Haben Sie schon mal von der Quarterlife Crisis gehört? Mir war der Begriff bisher unbekannt, bis ich kürzlich in der Lokalzeitung den Artikel einer 25-jährigen Autorin las, die ausführlich ihr Lebensgefühl schilderte. Offenbar sorgen die vielen Möglichkeiten, die man mit Mitte 20 hat, für Überforderung. Die Autorin spricht über all die Fragen, die die Welt an sie hat: Kinder? Karriere? Festanstellung? Selbstständigkeit? Welcher Job überhaupt? Und das "in einer Welt, die sich ständig verändert". Überall "Türen", hinter denen "tausend andere" warten. "Und je nachdem, welche Entscheidung ich jetzt treffe, weil jetzt, mit 25, ist doch der perfekte Moment, wäre ich glücklicher oder miserabel, vielleicht, wer weiß das schon? Ich nicht. Und ich werde es nie wissen. Und das stresst mich." Knapp die Hälfte der Menschen zwischen 20 und 30 soll Studien zufolge an einer solchen Krise leiden.
Ich kann mich gut an die Zeit nach Abitur und Studienabschluss erinnern. Ähnliche Krisen und Gedankengänge habe ich damals bei Freundinnen auch miterlebt und gesehen, wie die einen glücklich wurden, die anderen dagegen bis heute auf der Suche sind und sich nicht festlegen können. Es ist anstrengend, in einer Welt Lebensentscheidungen zu treffen, in der alles möglich ist, in der es keine festen Rollen und Lebensläufe mehr gibt. Das verstehe ich. Aber ich frage mich, ob die Quarterlife Crisis nicht auch Ausdruck einer spirituellen Krise ist.
Wenn alles in unserer Hand liegt, müssen unsere Entscheidungen extrem sorgsam abgewogen werden. Und wenn wir scheitern, sind wir selbst schuld. Die Gier nach Kontrolle, die ständige Selbstoptimierung, ist fast schon eine Sucht geworden. Überall locken gerade zum Jahresbeginn Challenges, die zu besserer Ernährung, täglichem Journaling oder zu Spinning-Kursen morgens um sechs herausfordern. In den sozialen Medien setzen Hochglanz-Profile unter Druck, die einem ins Unterbewusstsein hämmern, was alles noch fehlt, um wirklich glücklich zu sein.
Glauben und Vertrauen
Ich behaupte: Gläubige Gelassenheit und Vertrauen auf Gottes Vorsehung sind das beste Heilmittel gegen die Quarterlife Crisis und andere Orientierungskrisen. Ja, es ist abgegriffen, von "Berufung" zu sprechen. Und doch: Ich habe die Idee, dass jeder von uns besondere Gaben und Fähigkeiten erhalten hat, die ihm anzeigen, was sein Platz und sein Weg sein können, in meinem Leben als Realität erlebt. Wer dem auf die Spur kommt, spürt nicht selten Rückenwind. Es ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten, es öffnen sich immer wieder neue Türen. Das Vertrauen wird belohnt. Das ist eine Message, die die Kirche viel zu leise verkündet.
Dabei wäre diese Botschaft gerade in einer von Krisen und Umbrüchen erschütterten Gegenwart hilfreich, in der jeder Tag anders ist, wie die junge Autorin schreibt (und auch das als "wahnsinnig anstrengend" empfindet). Zu diesem ständigen "Anders" kann die Kirche ein echter, beständiger Ruhepol sein.
Wenn ich mich im lauten Alltag vor lauter Stress kaum noch spüren kann, gehe ich in die nächste Kirche. Die alten Gemäuer, die seit Jahrhunderten stehen und tausende Menschen wie mich gesehen haben, deren Gebete hier irgendwie immer noch in den Mauern stecken – sie vermitteln Beständigkeit und geben mir den ersehnten Trost, der mich wieder ruhig werden lässt.
Gott ist. Wer diese Gegenwart einmal gefunden hat, der kann das Hier und Jetzt auch mal nicht so wichtig nehmen und vertraut auf das, was kommen mag. Vielleicht ist es zu krass, dass mir hier die Melodie von Dietrich Bonhoeffers "Von guten Mächten" in den Sinn kommt. Schließlich entstanden die Zeilen in einem Nazi-Gefängnis. Doch für mich ist es genau dieses Grundgefühl, das mich immun gegen Krisen machen kann. Wer sich von Gott "treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar" weiß, der hat keine Angst und lässt sich auch nicht stressen. Der traut sich auch, zu einer Bauchgefühl-Entscheidung "ja" zu sagen, die nicht tausendfach in alle Richtungen durchdacht und abgesichert wurde, gerade weil man weiß, dass man eben nicht alles in der Hand hat und dabei nicht alleine ist. Was für ein Trost.