geschehen): Waffen? Die Grenze zur magischen Aufladung ist manchmal doch sehr weich, oder nicht?
An der Grenze zur Magie
Das Segnen, wie wir es heute kennen, ist jedenfalls ganz alt. Schon im 1. Jahrhundert gibt es Zeugnisse von Segensformeln, die den heutigen nicht unähnlich sind. Kritik gab es vor allem nach Ausuferungen im Mittelalter, als alles Mögliche in allen möglichen Variationen gesegnet wurde. Papst Paul V. bot dem mit dem "Rituale Romanum" Einhalt. Auch heute macht man sich manchmal darüber lustig, wenn Motorräder oder Autos gesegnet werden. Ich muss da ehrlich gesagt auch stutzen. Dass an Ostern in der Kirche Speisen wie Eier und Gebäck gesegnet werden, das leuchtet mir noch ein – aber Fahrzeuge? Oder schlimmer noch (wie auch geschehen): Waffen?
Die Grenze zur magischen Aufladung ist manchmal doch sehr weich, oder nicht?
Der ursprüngliche Gedanke aber, dass man mit dem Segen einem Menschen Gottes Nähe wünscht, der gefällt mir. Dass der Papst das Geld für seinen Segen den Armen gibt, auch.
Also besorgte ich so ein imposantes Ding. Ich bin gespannt, wie mein Freund auf die Segensurkunde reagieren wird. Ob er sich dadurch gestärkt fühlt? Es kann sein, dass ich sie danach wieder zurückbekomme, behalten darf er sie ja nicht. Doch der Segen wirkt auch ohne das Papier. Oder nicht?