Glaube als Event?Meine Frömmigkeit braucht kein emotionales Feuerwerk

Großevents, Gebetshäuser, Influencer-Christentum: Viele junge Menschen finden darin Sinn. Ist die "normale" Frömmigkeit nicht sexy genug?

Religiöses Event
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Wenn Generationen aufeinandertreffen, wird es interessant. So ging es mir kürzlich in einem längeren Gespräch mit einem Journalistenkollegen, der mir ein paar Jahrzehnte voraus ist. Er befragte mich ganz neugierig, wie ich denn zu Gebetshäusern, Jüngerschaftsschulen und ähnlichen charismatischen Initiativen stehe, die durch große Konferenzen und Glaubensfestivals immer mehr junge Menschen zu erreichen scheinen. Vermutlich hat er sich von mir irgendeine Erklärung für deren Erfolg erhofft. Er versteht den nämlich nicht so ganz. Mir geht es ähnlich.

Natürlich respektiere ich alle, die sich dafür engagieren, dass junge Menschen einen Rahmen zum Beten bekommen, den sie sonst wohl nicht finden würden. Das Ziel, die Menschen so in eine Beziehung mit Jesus zu führen, finde ich gut. Beispiele gibt es viele, das Gebetshaus in Augsburg ist sehr prominent, auch Influencerinnen wie Jana Hochhalter oder Jasmin Neubauer, die auf den sozialen Medien viele tausende Follower haben und ein Christentum vorleben, das mit täglicher Bibellektüre und gefühlsbetonten Worship-Gottesdiensten daherkommt. Ich höre auch privat immer wieder von einer freikirchlichen Gemeinde irgendwo in der Nachbarschaft, in die auffallend viele Spielplatz-Mütter gehen – vielleicht liegt das aber auch daran, dass die neben ihrem Lobpreisraum ein schalldichtes Zimmer mit Kinderbetreuung haben ...

Kritiker wittern Fundamentalismus: Zu schwarz-weiß seien die Aussagen, "nur Jesus" als Lösung für alles verhindere die fundierte und kritische Auseinandersetzungen mit Glaubensinhalten. So äußert sich etwa die Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer: "Es geht vorrangig um Lobpreis, um Fasten, um Gebet, um Bekehrung und um eine Hinwendung zu Gott in einem ganz engen abgekapselten Sinne", sagte sie in einem Interview. "Gebetskreise finden nur in coolen Locations statt, statt im Pfarrsaal. Jeder, der Christ werden will, braucht dazu ein einmaliges Glaubens- und Bekehrungserlebnis, Taufe allein genügt offenkundig nicht."

Die Aussagen sind überspitzt. Ich nehme aber auch wahr, dass in diesem Umfeld nicht selten suggeriert wird: In einer Welt der immer komplexer werdenden Fragen haben wir für euch Antworten.

Neben dem Gebetshaus in Augsburg haben in letzter Zeit auch die "Home Base" genannten Häuser der Loretto-Gemeinschaft in Salzburg und Passau für Aufmerksamkeit gesorgt. Man trifft dort strahlende, freundliche junge Menschen, die sich für Jesus und seine Botschaft engagieren. Ich staune über deren Zuspruch und den Erfolg. Die Augsburger Großevents beeindrucken mich. Wo sonst lassen sich solche Massen an jungen Leuten noch im kirchlichen Kontext sehen?

Ich fühle mich zu Hause in den "normalen", klassischen Frömmigkeitsformen der katholischen Kirche. Mir reicht die Sonntagsmesse, immer wieder die Beichte oder gelegentliche Wallfahrten.

Nur: Für mich ist das nichts. Ich fühle mich zu Hause in den "normalen", klassischen Frömmigkeitsformen der katholischen Kirche. Mir reicht die Sonntagsmesse, immer wieder die Beichte oder gelegentliche Wallfahrten. Auch bete ich nicht täglich das Stundengebet, ich bin ja kein Kleriker. Der Rosenkranz beruhigt meine Nerven, wenn sie es brauchen, und auch die täglichen kurzen Stoßgebete oder das Abendgebet gehören meistens dazu. Einen Zwang dazu empfinde ich nicht. Wenn es mal nicht klappt, dann ist das eben so. Ich zünde auch mal eine Kerze auf dem Hausaltar an, wenn jemand in der Familie einen wichtigen Termin hat oder etwas anderes ansteht. Einen großen Rahmen und ein emotionales Feuerwerk brauche ich für meine alltägliche Frömmigkeit nicht.

Dem älteren Kollegen geht es ähnlich. Auch wenn uns die Generationen trennen, treffen wir uns im Bedauern, dass so eine "normale katholische Spiritualität" irgendwie nicht mehr sexy genug zu sein scheint. Frömmigkeit, die eint und trägt, aber nicht überfordert. Die ein Wertefundament ermöglicht, auf dem man gut in der Welt bestehen kann und das einem Halt und Haltung gibt. Ist das ein "Christentum light"? Ich bin dankbar, dass der Glaube selbstverständlich und unaufgeregt zu einem Teil meiner Biografie werden konnte. Dass er mich nicht extrem vereinnahmt, aber trotzdem stützt. Das wünsche ich auch meinen Kindern.

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