"Welcher Tag ist heute?", fragt mich mein Sohn nach dem Aufwachen. "Sonntag". "Oh, kein Kindergarten!". Seine Augen strahlen. Die Woche war voll. "Ja, aber wir gehen heute in die Kirche", antworte ich. "Bäh! Nein, das mag ich nicht". Der kleine Bruder, ebenfalls erwacht, stimmt mit ein: "Beeeeh! Nee!" Seltene Geschwister-Solidarität.
Wir schweigen das Thema erst mal tot und frühstücken. "Müsli? Ich mag ein Nutella-Brot! Heute ist doch Sonntag!" Ist es möglich empörter zu schauen, als ein Kleinkind, dem man das falsche Essen serviert hat? "Nutella! Nu-te-lla!". "Ja, ja, ist ja gut", sage ich. Der Frieden muss gewahrt werden, wir haben einen Plan. Die ersten Bissen abwarten, dann versuchen, wieder auf Kurs zu kommen. "Du hast ja Recht. Heute ist ein besonderer Tag. Sonntag. Und da gehen wir auch in die Messe". Ich versuche es mit dem Beständigkeits-Trick: "Wie immer! Stimmts?" Meine Söhne, diese kleinen Routinen-Junkies, springen darauf eigentlich immer an. Es klappt nicht. Ich seufze. Die elterliche Königsdisziplin steht an.
Butterbrezel, check: Verhandlung abgeschlossen
Wie schaffe ich es, dass meine Kinder etwas wollen, das ich will? "Sie müssen es verstehen, dann tun sie es freiwillig", versichert die "Bedürfnisorientierte Erziehung", der aktuelle heilige Gral der frühkindlichen Pädagogik. Zwang gilt als Anwendung von Gewalt. Natürlich will ich es richtig machen und beginne zu erklären. "Weißt Du, wir beten doch jeden Abend zum lieben Gott. Und einmal in der Woche besuchen wir ihn in der Kirche." Keine Einsicht. Zweiter Versuch: "Weißt Du, wer heute auch kommt?" Die Namen der anderen Kinder sind die Rettung. Jetzt ist alles eine andere Sache. "Ok! Aber dann will ich eine Butterbrezel!" Verhandlung abgeschlossen. Die Wächter der kindlichen Bedürfnisse dürften mit uns zufrieden sein.
Nach dem Anziehmarathon mit zwei Kleinkindern ist jede sonntägliche Erholung zwar schon wieder passé, aber das macht nichts. Auf zu unserem sonntäglichen Sehnsuchtsort: einer kleinen barocken Kirche. Ein Kuscheltier musste auch mit. "Weißt Du, da ist es so schön gülden!", wurde der kleine Fuchs überzeugt.
In einer Gemeinde habe ich einmal einen schalldicht-rundum-verglasten Raum genossen – voller Blick auf das Geschehen, immer wieder Innerlichkeit möglich und keine Panik bei Kinderlärm. Herrlich. Doch das hat Seltenheitswert.
Die Kirche ist voll. Zu voll. Leichte Schweißperlen kündigen sich an – wie lang wird es dauern, bis das erste Kind zu laut wird? Der Vierjährige hält in der Bank gut durch, doch der Kleinste ist das Problem. Im ersten Jahr, diesem wundervollen Zustand aus Schlafen-Essen-Windelwechsel, ist alles noch gut. Die Messe wird im Tragetuch verschlafen. Segen für Mutter und Kind. Doch wenn sie älter werden und – wie die Amerikaner treffend sagen – als "Terrible Two" rastlos alles untersuchen, was ihnen begegnet, ist es mit der Ruhe vorbei. In einer Gemeinde habe ich einmal einen schalldicht-rundum-verglasten Raum genossen – voller Blick auf das Geschehen, immer wieder Innerlichkeit möglich und keine Panik bei Kinderlärm. Herrlich. Doch das hat Seltenheitswert.
War das jetzt ein Erfolg?
Wie also mit den Kleinsten umgehen? Da sind die Eltern, die es eisern durchziehen und ihre Kinder tatsächlich zu frommen Zinnsoldaten erziehen. Und da bin ich – die spätestens bei der Predigt einknickt und das Weite sucht. Die kleinen Störenfriede bekommen eine Brezel, bis zum zweiten Versuch. "Mama, warum muss man in der Kirche denn immer so leise sein", fragt mich der Große im Café genervt. "Weil die Menschen mit Gott sprechen wollen. Und wenn Du mit mir sprechen willst und alle um uns herum sind laut, ist das doch auch schwierig. Verstehst Du?" "Ja. Aber warum dauert das so lange?"
Wir versuchen es nochmal, dann ist es geschafft, der Abschlusssegen und die mächtigen Klänge der Orgel begleiten uns nach draußen. Mutter gestresst, Kinder immer wieder gelangweilt, immerhin der Papa konnte beten. War das jetzt ein Erfolg? Ich zweifle manchmal. Aber dann höre ich meinen Sohn mit dem Fuchs sprechen: "Hast Du alles gesehen? Das war schön, gell?" Und ich denke: na gut, so geht wohl religiöse Sozialisation. Ob sie es uns einmal danken?